DZW-Artikel – „Ausführlich“ ist relativ - auf die Basis kommt es an

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Inhalt

Die Leistungsbeschreibung lautet:Ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht (einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem(n) Befund(en), zur epikritischen Bewertung und gegebenenfalls zur Therapie) - Nr. 75 GOÄ: Definitionen
Ausführlich ist vergütungstechnisch bzw. unter betriebswirtschaftlichen Aspekten schon erreicht unter zwei Minuten Zeitbedarf.
Der schriftliche Bericht ist von Form, Medium und Umfang her nicht festgelegt; allerdings gibt es erkennbar Mindestanforderungen
Krankheits- und Befundbericht:
Beide Angaben sind wesentlicher Inhalt und sind kaum trennbar:
Ein Krankheitsbericht ohne Befunddarstellung bleibt nebulös, ein Befundbericht ohne Nennung bzw. Konkretisierung der Krankheitsfolgen wäre sinnlos. Es kommt beim Krankheits- und Befundbericht darauf an, den medizinischen Bezug zwischen Befund und Erkrankung herzustellen.  
Ein Bericht ist vom Begriff her länger als ein, zwei Sätze, außer bei Formulieren eines langen „Bandwurmsatzes“.
Berechnungsbestimmung GOÄ:
Die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht ist mit der Gebühr für die zugrundliegende Leistung abgegolten.“
Die dazu nötige Festlegung auf entweder lediglich eine „Mitteilung“ (bloße Faktenweitergabe) oder einen „einfachen Bericht“ (keine oder wenig Verknüpfung) berücksichtigt beim Resultat „abgegolten“ zeitliche und vergütungstechnische Aspekte:
Gebührenhöhe im Verhältnis zum Zeitaufwand
Der Mittelsatz in Höhe von 17,43 € honoriert betriebswirtschaftlich einen zahnärztlichen Zeitaufwand von drei bis vier Minuten, der Höchstsatz mit 26,52 € also fünfeinhalb Minuten. Für Routineberichte könnten die Vergütungen von 17,- bis  27,- Euro noch hinreichend sein?

Für Berichte an Versicherungen mit mehr als 3 bis 5 Sätzen kommt die Kalkulation bereits zu einem höheren Honorierungsbedarf. Dann wird bereits – nicht nur aus Gründen der Honorarsicherheit – eine Vereinbarung der Gebührenhöhe nach § 2 (1, 2) GOZ mit dem Auftraggeber, also i.d.R. mit dem Zahlungspflichtigen und/oder der anfragenden Versicherung erforderlich.

Wird von den Auftraggebern eigentlich eine „schriftliche gutachterliche Äußerung“ erwartet, also beispielsweise ein Satz zur ärztlichen Beurteilung oder Wertung des Berichtsinhaltes, dann wäre bereits die Leistung nach Nr. Ä80 zutreffend ansetzbar.     

 

Die Schreibgebühren nach den Nummern Ä95 und Ä96 sind nur neben den Leistungen nach den Nummern Ä80 (schriftliche gutachtliche Äußerung) und Ä85 (aufwendiges Gutachten) und nur mit dem einfachen Gebührensatz berechnungsfähig.

Spezielle Kommentierung
Die Ä75 ist ein ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht. Sie ist je Bericht, ggf. auch wiederholt berechnungsfähig.
Die bloße Befundmitteilung bzw. ein einfacher Befundbericht ist mit der Gebühr für die zugrunde liegende Leistung abgegolten; dasselbe gilt im Umkehrschluss für den reinen Krankheitsbericht ohne Befundmitteilung etc.
Die Ä75 ist häufig nicht beihilfefähig, wird oft von Patienten hinsichtlich der tatsächlichen Leistungserbringung hinterfragt und deshalb vielfach zum Ärgernis, nicht so sehr eine Arbeitsbelastung, sondern eher Anlass für unerfreuliche Diskussionen. In den zahnärztlichen Praxen wird die Leistung nach Ä75 nicht sonderlich häufig berechnet, wahrscheinlich zu selten.

Die Ä75 birgt wohl zu viel Potential für Störungen?

Beim Blick auf die spezielle Kommentierung der Ä75 in „ALEX 4.“ (Abrechnungslexikon des GOZ Expertengremiums) fällt direkt folgender Kommentar auf: „...Die Ziffer Ä75 ist eine vom Patienten und oder Zahlungspflichtigen oder der kostenerstattenden Stelle/Behörde o. Ä. angeforderte Leistung, die dem Anforderer in Rechnung gestellt wird.“

Das ist allerdings eher selten der Fall, dass entweder ein Patient direkt oder eine kostenerstattende Stelle zielgerichtet einen Arztbericht anfordert. Dennoch werden pro Jahr unzählige Arztbriefe in Deutschland erstellt: Wie kommt diese Diskrepanz zustande?

Daraus kann man nicht schließen, dass der ausführliche schriftliche Krankheits- und Befundbericht nach Nr. 75 GOÄ unnötig erfolgen würde: So urteilte das VG Frankfurt a. M. am 24.06.2003, Az. 21 BG 3373/02 zu den ärztlichen Berufspflichten wie folgt: „Zur gewissenhaften Berufsausübung zählen auch die Behandlungsgrundsätze als vertragliche Nebenpflichten und damit also auch die Pflicht, für die mit- oder weiterbehandelnden Ärzte die erforderlichen Patientenberichte zeitgerecht zu erstellen.
HBG § 22, BO § 2 Abs. 3). Zu den ärztlichen Berufspflichten zählt auch die Pflicht zur zeitnahen Erstellung eines Arztbriefes und dessen Weiterleitung an den nachbehandelnden Arzt.“

Fazit: Der ausführliche Arztbrief ist nicht nur auf Anforderung berechnungsfähig, sondern auch, wenn dieser zur gut abgestimmten Kooperation von Ärzten untereinander erforderlich ist.

 

Gerade für MKG-Praxen („Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie") oder fachzahnärztliche  KFO- Praxen, ist folglich das Erstellen eines ausführlichen, schriftlichen Krankheits- und Befundberichtes eine alltägliche Angelegenheit.

 

Wo sind weitere Ecken und Kanten der Abrechnung von bekannt Ä75?

Da ist zunächst die Frage zu klären, was bedeutet eigentlich „ausführlich“? Damit der Begriff „ausführlich“ zutrifft, muss ein Arztbericht folgendes enthalten: für den Fall eines Krankheitsberichtes die Diagnose, ggf. eine Differentialdiagnose und/oder für den Fall eines Befundberichtes die Ausprägung, Symptomatik der Erkrankung, außerdem die spezielle Anamnese (fallbezogene  Vorgeschichte) sowie ggf. prognostische Angaben/ Epikrise. Wenn der Bericht mindestens drei Sätze bzw. drei Satzteile unterschiedlichen Inhalts oder mehr enthält, ist die Ä75 zutreffend berechnet. Ist der Umfang eines solchen Schreibens geringer, ist wohl eher die Ä70 die zutreffende Leistung.

Der ausführliche schriftliche Krankheits- und Befundbericht nach Ä75 kann hinsichtlich seiner Form als „klassischer“ Brief in Erscheinung treten, möglich wären aber auch eine Notiz oder eine formlose Niederschrift. In Zeiten moderner Datenübertragung fällt unter den Begriff „schriftlich“ aber natürlich auch der Informationstransfer via E-Mail u. Ä. Aufgrund der hohen Anforderungen im Datenschutzbereich ist jedoch eine entsprechende Verschlüsselung der Dateien erforderlich. Auch die Zahnarztpraxen sind bzw. werden damit zzt. ausgestattet (2021/2022).

 

Wichtig: Die bloße Befundmitteilung bzw. ein einfacher Befundbericht ist regelmäßig mit der Gebühr für die zugrunde liegende Leistung abgegolten; dasselbe gilt im Umkehrschluss für den reinen Krankheitsbericht ohne Befundmitteilung etc. Gleiches gilt für Befundmitteilungen zu Röntgenaufnahmen: Diese sind ebenfalls mit den Gebühren nach Ä5000, Ä5002, Ä5004 ff. abgegolten.  

Zur Ä75 können Porto- und darüber hinaus auch ggf. Versandkosten gemäß § 10 Abs. 1 Punkt 2. GOÄ hinzukommen. Allerdings: Schreibgebühren nach Ä95, Ä96 sind zusätzlich zur Ä75 nicht ansatzfähig.

Wenn der ausführlichen Krankheits- und Befundbericht nicht schriftlich, sondern z.B. ausschließlich teelfonisch erfolgt, kann allenfalls die geringer bewertete Ä60 (Konsilium zweier Ärzte) für den teilnehmenden Arzt/Zahnarzt infrage kommen, der sich mit dem Patienten zuvor oder im zeitlichen Zusammenhang befasst hat.

 

Nichts hat die Ä75 mit Auskunftsbegehren privater Krankenversicherer und Kostenerstatter im Rahmen der Feststellung der Leistungspflicht z.B. nach Vorlage eines Therapie- und Kostenplanes zu tun.

Unstrittig ist: Für Auskünfte oder die Übersendung von abgelichteten Krankenunterlagen, Fotokopien der Röntgenaufnahmen, Duplikate der Modelle etc. kann der Zahnarzt gegenüber dem Patienten eine Vergütung verlangen.

Zahlreiche Kostenerstatter und Krankenversicherer sind der Ansicht, diese Tätigkeit müsse nach GOÄ-Nr. 75 vergütet werden. Diese Einschätzung ist jedoch nicht zutreffend, denn es handelt sich weder um eine berufliche Leistung des Zahnarztes gem. § 1 Abs. 1 GOZ noch um eine zahnmedizinisch notwendige Leistung gem. § 1 Abs. 2 GOZ. Bei einem Auskunftsersuchen handelt es sich wiederum auch nicht um ein Attest oder ein Gutachten – die Auskünfte dienen vielmehr der Beurteilung der Leistungspflicht des Versicherers.
Infolgedessen erfolgt die Vergütung nach den Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), den §§ 612 Abs. 1 i.V.m. 670 BGB. Die Höhe der Vergütung setzt sich daher aus den Kosten zusammen, die dem Zahnarzt beispielsweise durch Anfertigung von Kopien entstanden sind, sowie aus dem Zeitaufwand für die jeweilige Auskunftserteilung.

Zahlreiche Landeszahnärztekammern haben sich zu dieser Thematik gleichsinnig geäußert (ALEX 75 GOÄ, 5.1.1-5.1.3.)

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER