In einem Kurs zur Thematik „Fälligkeit der Rechnung im Sinne des § 10 Abs. 1, 2 GOZ“ gab es bei den Ausführungen zu Sitzungen, zu deren Abgrenzung bzw. zu Sitzungen überschreitenden Zusammenhängen ungewöhnlich viele engagierte Wortmeldungen, insbesondere zur Chronologie der Behandlungssitzungen im Rechnungsausweis. Es herrschte Erstaunen darüber, dass Wiedergabe der Sitzungschronologie auf der Rechnung gemäß § 10 GOZ nicht - ausdrücklich - gefordert wird.
Es ergab sich in der Diskussion Einigkeit darüber, dass Darstellung der Sitzungschronologie auf der Rechnung von der Vernunft gefordert und wohl dem Willen des Verordnungsgebers entsprechen würde.
Man war sich völlig einig, dass Verständlichkeit und Transparenz der Rechnung bei dis-chronologischer Darstellung der Sitzungsabfolge erheblich behindert wird.
Das Erstaunen war umso größer, da gerade § 10 GOZ mit vielfältigen Transparenzbestimmungen zur Förderung der Verständlichkeit durchwirkt ist:
- § 10 (2) 2. GOZ: „Angabe einer verständlichen Bezeichnung des behandelten Zahnes“
- L. Zuschläge: „4. Zuschläge sind auf der Rechnung unmittelbar im Anschluss an die zugeordnete zahnärztlich-chirurgische Leistung anzuführen.“
- § 10 (2) 6.:“Die Auslagen sind dem Zahlungspflichtigen auf Verlangen näher zu erläutern“.
- § 10 (3) 1. GOZ: „… verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen“.
- § 10 (4) GOZ (Analogie): „ … ist die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar zu beschreiben“.
Dagegen war schnell klar, dass Wiedergabe der Chronologie von Einzelleistungen innerhalb der betreffenden Sitzungen durch deren Parallelität im Behandlungsverlauf fast unmöglich ist.
Natürlich könnte eine derartige Schrittlisten-Ordnung in Zukunft bei der Aufstellung von schwierigen Heil- und Kostenplänen sehr dienlich sein.
Die in der Vergangenheit – aber nur selten – praktizierte Rechnungslegung, unterteilt nach Behandlungsarten wie z.B. konservierende Versorgung, dann Parodontitisbehandlung und zuletzt prothetische Behandlung o. Ä. war wohl aus Rücksicht auf bestimmte PKV-Verträge mit unterschiedlichen Erstattungssätzen und/oder „Leistungsverweigerungen“ verwendet worden?
Warum diskontinuierlicher Wiedergabe von Behandlungssitzungen auf der Rechnung?
Das Problem diskontinuierlicher Wiedergabe von Behandlungssitzungen auf der Rechnung entsteht meist durch Nachträge zur Behandlungsdokumentation bei vergessenen Sitzungen bzw. Leistungen, die als solche dokumentenecht, auf Dauer erkennbar und unveränderbar in den Behandlungsaufzeichnungen, sowohl unkorrigiert als auch korrigiert ausgewiesen werden müssen:
Die Rechnung selber ist im engeren Sinne keine Behandlungsdokumentation. Jedoch besteht Behandlungsdokumentation auch nicht lediglich in einer Aufzählung von Gebührenziffern oder Kürzeln.
Es scheint noch weitere Gründe zu geben, weswegen Sitzungsdaten - auch mehrfach in einer Rechnung - durcheinander geraten?
Dazu taucht das Phänomen in letzter Zeit doch zu häufig auf. Oder sollte der Grund dafür sein, dass PKV und Beihilfe die Sitzungsanzahl und -terminierungen verstärkt prüfen? Beschlusslage?
Wegen der Beschlusslage zur Corona-Hygienepauschale?
„Zur Abgeltung des aufgrund der COVID-19-Pandemie erhöhten Aufwands für Schutzkleidung etc. kann der Zahnarzt die Geb.-Nr. 3010 GOZ analog zum Einfachsatz (6,19 Euro) je Sitzung wie zuvor zum Ansatz bringen. Dieser Beschluss Nr. 39 des GOZ-Beratungsforums (BZÄK, PKV, Beihilfe) gilt vom 01.04. - 30.06.2021.“
Zwei Behandlungssitzungen an einem Tag?
Es gibt keine zwei Behandlungssitzungen innerhalb einer - derselben - Inanspruchnahme des Zahnarztes, also der Praxis, der Mitarbeiter und der Einrichtung. Werden zwei Praxen am selben Ort nacheinander in Anspruch genommen, gibt es möglicherweise zwei unterschiedliche Behandlungssitzungen. Aber wird die erste Praxis z. B. am Vormittag und ein zweites Mal aus speziellen Erkrankungsgründen am Nachmittag in Anspruch genommen, dann gibt es u.U. zwei Sitzungen an einem Tag.
Rechnung und Behandlungsdokumentation weisen dann zutreffend zwei Sitzungen mit demselben Tagesdatum auf. Zur Unterscheidung auf der Rechnung werden dann die Uhrzeiten angegeben, die am Ende der Erstsitzung und die zu Beginn der zweiten Sitzung. Zur Darlegung der Erfordernis einer zweiten Sitzung am selben Tag geben dann die Behandlungsdokumentation bzw. -notizen Auskunft, ggf. sprechen die berechneten Leistungen inhaltlich in jeder der beiden Sitzungen für sich selber. Beispiel: Erste Sitzung am Vormittag und die zweite ablauftechnisch spät am Nachmittag: (Diagnose) „unterfütterungsbedürftige, mittig frakturierte OK-Totalprothese mit vorweg nötiger, direkter Fügungsreparatur und Umarbeitung zum Funktionslöffel (5250 zzgl. Mat.-Lab., 5180 GOZ), OK-Funktionsabformung und Bissregistrat - und in zweiter Sitzung 5290 GOZ (vollständige Funktionsrandgestaltung und Unterfütterung).
Probleme mit Sitzungsdaten treten gar nicht so selten auf
Anlass dazu bieten mehrere Arten von Fehlern (siehe DZW16./17. KW):
Im Ergebnis ist dann die Reihenfolge der Sitzungen auf der Rechnung vertauscht:
Die Einzelleistungen innerhalb einer Folge von Sitzung ergeben entweder nur auf den ersten Blick oder bleibend keine Ablauflogik: Sie sind auf jeden Fall verwirrend - Es gibt dazu auch die Variante, dass Teile einer Sitzung mit demselben Datum an anderer Stelle – meist gegen Ende der Rechnung, im Ergebnis aber ohne inhaltliche Doppelberechnung - auftauchen. Das bedeutet, dass diese Datumsangaben der Erbringung der jeweiligen Leistungen auf der Rechnung zutreffend ausgewiesen werden:
Chronologie der Sitzungen und gemeinsames Auftreten aller Leistungen unter nur dem einen gemeinsamen Sitzungsdatum wird in § 10 der GOZ nicht explizit gefordert.
Grund für derartige Rechnungsverläufe sind meist Nachträge vergessener Leistungen. Die Erfordernis stets transparenter Behandlungsdokumentation mit automatischer Speicherung aller nachträglichen Änderungen steht aber einem zutreffend korrigierten Rechnungsausweis ohne öffentliche Darstellung der Änderungsnotizen nicht im Wege.
Wesentlich ist, dass die gespeicherte Dokumentationskorrektur im Ergebnis deckungsgleich mit dem verordnungskonformen finalen Rechnungsausweis ist.
Neues Phänomen mit möglicher Brisanz
Zunächst mit ungläubigem Staunen wurden Rechnungsgestaltungen erkannt, die mit lediglich einer unzutreffenden Datumsangabe die gesamte Rechnung in die „Froststarre“ der Nichtfälligkeit versetzten.
Es schälte sich heraus, dass die erfolgte Angabe eines als irreal angesehenen Rechnungsdatums – ein Datum vor der ersten berechneten Leistung – also vor dem Behandlungsbeginn der Rechnung dennoch mit Bedacht so gestaltet worden war:
Das Rechnungsdatum im Format tt.mm.jjjj im Kopf der Anlage 2 zur GOZ (Rechnungsformular) liegt vor Behandlungsbeginn mit den Rechnungsleistungen, weil vollständige virtuelle Diagnostik, Planung und Durchführung der Behandlung erfolgt ist: Hoher Aufwand mit niedriger, ungesicherter Vergütung.
Das „Phänomen“ tritt bisher auf bei
- „digitaler Implantologie“, bei
- korrektiver Behandlung der Bisslage bzw. der primären Okklusion auf Basis multipler „virtueller Repositionsonlays/-veneers“ und besonders bei
- „virtueller KFO-Alignerbehandlung“.
Hier z.B. erfolgt ggf. die Argumentation, dass die gesamte orthodontische Behandlung virtuell am Computer vorweggenommen wird und später nur bei Irregularität im Ablauf der körperlichen Behandlung „manuell“ eingegriffen werden müsse, entbehrt nicht einer gewissen Logik, ist aber nur teilweise zutreffend:
Es ist bestimmt kein Zufall, wenn die Zunahme von allerlei Formen der „Vorwegliquidation“ in Form von Pauschalen zeitlich korreliert mit ablehnender Rechtsprechung: Die verneint immer deutlicher Forderungen nach pauschaliertem Abschlaginkasso unabhängig vom Behandlungsverlauf und tatsächlich verwendeten Behandlungsmitteln:
OLG Hamm (27.12.2018, Az. 4 U 145/16)
Der Beklagte (Zahnarzt) wird verurteilt zu unterlassen Verbrauchern anzubieten:
Ich nehme das Angebot … an und überweise einen einmaligen Vorschuss in Höhe von ... Euro.
Oder:
Ich nehme das Angebot … an und verpflichte mich, … monatlich einen Betrag in Höhe von ... Euro zu entrichten. Mir ist bekannt, dass die vorstehenden Beträge Vorschüsse darstellen, …
Spannend dürften die Antworten auf die unbedingt nötigen Fragestellung werden, ab wann welche virtuelle Leistung liquidationsfähig ist. Eine PKV-Antwort „erst nach Umsetzung in analoge Zahnmedizin“ ist nachvollziehbar, aber deutlich zu kurz gegriffen.
Zwischenrechnungen
Zu den „Behandlungssitzungen“ noch eine einfache Fragestellung:
Wie weit muss eine Behandlung fortgeschritten sein, bis eine erste oder folgende Teilrechnung - natürlich nur über dokumentiert tatsächlich erfolgte Leistungen – vorgelegt werden kann?
Ein Rechnungsdatum, manchmal auch mitten in der Behandlung eines Krankheitsfalles (also ohne Abschluss bzw. vollständige Umsetzung der Planung) zieht Aufmerksamkeit auf sich. Ein solcher Rechnungsrhythmus sollte abgesprochen werden. Möglich ist diese Art der unterteilten Rechnungslegung für alle Leistungen, die vollständig erbracht wurden. Noch unbekannte Korrekturerfordernisse hindern die Fälligstellung nicht.
Taggleiche Rechnungslegung?
Im Extremfall ist tägliche Rechnungslegung im Anschluss an jede Sitzung mit einer vollständig erbrachten Leistung möglich.
ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER