Die 5 meistbeanstandeten Analogberechnungen des Jahres 2019

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DZW-Artikel von Dr. Esser aus KW 10

1. „Dentinadhäsiv geschichteter Kompositaufbau vor Kronenversorgung“

Die beiden meistbenutzten Beanstandungen bei Analogberechnung im Jahr 2019 waren:

a) Ablehnung jeglicher Analogberechnung ohne Versuch irgendeiner Rechtfertigung

b) Austausch der Analogziffern durch den Erstatter – zu hoch, nicht vergleichbar etc.

Über 40 % der beanstandeten Analogberechnungen waren einer dieser zwei Kategorien zuzuordnen. Das Thema „Dentinadhäsiv geschichteter Kompositaufbau vor Kronenversorgung“ als Analogberechnung betraf nur 5,4 % der Beanstandungsfälle.

Zutreffend 2180 plus 2197 GOZ?

Die gängige Behauptung der Erstatter gegen die analoge Berechnungsweise argumentiert, dass dem Grunde nach Analogberechnung nicht zutreffend sein kann, weil die Leistung in der GOZ beschrieben sei. Das ist vordergründig wohl zutreffend. Die Kombination der Nummern 2180 „Vorbereitung eines zerstörten Zahnes mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone“ und 2197 „adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau etc.)“ stellt berechnungstechnisch die Gesamtleistung „adhäsiv befestigter Kompositaufbau für eine Kronenversorgung“ dar.

Gegenrede der ZÄK Berlin und der Bundeszahnärztekammer: Die Nummern 2180 plus 2197 GOZ stellen die erweiterte Leistung „dentinadhäsiv geschichteter Kompositaufbau für eine Kronenversorgung“ nicht dar. Der „dentinadhäsiv geschichtete Kompositaufbau für eine Kronenversorgung“ sei eine nicht in dem Gebührenverzeichnis der GOZ beschriebene Leistung und müsse daher gemäß § 6 Abs. 1 GOZ „analog“ berechnet werden.

Behauptungen sind nicht automatisch zutreffende Gründe. Sie müssen näher betrachtet werden, wenn möglich zahnmedizinisch fachlich gewichtet. Zu einer Beurteilung sind die Gerichte berufen.

Argumente:

a) Die erfolgte Leistung wird mit den Gebühren 2180 plus 2197 GOZ nicht abgebildet:

  1. Ein Grund dafür sei, dass das bei Nr. 2180 GOZ aufgeführte „plastische Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone“ (Material von 1988) nicht dem fortentwickelten Material entspreche, welchesfür einen „dentinadhäsiv mehrfach geschichteten Kompositaufbau für eine Kronenversorgung“ verwendet werde.
  2. Die tatsächlich nötige „adhäsive Befestigung“ (seit 2012) entspreche nicht der in der GOZ aufgeführten adhäsiven Befestigung für plastischen Aufbau, Stift, Inlay, …

b) Die tatsächlich erfolgte Leistung (Material und Methode) sei im gesamten Gebührenverzeichnis nicht enthalten und müsse gemäß § 6 Abs. 1 GOZ berechnet werden.

c) Die tatsächlich erfolgte Leistung „dentinadhäsiv mehrfach geschichteter Kompositaufbau für eine Kronenversorgung“ entspreche nach Art, Kosten- und Zeitaufwand am besten den Versorgungen nach den Nummern 2190, 2100, 2120, 2150–2170 oder 2220 GOZ.

Wichtig: Aufbaufüllung im Zahn/Zahnstumpf ist kein Aufbau des Kronenstumpfs!

  • Die Füllung ist ein Kavitätenverschluss.
  • Der Aufbau stellt Anfügen fehlender Zahnteile zur (Wieder-)Herstellung eines Kronenstumpfes dar (kavitätenunabhängige Komplettierung durch Formergänzung).

Diese beiden Leistungen unterscheiden sich extrem bezüglich benötigtem durchschnittlichen Zeitaufwand (bis 400 %). Es gibt fließende Übergänge zwischen beiden vorbereitenden Maßnahmen.

Das wird aber weder in der Gebührenordnung, noch in vielen Stellungnahmen und Kommentierungen berücksichtigt. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat sich in einem Positionspapier (www.bzaek.de) geäußert (Auszug):

Die Kompensation von Zahnhartsubstanzdefekten vor der Überkronung eines Zahnes

„Bei bestimmten klinischen Ausgangsbefunden ist der Ersatz von Zahnhartsubstanz in der Sitzung, in der der Zahn zur Aufnahme einer Krone präpariert wird, gemäß aktuell gültigem zahnärztlichem Standard indiziert. Gestattet die Form der noch vorhandenen Zahnhartsubstanz keine mechanische Verankerung des Aufbaumaterials und/oder würde die großvolumige, einzeitige Applikation von Aufbaumaterial bedingt durch Polymerisationsschrumpfung zu nicht vertretbaren Randspalten führen, dann wird ein mehrschichtiger Aufbau mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik einschließlich Lichthärtung erforderlich.

Diese Leistung entspricht fachlich nicht dem Leistungsinhalt der Gebührennummer 2180 GOZ, auch nicht bei zusätzlicher Berechnung der Gebührennummer 2197 GOZ, ebenso ist eine Berechnung nach diesen Gebührennummern, auch unter Heranziehung eines erhöhten Steigerungssatzes, nicht angezeigt.

Die von der BZÄK genannten Gründe für Analogberechnung einer (möglicherweise) nicht in der GOZ beschriebenen Leistung „mehrschichtiger Aufbau mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik“ sind:

  • keine ausreichende mechanische Verankerung des Aufbaumaterials erreichbar
  • großvolumige, einzeitige Applikation von Aufbaumaterial führt zu Polymerisationsschrumpfung/Randspaltenbildung

Der ersten Problematik begegnet der Zahnarzt durch fachgerechte Verwendung von speziellem Aufbau-Adhäsivkomposit und mittels „adhäsiver Befestigung“ (2197 GOZ) sowie ggf. mit einer hinzukommenden adhäsiven Stiftverankerung (2195 GOZ).
Die zweite Problematik ist speziell für „Kronenstumpf-Aufbauten“ nicht unbedingt eingängig. Diese werden in der Regel nicht Schicht für Schicht aufgebaut und somit auch nicht einzeln je Schicht lichtgehärtet. Aufbaukomposit kann meist in größerer Schichtstärke („bulk-material“) ein- und aufgebracht und ausgehärtet werden. Polymerisationsschrumpfung findet bei Rundumaufbauten bevorzugt in Richtung Zahnstumpf , also hin zu den adhäsiv befestigten Flächen eines Stumpfaufbaus, statt, was den Schrumpfungsstress an den Kontaktflächen von Dentin und Komposit deutlich mindert. Randspaltenbildung an Zahnaufbauten stellt wohl ein relativ seltenes Problem dar, denn in der Literatur wird dazu, im Gegensatz zu Randspaltenbildung bei definitiven Kavitätenfüllungen, wenig berichtet.

Die Bundeszahnärztekammer beklagt allerdings in ihrem Positionspapier zutreffend die deutlich zu niedrige Vergütung eines „dentinadhäsiv geschichteten Kompositaufbaus für eine Kronenversorgung“:

„Selbst bei Berechnung der Geb.-Nrn. 2180 und 2197 GOZ zum jeweils 3,5-fachen Steigerungssatz … wird jedoch die Vergütung einer einflächigen Kompositrestauration nach der Geb.-Nr. 2060 GOZ zum 2,3-fachen Steigerungssatz in Adhäsivtechnik nicht erreicht, obwohl Schwierigkeit und Zeitaufwand der Geb.-Nr. 2060 GOZ … deutlich hinter den Anforderungen bei einem mehrschichtigen Aufbau mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik einschließlich Lichthärtung zurückbleiben. Auch unter Anwendung eines erhöhten Steigerungssatzes ist also eine angemessene Vergütung nicht darstellbar.“

Das ist ohne Zweifel richtig (Differenz 13,05 €), aber eine Vereinbarung der Gebührenhöhe jenseits des 3,5-fachen Satzes würde das Problem in besonderen Fällen verordnungskonform lösen können. Allerdings hinkt der Vergleich einer einflächigen Kompositrestauration mit einem weitgehenden, also stets drei-/mehrflächigen Kronenstumpfaufbau gewaltig.

Die Bundeszahnärztekammer führt dazu ein Urteil des Bundesgerichtshofes an:
Der BGH hatte bereits am 13.05.2004 (Az. III ZR 344/03) entschieden, dass, wenn durch medizinische Weiterentwicklung eine angemessene Vergütung nicht mehr gewährleistet ist, die Aufgabe des Steigerungssatzes nicht darin besteht, einen diesbezüglichen Ausgleich zu schaffen bzw. dem Arzt nicht angesonnen werden kann, eine abweichende Vereinbarung über die Vergütungshöhe zu treffen, sondern eine analoge Bewertung vorzunehmen ist.

Das ist ein zunächst eingängiges Argument, jedoch hat die „medizinische Weiterentwicklung“ bezüglich der Nr. 2180 GOZ unlängst bei der Novellierung zum 1.1.2012 durch die hinzugekommene Nr. 2197 GOZ „adhäsive Befestigung“ eine gewisse Anerkennung erfahren.

Analogberechnung gemäß Stellungnahme der ZÄK Berlin

„Die Leistung ‚mehrfach geschichtete Aufbaufüllungen oder Stumpfaufbau aus plastischem Material mit adhäsiver Befestigung‘ wird durch die Kombination der Geb.-Nr. 2180 mit der Geb.-Nr. 2197 GOZ für adhäsives Befestigen nicht vollständig abgebildet, da die Anwendung der Mehrschichttechnik und die Verwendung der höherwertigen Kompositmaterialien unberücksichtigt bleibt.“

Dazu ist zu sagen:
Nicht eingängig ist, Analogberechnung der Aufbaufüllung auf „höherwertige (?) Kompositmaterialien“ angesichts der umfassenden Neutralbezeichnung „plastisches Aufbaumaterial“ in der Leistungsbeschreibung der Nr. 2180 abzustützen. Darunter fällt jedes zunächst plastische – später aushärtende – Material, auch Komposit-Kunststoff.

Die zusätzliche „Mehrschichttechnik“ bei dentinadhäsiven Kompositaufbauten als Hauptargument heranzuziehen, ist u. a. angesichts der ausdrücklichen Abgeltungshinweise in den „amtlichen Begründungen von BuReg/BMG zur GOZ-Novelle“ (Mehrschichttechnik abgegolten bei den Komposit-Nrn. 2060 ff.) nicht wirklich überzeugend (minderes Leistungskriterium).

Vertretbare Analogberechnung im Jahr 2020

Es verbleibt beim fachlichen Wägen der Argumente die Feststellung, dass die tatsächlich geforderte Leistungsausprägung so untervergütet ist, dass eine Anpassung durch Analogberechnung unumgänglich erscheint.

 

© Dr. Peter H. G. Esser