zB in Form einer „Full-Mouth-Desinfection“ (FMD) – insbesondere bei älteren Patienten
Im DZW 11.- 12. KW 2022 wurde über Präventionsbehandlung bei älteren Patienten berichtet. Die Wortwahl „Präventionsbehandlung“ erscheint unpräzise, ist dennoch bewusst erfolgt: Natürlich soll Prävention das Auftreten einer Erkrankung verhindern; Bei Erfolg bedarf es dann keiner Behandlung.
Allerdings setzt der Begriff Prävention (Prophylaxe) keinen Weg voraus, dass keine Vorschädigung vorliegt bzw. vorgelegen hatte. „Präventionsbehandlung“ stellt auch keine Vorbeugung gegen Erkrankungen mit potenziellem Eintreten in ferner Zukunft dar (Karies, Parodontitis), sondern Eingreifen bei konkreten Vorzeichen einer beginnenden Erkrankung (Dekalzifizierung „White Spot“/ Gingivitis o. Ä.).
PAR-Prophylaxe oder -behandlung?
Reine Prophylaxe als Vorsichtsmaßnahme und Präventionsbehandlung als erforderliche Frühbehandlung bei vorliegenden Erstsymptomen stellen ggf. den Unterschied zwischen ggf. nicht versicherter Vorbeugung und versicherter konkreter „Schadenbehandlung“ dar.
Der PKV-Verband hat mit Datum 08. Februar 2022 eine Stellungnahme zur aktuellen „Klassifikation, Leitlinie und Richtlinie und Behandlung der Parodontitis“ herausgebracht. Über dieses höchst verwunderliche Papier wurde in der DZW 11.-12.KW berichtet und es wurde bzgl. Seine Schlussfolgerungen rundweg abgelehnt!
Die völlig unzulängliche GOZ-Novellierung von 2012 – vor 10 Jahren - beinhaltete schon damals nicht alle ggf. Zusätzlich nötig sind heute berechnungsfähige Privatleistungen. Das ist unlogisch, unsinnig und muss energisch zurückgewiesen werden, auch wenn diese Aktion der PKV unter der Überschrift propagiert wird:
„Abbildung aller leitliniengerechten PAR-Maßnahmen in der GOZ ist gegeben: Sämtliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen sind in der geltenden GOZ12 originär abgebildet.“ Auch für Analogberechnung solcher Privatleistungen ist kein Raum.“
Was soll diese Faktenklitterung sein? Dem GKV-Patienten mit Zusatzversicherung sollen künftig wohl keine PAR-Privatleistungen erstattet werden?
Ein Beispiel für eine PAR-Privatleistung stellt die FMD-Behandlung dar: Diese „F ull- M outh- D isinfection “ ist Präventionsbehandlung.
Es handelt sich bei der „Full-Mouth-Disinfection“ (FMD) um ein Konzept zur möglichst weitgehenden Senkung oral-pathologischer Keime (Keimzahlsenkung) zwecks Herstellung möglichst optimaler Heilungsvoraussetzungen im parodontal-therapeutischen Konzept der „ein-/zweizeitigen“ Full-Mouth- Therapie (FMTh - zB bei Vorliegen eines fortgeschrittenen Schädigungsgrads).
FMD hat zum Inhalt systematische Plaquekontrolle mit CHX, Desinfektion des gesamten Mundraums, Ultraschall und handinstrumentelles Skaling/ Rootplaning, Gingiva-Kompression, u. a. U. sogar lokaler Antibiotikaeinsatz.
Aber es kann sich bei FMD auch um präventiv behandelndes Reduzierungs- bzw. Ausräumungskonzept multiresistenter Keime (MRS) handeln, das bei untermauertem Verdacht auf Vorliegen - insbesondere bei Angehörigen von Risikogruppen wie stationär Behandelten - vor parodontal-chirurgischem Eingreifen indiziert sein kann.
Die Kernleistung „Full-Mouth-Disinfection“ ist eine selbständige Leistung zzgl. einer Abfolge von fakultativ indizierten Leistungsschritten (Einzelleistungen), also eine einheitliche „Analogleistung“ (z.B. 5180a) mit ggf. flankierenden Nebenleistungen. (Siehe dazu auch die „Analogtabelle“ im zahnmedizinischen Online-Abrechnungslexikon ALEX – www.alex-za.de)
Umfassende Taschen- und Schleimhäutesäuberung sowie Säuberung des Zungenrückens sind Standard-/ Kernleistungen einer FMD; weitere Leistungen kommen bei einer FMD fakultativ hinzu als selbstständige Begleit- oder Nebenleistungen, z.B. „Professionelle Zahnreinigung – PZR“ (1040 GOZ) oder „Professionelle Prothesenreinigung“ (z.B. 5260a).
FMD-Übersicht
„Full-mouth-disinfection“ (FMD) ist mehr als intraorale Desinfektion:
- FMD ist systematische intraorale Weichteile-Desinfektion/ Bakterienausräumung
- arbeitet mit Spül-, Sprüh-, Wisch- und Schabetechniken,
- stellt aktive zahnärztliche (berufliche) Behandlungstätigkeit dar (§ 1 Abs. 1 GOZ),
- ist eine selbständige, fakultativ indizierte, also immer „anlassbezogene“ Leistung,
- ist keine Vergütung für ein „Umspülen des Patienten“ (das ist keine berufliche Leistung des Zahnarztes),
- ist spezielle prä-interventionelle/ prächirurgische Spülleistung (dagegen ist lokale Vorbereitung eines OP-Gebietes abgegolten),
- erschöpft sich also nicht im CHX-Betupfen des OP-Gebietes und/oder im Umspülen/Gurgeln durch den Patient,
- muss unterschieden werden von der sog. „Full-Mouth-Therapie“ – FMTh (ein- bzw. zweizeitige systematische Parodontalbehandlung), mit begleitender Desinfektion, also ggf. mit integrierter FMD,
- ist die Bezeichnung für das originale Verfahrensprotokoll n. Quirynen/Saxer (bei Vollbezahnung ca. 30-45 Min. im Schnitt)
Spezielle Kommentierung des GOZ-Expertengremiums
Full-Mouth-Therapie (FM-Th) ist ein Behandlungskonzept, stellt aber selber noch keine Behandlung dar, sondern wird mit konkreten Leistungsinhalten der Parodontaltherapie in abgestimmter Reihenfolge erbracht bzw. erfüllt.
„Full-Mouth-Disinfection“ (FMD) als originales Verfahrensprotokoll ist von Quirynen (Leuwen) und Saxer (Zürich) veröffentlicht worden; zahlreiche Varianten mit lediglich der Bezeichnung „FMD“ entsprechen inhaltlich nicht dem Originalprotokoll, sind also z.T. fehlbezeichnet.
Eine „Kurz-FMD“ - im Kern als „intraorale Umspülleistung“ oder lediglich „Betupfen des OP-Gebietes“ - kann nicht mit derselben Leistungsbezeichnung wie das umfangreiche und Zeit beanspruchende Originalprotokoll (ca. 20-30 Minuten) bedacht werden; das wäre u. A. für Laien nicht verständlich i.S.d. § 10 Abs. 4 GOZ.
Die Wirksamkeit des FMD-Verfahrens wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. So konnte von M. Quirynen et al. Nachgewiesen werden, dass die Taschentiefe – abhängig vom Ausgangsbefund – innerhalb von wenigen Monaten um 3–5 mm zurückgeht. Ähnliche Untersuchungen wurden u.a. von den Professoren Renggli (Nijmegen) und Saxer (Zürich) publiziert.
Wissenschaftliche Gesellschaften propagieren die FMD; Auch die Kommission für Fachfragen (KfF) der Zahnärztekammer Nordrhein befürwortete das Verfahren ausdrücklich.
Die „Vollmunddesinfektion“ ist eine Leistung, die tatsächlich in der Gebührenordnung für Zahnärzte nicht enthalten ist und auch analog, auch gemäß § 6 Abs. 1 der GOZ zu berechnen ist.
Dies bestätigte die Bundeszahnärztekammer, die in ihrem GOZ-Kommentar mitteilt: „Zusätzliche Reinigung der Zunge und der Wangenschleimhaut im Sinne einer Full-Mouth-Desinfektion kann nach GOZ § 6 Abs. 1 berechnet werden.“ Ausdrücklich wurde deshalb die Maßnahme auch im „Katalog unabhängiger zahnärztlicher Ärzte, gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnender Leistungen erwähnt.
Das GOZ-Referat der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern stellt im Rahmen der GOZ 1040 fest:
„Die Reinigung anderer oraler Strukturen (z. B. Zungenrücken, Wangenschleimhaut etc. im Rahmen der Vollmund-Desinfektion) kann analog § 6 Abs. 1 berechnet werden.“
Bestätigt wurden die Vergütungsansprüche des Zahnarztes für die Full-Mouth-Desinfektion zB vom OLG Köln mit Beschluss vom 16.08.2010 (Az. 5 U 25/10).
Zur Begründung wurde der bestellte Sachverständige insbesondere ausgeführt, dass zu einer FMD umfangreiche und vielfältige Einzelmaßnahmen zum Zwecke der Reinigung und Desinfektion der Zähne, des Zahnfleisches, der Zunge und des gesamten sonstigen Mund- und Rachenraumes gehören.
Fazit: „Full-Mouth-Desinfection“ umfasst als Standard-/Kernleistung die systematische Desinfektion aller intraoralen Schleimhäute durch den Zahnarzt mittels Spül-, Wisch-, Bürst- und Schabetechniken.
Hinzukommend zur „ FMD “ gibt es fakultative selbständige Nebenleistungen, wie zB „Professionelle Prothesenreinigung“ etc. Aber zB die „Professionelle Zahnreinigung“ - PZR (1040) oder eine andere supragingivale Zahnreinigung (4050-4060 GOZ) stellt eine schnelle obligatorische, dennoch selbständige Begleitleistung dar Eine „Full-Mouth-Disinfection“ - FMD stellt jedoch den größten Teil in einer vorangehenden Sitzung dar.
Wissenschaftliche Literatur:
„Full-Mouth-Disinfection“ (FMD) nach Quirynen (Leeuwen), Saxer (Zürich) - Literatur:
Quirynen M, Teugehels W, van Steenberghe D. Impact of antiseptics on one-stage, full-mouth desinfection, J Clin Periodontol. 2006; 33: 49-52
Saxer CM, Quirynen M, Saxer UP. Therapiekonzept „Vollmunddesinfektion“. Parodontologie. 18: 331-347, 2007
ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER