DZW-Artikel – Professionelle Prothesendekontamination als Ergänzung eines PAR-Konzepts

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Inhalt

„Professionelle Prothesenreinigung“ (präziser „Dekontamination") ist z. B. eine logische Anschlussleistung an eine systematische Reinigung aller Mundschleimhäute, meist mit Chlorhexidinpräparaten. Die Prothesenreinigung ist „professionell“, weil sie von Angehörigen der zahnmedizinischen Professionen durchgeführt wird. Sie ist unverzichtbar, weil nach sorgfältiger zahnmedizinischer Dekontamination des Mundraums von ggf. pathogenen intraoralen Bakterien - ohne gleichzeitige, wirksame Dekontamination vorhandener Prothesen (Schienen, Hilfsmitteln etc.) -, von diesen rasche Keimwiederbesiedlung im gesamten Mundraum erfolgt. Ältere Prothesenkunststoffe sind ggf. durchseucht mit Bakterien und Pilzen; ein „Sauerstoff-Sprudeltablettenbad“ oder Zahnbürstenbearbeitung reicht da in keiner Weise. Gefragt ist systematische Weich- und insbesondere Hartbelagentfernung, bakterizid tiefenreinigendes Ultraschallbad, Glättung der Nischenräumen, sorgfältige Vollpolitur und ggf. Versiegelung der Kunststoffbasis (-sättel), ggf. eine antimykotische Kunststoffbehandlung (analog 5270a GOZ, Teilunterfütterung). Es ist in derartigen Fällen sogar an vollständige Rebasierung oder auch Neuanfertigung zu denken.

 

Candidabesiedlung von Prothesen
„Sowohl bei Teil- als auch bei Vollprothesenträgern ist eine Prothesenstomatitis keine Seltenheit. Das Vorkommen liegt im Schnitt wohl bei ca. 40 Prozent, bei älteren Patienten mit eingeschränktem Pflegevermögen liegt es noch deutlich höher.
Eine mikrobiologische Untersuchung zeigt dann häufig einen starken Befall durch unterschiedliche Candida-Arten. Die Ausräumung des Sprosspilzes kann sich als sehr schwierig erweisen. Dessen Pseudohy­phen können nämlich poröse Kunststoffe von Prothesen durchsetzen und sind alleine durch konventionelle Reinigung nicht zu eliminieren: Bei lediglich intraoraler me­chanischer Dekontamination verbleiben Sprosspilze im Kunststoff, besiedeln beim Tragen des Ersatzes umgehend wieder die Nachbarstrukturen und induzieren einen Reinfekt. Bei rezidivierender Candidiasis muss in solchen Fälle die Prothese erneuert werden.

 

Ermöglichung der Prothesenpflege
Eine recht spezielle Prohylaxe stellt bei älteren, u.U. manuell nicht mehr so geschickten Prothesenträgern die Verbesserung der Prothesengängigkeit, also des komplikationslosen Ein- und Ausgliederns der Verankerung(en) und deren Lösbarkeit dar, welche die Akzeptanz und Durchführung effektiver und regelmäßiger Mundhygienemaßnahmen sehr fördern.

Dazu bedarf es besonderer Beratungen, Übungen und ggf. Grifftechniken. Nicht selten ist auch Ausstattung des Zahnersatzes mit gut zu ertastenden, „griffigen“ Vorrichtungen im Zentrum der Prothese vestibulär links und rechts erforderlich, z.B. - befestigt vestibulär unterhalb des Zahnhalsbereiches der beiden Prämolaren -, als fingernagelbreite, in Fingernagelstärke abstehende kleine Drahtbügel nach 5250 GOZ - in der Form ähnlich einer „halben Büroklammer“ etc.

 

Erweiterung, Unterfütterung oder Rebasierung von Prothesen?
Wenn z.B. Candida-Pilzsprossen bereits den Kunststoff einer Prothese durchsetzen, dann sind sie durch konventionelle Prothesenreinigung dort nicht mehr sicher entfernbar. Dann muss in besonderen Fällen sogar die Prothese erneuert werden. 

So lautete sinngemäß das Fazit von Fachveröffentlichungen. Angesprochen sind die Kunststoffanteile von Prothesen, weniger Verblendkunststoffe, in der Regel metallische Werkstoffe gar nicht. Vollständige Erneuerung zur Beseitigung einer ständigen Reinfektionsquelle ist nur dann erforderlich, wenn die Prothese im Wesentlichen lediglich aus Kunststoff besteht. Ansonsten gibt es ggf. selektiven Austausch von Prothesenteilen als Erneuerungsleistung oder z.B. in Form der gezielten Ausweitung einer Prothesenunterfütterung.

Überlegungen zur Abwägung der zu ergreifenden Maßnahmen müssen die sichere Pilz- und bakterielle Dekontamination in den Vordergrund stellen. Sie können u. A. aber nicht die Kostensituation unberücksichtigt lassen. Hinzu kommt ein Problem, dass mit zunehmendem Alter der Patienten immer gewichtiger wird, nämlich deren verringerte Bandbreite physischen und psychischen Anpassungsvermögens:
Veränderungen am Zahnersatz, die 10 Jahre früher problemlos toleriert wurden, überschreiten nun die Fähigkeit zur Eingewöhnung. Sie stoßen auf Ablehnung und bringen weitere Probleme mit sich, die u. U. übersteigert wahrgenommen werden, z.T. wenig Bezug zur tatsächlich erfolgten Veränderung aufweisen.

Dann ist die Indikationsstellung für vollständige Prothesenerneuerung kritischer zu sehen, sollte möglicherweise ganz vermieden werden und durch Unterfütterung, bevorzugt durch völlige Rebasierung ersetzt werden. Prothesenrebasierung erfordert meistens deutlich weniger Adaptationsleistung als Prothesenerneuerung.

 

Was ist „Rebasierung“?
Rebasierung ist weitgehend Form bzw. Gestalt wahrender Austausch von Prothesenbasisteilen. Es gibt bei Teilprothesen seit Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte - GOZ`12 - diesbezüglich zwei grundsätzlich unterschiedliche Prothesenteile. Das sind einmal die Prothesenbasen aus Kunststoff oder ähnlichem, formbarem Material, plastisch-aushärtend oder gefräst neu erstellt. Es gibt bekanntermaßen auch metallische Prothesenbasen. Die werden nach Nr. 5210 GOZ berechnet, z.B. als „Modellgussgerüste“, die nichtmetallischen Prothesenbasen werden nach Nr. 5200 GOZ berechnet. 

Zum zweiten gibt es seit der GOZ-Novelle - nun offiziell anerkannt - „Prothesenspannen“ (5070 GOZ)  in Form von Schalt- oder Freiendsätteln, die an Prothesenbasen befestigt sind.

Prothesensättel sind in der Regel aus Kunststoff. Es macht Sinn, ggf. nur diese zu ersetzen, wenn die Prothesenbasis aus Metall in Ordnung ist. Dann ist „Rebasierung“ in Form des völligen Spannenaustauschs eine Leistung nach Nr. 5070 GOZ (1- bis max. 8x Mal) ohne neue Basis nach 5210 GOZ). Hinzu kommen ggf. „Remontageabformungen“ nach 5170 GOZ (Übertragungsabformung des Metallgerüstes) und ggf. bei Ausstattung des Prothesensattels mit einer neuen Patrize die Nr. 5090 GOZ (Funktionswiederherstellung eines Verbindungselements). – Siehe Beispiel zum Gerüstaustausch im Online-Abrechnungslexikon ALEX (www.alex-za.de) unter Nr. 5210 – 8.1.)
Der Austausch einer Kunststoffbasis einer Teilprothese wird erneut nach 5200 GOZ berechnet und hat sinnvoll den oben erwähnten Austausch von Prothesespannen, berechnet nach 5070 GOZ, im Gefolge.

 

Rebasierung analog?
Die Bundeszahnärztekammer kommentiert die Rebasierung bei den Nrn. 5280, 5290 (Vollunterfütterungen mit Funktionsrand):
Die Rebasierung ist in der GOZ nicht beschrieben und wird daher analog berechnet."
Diese Kommentierung der BZÄK bestätigt, dass Rebasierung und vollständige Unterfütterung mit funktioneller Randgestaltung unterschiedliche Sachverhalte sind. Rebasierung geht über vollständige Unterfütterung mit Funktionsrand hinaus und ist nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ aufgeführt.

Das stimmt, wenn man dort nach dem Wortlaut sucht. Sichtet man das Gebührenverzeichnis sinngemäß nach (neuer) „Versorgung eines Kiefers durch eine Teilprothese bzw. Vollprothese“, wird man bei den zutreffenden Nrn. 5200-5230 GOZ für eine Rebasierung fündig. - Bei den Teilprothesen-Nrn. 5200 und 5210 GOZ - jetzt dem Sinn nach „Kunststoffbasis“ oder „Metallbasis“ -, letztere inhaltlich nicht mehr eine „Modellgussprothese“ umfassend, sondern ein „Modellgussbasisteil/gerüst“, handelt es sich zwangsläufig um neue Prothesenbasen.

Rebasierung im Sinne von Totalaustausch der gesamten Teil- oder Vollprothesenbasis geht eindeutig über eine bloße Unterfütterungsleistung hinaus: Tatsächliche Rebasierung ist gleich Eingliederung einer neuen Prothesenbasis nach 5200-5230 GOZ: Für diese ist Analogberechnung nicht zutreffend, da sie im Gebührenverzeichnis der GOZ`12 enthalten ist.
Der Vollständigkeit halber muss dargelegt werden, dass bei Rebasierung von Vollprothesen, auch von Deckprothesen (Coverdenture) die Rebasierung zwar totalen Basisaustausch darstellt, zur 5220, 5230 logischerweise jedoch keine 5070 GOZ „Schaltsattel/Prothesenspanne“ etc. hinzutreten kann (ausdehnungsüberlappende Doppelberechnung).

Eine Coverdenture ähnliche Konstruktion mit Prothesenspannen bliebe eine Teilprothese und würde diese abrechnungstechnisch mit den GOZ-Nrn. 5200 bzw. 5210 plus 1- bis 8x 5070 GOZ darstellen.

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER