Die ersten zehn Ränge der Gesamtbeanstandungen durch Kostenerstatter im Jahr 2021 stellen 82%
der Jahresmenge dar.
Zu den ersten sechs Streitthemen (Einzelbesprechung in der DZW 03-11 sind erfolgt) gibt es möglichst patientenverständliche Info-Kurztexte mit Erklärungen dieser Streitpunkte und einer Beurteilung der Streitinhalte. (Infoblätter auf www.alex-za.de im „Eingangsbereich“ und z.B. bei GOZ-Nr. 0030 - 4.0.3).
Tabelle 1: Ränge 1-10 der Gesamtbeanstandungen von Rechnungen durch Erstatter
Spitzenreiter ist wieder die Analogberechnung. Sie erfolgt in ca. 40% aller diesbezüglich monierten Fälle mit der wenig fassbaren Angabe, die Berechnung sei falsch bzw. zu hoch, am häufigsten aber ohne Nennung irgendeines konkreten Grundes.
Die im Jahr 2020 meistbeanstandeten einzelnen Analogleistungen wurden in den genannten DZW-Beiträgen beleuchtet und Problem bezogen zugeordnet.
Ein Beispiel für eine Analogleistung mit sehr hohem Streitpotential:
„Präendodontische Entfernung der vorhandenen Wurzelkanalfüllung“.
Ablehnungsgrund: Diese Leistung sei in Nr. 2410 (Kanalaufbereitung) enthalten.
Das ist unrichtig: Die gewählte Analogleistung ist eine selbständige, angemessen bewertete und notwendige Leistung zum Zahnerhalt.
Die hier im Komplex „Aufbauten/ Aufbaufüllungen“ aufgeführten und abgelehnten Analogberechnungen gehören ebenfalls zu den am häufigsten abgelehnten Leistungen, die dennoch zahnmedizinisch notwendig und - so wie erfolgt - zu berechnen sind.
Tabelle Nr. 2, © Die ZA 2021, Behauptungen der Kostenerstatter
Probleme mit den Nrn. 2050 und 2060 GOZ vor Weiterbehandlung am selben Zahn
Es gibt in der GOZ keine Bestimmung über die Mindestverbleibdauer von Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien oder mit Kompositmaterialien. Bei Verwendung hochwertiger Kompositmaterialien in Schmelz-/Dentinadhäsivtechnik mit potentieller Verbleibdauer über Monate, wird die Berechnung insbesondere der GOZ-Nr. 2060 bestritten, falls in relativ kurzem Zeitabstand eine konservierende Weiterversorgung erfolgt.
Anstoß wird z. B. genommen, wenn gelegte Restaurationen nach den Nrn. (2050) 2060 und/oder 2080 nach einigen Tagen wieder entfernt oder trepaniert werden zur Weiterbehandlung, z.B. im Zuge einer Wurzelkanalbehandlung. Die Darstellung der Erstatter, es habe sich in derartiger Konstellation in Wirklichkeit um Leistungen nach Nr. 2020 (temporärer speicheldichter „Verschluss einer Kavität“) gehandelt, scheint selbsterklärend logisch.
Aber ist das so?
Eine Trepanation der zuvor erfolgten Restauration, durchaus als definitiv, nicht temporär geplant, kann bei einer unvorhergesehen Behandlungskomplikation notwendig werden, z.B. bei apikalem Schmerz, bei Pulpitis usw., auch bei Fraktur oder anderweitigen Interventionserfordernissen. Diese Fallgestaltungen erkennt ein fachkundiger Sachbearbeiter aus den weiteren Rechnungsdaten im zeitlichen Zusammenhang.
Der Zahnarzt schuldet nicht den Behandlungserfolg, sondern bestes Bemühen um diesen.
Erinnert werden muss in solchen Fällen daran, dass der Zahnarzt nicht den Behandlungserfolg schuldet, sondern bestes Bemühen um den Erfolg.
Wenn der Behandler plausibel anführen kann, dass im besonderen Fall nicht nur eine speicheldichte, sondern auch eine bakteriendichte, dauerhaft kanten- und randstabile Füllung erforderlich gewesen sei, dann ist das eine zahnmedizinische-fachliche ad-hoc-Entscheidung, die im Einzelfall durchaus logisch ist im Hinblick auf eine fachgerechte Weiterbehandlung.
Exspektative Behandlung
Von Endodontologen wird manchmal als Begründung für das Legen eines interimistischen oder sogar semipermanenten Verschlusses angeführt, dass somit exspektative Behandlung bis zur Entscheidung über die prothetische Verwertbarkeit des Zahnes auf Dauer erfolgen kann. Dann geht es u.U. um Monate Beobachtungsdauer. Diese Konstellation ist nicht ganz selten, wird aber von der Gebührenordnung (GOZ) nicht gesehen?
Die analoge Situation zur Nr. 7080 GOZ (festsitzendes Provisorium, Tragezeit über drei Monate) ist bei der semipermanenten exspektativen Restauration unübersehbar.
Zu kleinspanige Interpretation? – Auch angesichts der Misere um Nr. 2180 GOZ (Zahnaufbauten)?
Probleme mit Nr. 2180 GOZ (Aufbau/Aufbaufüllung)
Die Leistungsbeschreibung der Nr. 2180 GOZ umfasst jedwede Vorbereitung eines zerstörten Zahnes zur Aufnahme einer Krone mithilfe von plastischem Aufbaumaterial. Dabei wird vorausgesetzt, dass ein "zerstörter" Zahn (in Wirklichkeit dessen substanzgeschädigte, defekte klinische Krone) dennoch wiederherstellungsfähig ist, jedoch nur mit Hilfe einer Überkronung.
Aber auch der nicht zerstörte Zahn, der mit einer prothetischen Krone versorgt werden muss, bedarf ggf. der Vorbereitung mit plastischem, aushärtendem Aufbaumaterial.
Vorbereitung bedeutet Wiederherstellung des Zahnstumpfes bzw. Kronenstumpfes in der zur Überkronung benötigten Form und Stabilität. Vorbereitung mit plastischem Aufbaumaterial umfasst eine Spannbreite der Leistung von einer einflächigen Aufbaufüllung im Zahn bis zur Restauration fast des gesamten klinischen Zahn-/Kronenstumpfes (ca. ein- bis zehnfacher Leistungsumfang in einem dagegen extrem begrenzten Gebührenrahmen vom Ein-bis zum 3,5-Fachen):
Fazit: Eine vorherige Vereinbarung der Gebührenhöhe nach § 2 Abs. 1, 2 GOZ „aus Gründen der Vorsicht“ ist jedenfalls geboten.
Vorbereitung (formuliert als Resultat) bedeutet nicht, dass der Zahn-/Kronenstumpf alleine mit plastischem Aufbaumaterial vollständig aufgebaut oder überhaupt aufbaubar wäre; ggf. müssen weitere Vorbereitungsmaßnahmen hinzukommen, z.B. Schrauben- und/oder Stiftverankerung des plastischen, jedoch aushärtenden Aufbaumaterials oder eine adhäsive Befestigung des Aufbaumaterials und ggf. des/der Stifte(s).
(„Zahn- oder Kronenstumpf“ ist der zur Überkronung präparierte/beschliffene Zahn und/oder Zahnaufbau.)
Die Leistung nach Nr. 2180 GOZ umfasst keine definitive, z.B. exspektative Restauration eines Zahnes im Vorfeld einer Überkronung; jede Aufbaufüllung in der Versorgungsphase mit einer Krone - mit Beginn der Präparation und vor der Kroneneingliederung - ist eine Leistung nach Nr. 2180 GOZ.
So sehen es zunehmend die Gerichte.
Mit Urteilen wie dem folgenden werden Praxen in den betriebswirtschaftlichen „Schwitzkasten“ genommen:
Keine Analogberechnung des dentinadhäsiv befestigten, mehrfach geschichteten Kompositaufbau eines Zahns
Urteilsbegründung:
Das Verwaltungsgericht Stuttgart (16.07.2019, Az. 10 K 3203/16) hat sein ablehnendes Urteil begründet mit folgender Argumentation:
Die Leistung des dentinadhäsiv befestigten, mehrfach geschichteten Kompositaufbau eines Zahns unterfällt nach dem Willen des Verordnungsgebers vielmehr der Gebührennummer 2180 GOZ 'Vorbereitung eines zerstörten Zahnes zur Aufnahme einer Krone mit plastischem Aufbaumaterial' zuzüglich der Gebührennummer 2197 GOZ für die 'Adhäsive Befestigung'.
In Bezug auf die allgemein bekannte gebührenmäßige Unterbewertung der Geb.-Nr. 2180 GOZ unterstellt das Gericht eine bewusste Entscheidung des Verordnungsgebers, ohne hierfür Belege oder eine Begründung anzuführen.
Diese verwaltungsgerichtliche Entscheidung steht im Übrigen im Widerspruch zu den bekannten zivilgerichtlichen Urteilen, die eine analoge Berechnung in gleichgelagerten Fallgestaltungen bestätigt haben:
- LG Stuttgart (02.03.2018, Az. 22 O 171/16)
- AG Weinheim (10.01.2019, Az. 1 C 140/17)
- AG Schöneberg (05.05.2015, Az. 18 C 65/14)
- AG Charlottenburg (08.05.2014, Az. 205 C 13/12)
Das oben angeführte Urteil des LG Stuttgart ist höherinstanzlich als das Verwaltungsgericht. Zivilgerichte wie das Landgericht Stuttgart legen vorrangig die Gebührenordnung aus, Verwaltungsgerichte die Erstattungsbestimmungen.
ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER