DZW-Artikel – Phantomdiskussionen zur „adhäsiven Befestigung“ und „Hautlappenplastik“

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Inhalt

In der DZW5/2021 wurde die Tabelle der fünfundzwanzig im Jahr 2020 meistbeanstandeten Sachverhalte und Einzelstreitpunkte veröffentlicht.Adhäsive Befestigung („Verbundkleben“) nach Nr. 2197 liegt auf Rang 4.

Tabelle 1: 4. Adhäsive Befestigung (Behauptungen zu 2197 GOZ)

Mit diesen vier Kategorien der Ablehnung (Tab. 1) verweigern viele PKV`en, Beihilfen und die Postbeamten-Krankenkasse (PBeaKk) die Erstattung der zutreffend berechneten

Leistung „adhäsive Befestigung“Negativurteil AG Düsseldorf (nicht rechtskräftig)

Zur Nebeneinanderberechnung der Nrn. 2060 ff. (Kompositrestaurationen) und 2197 GOZ (adhäsive Befestigung) urteilte unlängst das AG Düsseldorf (23.10.2020, Az. 231 C 232/15) schon fast zwanghaft ablehnend.

Die zahnmedizinischen Fakten sehen so aus: Gänzlich ohne eine zahnärztlich durchgeführte Leistung „adhäsive Befestigung“ (2197 GOZ) können sehr wohl fachgerechte „Kompositrestaurationen in Adhäsivtechnik“ erbracht werden.

Eine spezielle Methode der Adhäsivtechnik arbeitet z.B. bei dem unlängst in DZW Nr. 46/2020, S. 28 ausführlich vorgestellten „Surefil one“ (Firma: Dentsply Sirona) mit einem selbstadhäsiven Komposithybrid ohne gesondertes Konditionieren, auch ohne Primen und Bonden, also ohne aktiven Auftrag eines separaten Adhäsivs (ohne 2197 GOZ). 

Es arbeitet mit direkter chemischer Bindung an die Zahnsubstanz und mit dreidimensionaler Polymerisation unter Ausbildung hydrolysestabiler Amidbrücken.

Es handelt sich um eine signifikante Fortentwicklung selbstkonditionierender und zugleich selbstadhäsiver Füllungsmaterialien, die schon über 15 Jahre mit CE-Prüfzeichen zugelassen sind.

Weitere Zitate aus der Urteilsbegründung

„In Adhäsivtechnik“ ist eine zusammenfassende Überschrift für wissenschaftlich beschriebene fünf  unterschiedliche Methoden der  konkreten „Anwendung der Adhäsivtechnik“. Das maßgebliche Gerichtsgutachten für das vorliegende Urteil ging stillschweigend und ohne durchgängige Prüfung von einer erfolgten Anwendung der volladhäsiven Prime & Bond Methode bei allen streitgegenständlichen Restaurationen aus, hat dies allerdings nicht anhand der Behandlungsunterlagen vollständig überprüft.
Bei der „Prime & Bond“ Methode wird der Behandler selber „adhäsiv befestigend“ tätig im Sinne des § 4 (2) Satz 1 GOZ mit einer „eigenen Leistung“, welche Gebühren nach Nr. 2197 GOZ auslöst.

4. Infoblatt zur Berechnung der zahnärztlichen Leistung "adhäsive Befestigung"

5. Wann und wie ist die einfache oder schwierige Hautlappenplastik berechenbar?

Da ist vorweg die grundsätzliche Fragestellung zu klären, ob es sich tatsächlich um Haut (Cutis) oder Schleimhaut (Mukosa) handelt. Da hilft auch keine Vernebelung dergestalt, dass beide ja irgendwie „Häute“ und gleichermaßen ektodermalen Ursprungs seien und Haut sozusagen quasi der Oberbegriff sei etc. Haut ist nicht Schleimhaut!  

Die allgemeinen Bestimmungen der GOZ Teil D (chirurgische Leistungen) besagen, dass die primäre (unmittelbar folgende) Wundversorgung, z.B. das Glätten des Knochens, die Wundreinigung,

Bestandteil der Leistungen im Teil „D. Chirurgie“ sind und nicht gesondert berechnet werden können.

GOZ hat Vorrang

Zur Beantwortung der Frage nach der Berechnungsfähigkeit einer „Hautlappenplastik“ ist zusätzlich der § 6 (2) GOZ heranzuziehen. Der sagt: „Die Vergütungen sind nach der Gebührenordnung für Ärzte zu berechnen, soweit die Leistung nicht als selbständige Leistung oder Teil einer anderen Leistung im Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte enthalten ist …. .“ Das heißt klipp und klar: Die GOZ hat auf jeden Fall Vorrang, wenn die erbrachte Leistung in der GOZ aufgeführt ist. Selbst dann hat die GOZ Vorrang, wenn die erbrachte Leistung lediglich Teil einer umfassenderen GOZ-Leistung wäre. Damit ist die Diskussion um Haut- oder Schleimhautplastik beendet: Handelt es sich um einen intraorale Wundverschlussplastik, ist die Nr. 3100 GOZ zutreffend, nicht die Ä2381 oder Ä2382.

Handelt es sich um eine intraorale Verschiebeplastik (Vestibulumverbreiterung, Mundbodenverlegung, Gingivaextension u. Ä.), dann ist Nr. 3240 GOZ zutreffend, jedoch nur, wenn der Operationsbereich (Bereich der Lappenbildung) maximal zwei Zahnbreiten misst.

Ab drei Zahnbreiten ist ein derartiger Eingriff nicht in der GOZ beschrieben und muss dann zutreffend gemäß § 6 (2) GOZ nach der GOÄ berechnet werden. Da kommt als intraorale Plastik (Vestibulumverbreiterung, Mundbodenverlegung, große Tuberplastik) die Ziffer Ä2675 zum Ansatz, die im Übrigen besser bewertet ist als die intraoral für Schleimhautplastiken unzutreffenden Ziffern Ä2381 und Ä2382.

Keine oder einfache oder schwierige Hautlappenplastik

Wird also im Rahmen einer Wundversorgung eine plastische Deckung mit zusätzlicher Lappenbildung durchgeführt, stellt dies keine „schwierige Hautlappenplastik“ dar und kann nicht zusätzlich nach Ziffer Ä2381oder Ä2382 berechnet werden.

Es stehen für Verschiebeplastiken, (z.B Mukoperiostlappen, Schwenklappen, Stiel- und Trapezlappen), modifizierte Hautlappenplastiken (z.B. Access flap, Envelope-Technik u. A.) sowie Papillenerhaltungslappen die bereits erwähnten Gebührennummern 3100, 3240 und auch 4120 GOZ (zahnbreite Verschiebeplastik nach apikal/ koronal) zur Verfügung.

Werden also Schleimhautteile verschoben, gedreht, geschwenkt oder die Ränder gegeneinander versetzt, ist weder die Ziffer Ä2381 noch die GOÄ 2382 dafür berechnungsfähig.

Neben der GOZ 9100 (Aufbau des Alveolarfortsatzes durch Augmentation) ist „zum Wundverschluss mit vollständiger Schleimhautabdeckung“ keine der genannten Plastiken ansetzbar, auch die Ziffer Ä2382 nicht berechenbar, da in der Leistungsbeschreibung der Nr. 9100 GOZ eindeutig festgelegt ist, dass der Wundverschluss mit vollständiger Schleimhautabdeckung, ggf. einschließlich Einbringung und Fixieren resorbierbarer oder nicht resorbierbarer Barrieren abgegolten ist.

Einzige Ausnahme wäre ggf. die seltene echte Spalthauttransplantation als Defektdeckungsmaßnahme (Ä2382), mit Entnahme andernorts oder bezogen als Medizinprodukt, dass zur Berechnungsfähigkeit allerdings nicht als mit Nr. 9100 ebenfalls abgegoltene „Barriere“ (Membran) angewendet werden darf. 

 

Analogleistungen Ä2381, Ä2382ß

Für eine spezielle „Papillenbildungsplastik“ (keine Papillenerhaltungsplastik s.o.) nach Implantatfreilegung (Nr. 9040) kommt je „Parodont“ die Entsprechungsleistung Ä2381a (Analogie) zum Zuge, die vom GOZ-Expertengremium konsentiert und in „Der Praxiskommentar GOZ`12“ der ZA eG (Esser P.) auf S.  667 - Kommentar-Vollversion des ZFV auf S. 955 - veröffentlicht wurde.

Ebendort ist der sog. „Split-Flap“ mit Einrollen zur submukösen Bindegewebsverlagerung (keine echte Bindegewebstransplantation) entsprechend „schwierige Hautlappenplastik“ mit Ä2382a aufgelistet.

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER