Anfragen der PKV: Zufall oder konzertierte Aktion?

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Auskunftsersuchen von privaten Zusatzversicherungen - Teil 1:

Binnen zwei Tagen gab es fünf Übersendungen von Unterlagen: Thema war in allen Fällen ungewöhnlich umfangreiches Auskunftsverlangen privater Krankenversicherungen bei Vorlage eines Heil- und Kostenplans bzw. einer Behandlungsrechnung.

Dazu sagte einer der Betroffenen:

„Da immer mehr Kassenpatienten eine Zusatzversicherung für den Bereich Zahnarzt abgeschlossen haben, häufen sich Auskunftsersuchen der Versicherungen und Ärger bei der Abwicklung.

Ursache hierfür scheint insbesondere die Praxis der Versicherungen zu sein, Verträge ohne „Gesundheitsprüfung“ und ohne zeitliche Staffelung der Erstattung abzuschließen, um dann aber im Leistungsfall umfangreiche Auskünfte anzufordern.

Sachbearbeiter der PKV1: Anforderung von zahnmedizinischen Unterlagen und HKP-Auskünften

Sehr geehrter Herr Dr. .., die PKV1 benötigt zur Prüfung des Leistungsanspruches zahnmedizinische Unterlagen und Auskünfte:

  • Röntgenaufnahmen in auswertbarer Form mit Aufnahmedatum und
  • falls vorhanden, möglichst digitale Fotodokumentationen. 
  • Einzelzahnaufnahmen (wenn vorhanden): Bitte geben Sie die betreffende Region und das Datum der Erstellung an.
  • Einen Auszug aus der Patientenkarteikarte für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.09.2020.
    Bitte einschließlich der Beratungsinhalte.

Ferner bitte ich Sie, die folgenden Auskünfte zu erteilen:

1. Den Befund des gesamten Gebisses vor dem 31.09.2010.

Bitte tragen Sie auch die Befunde wie zum Beispiel "w, c, f, z, x" ein:

Oberkiefer: 18 17 16 15 14 13 12 11 21 22  usw. ….. Unterkiefer: …..
Der eingetragene Befund wurde am ….. erhoben.

2. Den aktuellen Befund des gesamten Gebisses vor Beginn der Behandlung.
Bitte tragen Sie auch die Befunde wie zum Beispiel "w,c, f, z, x" ein. Oberkiefer: … usw.

3. Seit wann ist Herr … Ihr Patient? (Datum)

Hat in der Zeit vom 01.01.2016 bis 31.09.2020 eine zahnärztliche Untersuchung und/oder Behandlung stattgefunden? Wenn ja, benötigt die PKV1 die Behandlungsdaten mit den jeweils erhobenen Befunden und den durchgeführten Maßnahmen mit konkreter Zahnangabe,

  •   die in dieser Zeit gefertigten Röntgenaufnahmen in auswertbarer Form sowie 
  •   Screenshots der relevanten Schnitte der Computertomographie/Digitalen Volumentomographie mit dem Aufnahmedatum.

4. Wurden die fehlenden Zähne in Ihrer Praxis entfernt? Wenn ja, wann? Wie waren die Lücken bisher versorgt?

5. Wurde Herr … von einem anderen Zahnarzt an Sie überwiesen? Wenn ja, teilen Sie der PKV1 bitte den Namen und die Anschrift mit.

6. Sind noch weitere, bisher nicht aufgeführte Maßnahmen notwendig oder geplant? Wenn ja, welche? Sie können dazu der PKV1 auch gern einen Heil- und Kostenplan vorlegen.

 

Auszug aus der Antwort des Zahnarztes an die PKV1

Sie haben über unseren Patienten … eine Bitte zur Auskunftserteilung an uns herangetragen.

1. Die nach Abschluss einer zahnärztlichen Behandlung erstellte Rechnung enthält alle notwendigen Angaben zur Regulierung der Kostenerstattung mit Krankenkassen, Beihilfe- und Erstattungsstellen. Insbesondere werden damit die zahnmedizinische Notwendigkeit der erbrachten Leistungen und der Zeitpunkt der Leistungserbringung bescheinigt. Nur in wenigen (von der Versicherung zu begründenden) Ausnahmefällen sind darüber hinaus zusätzliche Angaben/Nachfragen nötig und berechtigt.

2. Der Gesetzgeber hat die Gesundheitsdaten der Patienten unter besonderen Schutz gestellt, um das für die Behandlung notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt zu gewährleisten. Dies ist in Gesetzen (Schweigepflicht StGB § 203), Berufsrechtlichen Bestimmungen, Datenschutzbestimmungen und durch höchstrichterliche Beschlüsse (Bundesverfassungsgericht 1 ByR 2027/02) gesichert. Da die Ihnen vorliegende Rechnung alle relevanten und notwendigen Angaben enthält, ist der Wunsch nach zusätzlichen Auskünften durch die oben genannten Rechtsnormen begrenzt und von der Versicherung dem Grunde und Umfang nach objektiv nachvollziehbar zu begründen. Aber ihre Anfrage enthält keinerlei Angaben zur Klärung der Anfragegründe, noch ist der Umfang der Anfrage objektiv nachvollziehbar.

Vielleicht dient die undurchsichtige Anfrage doch ganz anderen Zielen?

Auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und Regelungen können wir Ihre Auskunftsanfrage nur unter folgenden Voraussetzungen bearbeiten:

  • Vertrauliche Behandlungsunterlagen und Auskünfte werden nur an einen namentlich genannten Beratungszahnarzt der Versicherung gesandt. Sachbearbeiter sind keine approbierten Heilberufler, nicht befugt zur medizinischen Beurteilung ärztlicher Unterlagen und unterliegen zudem nicht der ärztlichen Schweigepflicht.
  • Eine Vergütung unserer Auskunftsleistungen erfolgt nicht nach den geltenden Gebührenordnungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, da es sich nicht um (zahn-)medizinische Leistungen handelt. Die Auskunft des Arztes dient hier angeblich der Feststellung der Leistungspflicht des Versicherers, stellt aber keinen Teil einer Heilbehandlung dar und deshalb erfolgt eine Berechnung nach Aufwand auf Grundlage der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
  • Mit der Bearbeitung der Anfrage kann erst begonnen werden, wenn eine Erklärung zur Kostenübernahme  des Auftraggebers vorliegt.

VERGÜTUNGSVEREINBARUNG ZUM AUSKUNFTSBEGEHREN

Da es sich bei der Antwort auf Ihr Auskunftsersuchen nicht um eine medizinische Heilbehandlung handelt, die also nicht nach den geltenden Gebührenordnungen für Ärzte oder Zahnärzte berechnet werden kann, bitte ich um schriftliche Bestätigung, dass Sie mir für die nachstehend aufgeführten Aufwendungen gemäß §§ 612, 670 BGB den Betrag von 313,00 Euro erstatten.

 

 

 

Die gewünschten Patientenunterlagen werde ich ausschließlich an Ihren namentlich benannten Beratungszahnarzt, nicht an die PKV-Geschäftsstelle übermitteln.

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Die Erstattung der o. a. Kosten durch die PKV1 wird zugesagt: …….
 

Antwort der PKV1: Honorierung von Auskunftsersuchen

Ihre Auffassung, dass die Honorierung eines Auskunftsersuchens nicht nach der Gebührenordnung abgerechnet werden muss, da nur medizinische Heilbehandlung nach der GOZ oder der GOA berechnet werden dürften, hält einer juristischen Prüfung nicht stand.

„Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte und Zahnärzte bestimmen sich nach der GOÄ bzw. GOZ. Deshalb hat selbst die Bundesärztekammer bestätigt, dass auch die Berichterstellung für private Auftraggeber nach der GOÄ abzurechnen ist, denn auch hierbei handelt es sich um eine berufliche Leistung des Arztes im Sinne von § 1 GOÄ. Was hier für den Arzt gilt, ist für den Zahnarzt nicht anders zu bewerten.

(Anmerkung: Es geht hier nicht um einen Behandlungsbericht, sondern um Erstattungsfragen.)

Vermengen von Fehlzitierung mit Fehlverständnis

„Das Amtsgericht Köln hat in seinem Urteil vom 06.03.1997 (AZ 117 C 172/95) ausgeführt:
Der Anwendungsbereich der GOÄ und GOZ umfasst die Vergütung für alle beruflichen Leistungen der Ärzte und Zahnärzte. Damit richtet sich auch die Höhe der Vergütung für die Auskunftserteilung des Zahnarztes an die private Krankenversicherung, womit ein wirksamer Werkvertrag (!) zustande kommt, nach den Vorschriften der GOZ und GOÄ. (Das ist verquer wiedergegeben. Auf der Basis von GOZ/GOÄ kommen allenfalls „Dienstleistungsverträge“, niemals Werkverträge zustande.)

Rechnung an Zahlungspflichtigen

Eine Einschränkung dahingehend, dass nur Leistungen gegenüber Patienten abgerechnet werden dürften, ist den Gebührenordnungen nicht zu entnehmen. Folgerichtig wurde in einem Artikel des Rheinischen Zahnärzteblattes festgestellt: Unstreitig besteht ein Vergütungsanspruch des Zahnarztes für die Erstellung von zahnärztlichen Berichten und Befundmitteilungen (Ä70/Ä75) auf Verlangen des Patienten. Der Anspruch richtet sich grundsätzlich gegen Patienten (nein, an Zahlungspflichtige) auf der Grundlage der GOZ i. V. mit der GOÄ. „Bei einer direkten Anfrage des Versicherers an den Zahnarzt werden hinsichtlich der sodann anfallenden Vergütung des Zahnarztes unterschiedliche rechtliche Auffassungen vertreten, die noch keiner höchstrichterlichen Klärung zugeführt wurden. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, haben Ihre Patienten Ihnen gegenüber einen rechtlichen Auskunftsanspruch, sowie einen Anspruch auf die Herausgabe von Kopien sämtlicher Behandlungsunterlagen.“

Im Namen Ihres Patienten fordern wir Sie noch einmal auf, dem berechtigten Auskunftsanspruch nun nachzukommen.

 

© Dr. Peter H. G. Esser