DZW-Artikel – Einwände, Entwicklungen und Rechtsstreitigkeiten z.B. bei der Wurzelkanalbehandlung

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Einwände, Entwicklungen und Rechtsstreitigkeiten z.B. bei der Wurzelkanalbehandlung

Die Jahresstatistik 2021 der berufsständischen Abrechnungsgesellschaft ZA AG in Düsseldorf zeigt, dass der Anteil von Kostenerstattern beanstandeter Wurzelbehandlungen von 2020 auf 2021 um ca. 1,5% zurückgegangen war. Insbesondere Abrechnung von neuen bzw. Analogleistungen und  Wurzelkanalbehandlung mit neuen Instrumenten und Techniken blieben umstritten.

Wurzelkanalbehandlung

Die strikte Ablehnung seitens einiger Kostenerstatter beim Abweichen vom Jahrzehnte bekannten „üblichen“ Schema der Abrechnung der Wurzelkanalbehandlung scheint etwas abzunehmen.  „Augen öffnende“ sieben Beschlüsse des „GOZ-Beratungsforumsvon BZÄK, PKV und Beihilfe“ haben aufklärend und darüber hinaus in Richtung Gewöhnung gewirkt: Es sind im Wesentlichen die Beschlüsse mit den Nrn.  4, 6 – 11, z.T. bereits aus dem Jahr 2014).  – Besonders viel Zündstoff hatte der Beschluss Nr. 9 zur Analogberechnung derpräendodontischen Entfernung nekrotischen Pulpengewebes“ im Gefolge. Die jahrelange streitige Diskussion im Anschluss an den Beschluss Nr. 9. - mit nunmehr stabilen Änderungen der Kommentierung und Rechtsprechung (VGH BaWü – siehe  unten) endete im Effekt mit der Etablierung nun auch der Analogberechnung für eine präendodontische Entfernung der Altfüllung“ aus dem Wurzelkanal.

4. Beschluss – zu Nr. 2197 „adhäsive Befestigung“ ist neben Nr. 2440 GOZ bei erfolgter „adhäsiver Wurzelkanalfüllung“ (2440 GOZ) einmal ansatzfähig.

6. Analogberechnung für den „Verschluss apikaler Foramina mit MTA“ (Mineral Trioxid Aggregate) ist möglich

7. Analogberechnung für „intrakanalären Verschluss einer parodontalen Perforationist zutreffend: Beschluss des Beratungsforums von BZÄK, PKV und Beihilfe zum "Verschluss intra-parodontaler Wurzelperforation"
"Der Verschluss innerhalb des Parodontiums gelegener Perforationen des Wurzelkanalsystems stellt eine selbständige Leistung dar und wird gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog berechnet.
Aus grundsätzlichen Erwägungen empfiehlt die BZÄK keine konkrete Analoggebühr.

8. Analogberechnung für „Entfernung intrakanalär frakturierter Wurzelkanalinstrumente
Die Entfernung frakturierter Wurzelkanalinstrumente aus dem Wurzelkanalsystem stellt eine selbständige Leistung dar und wird gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog berechnet. Aus grundsätzlichen Erwägungen empfiehlt die BZÄK keine konkrete Analoggebühr. Der PKV-Verband hält als Analoggebühr die GOZ-Nr. 2300 (Entfernung eines Wurzelstiftes) für angemessen.

9. Analogberechnung für „Entfernung nekrotischen Pulpengewebes vor Kanalaufbereitung
"Die Entfernung nekrotischen Pulpengewebes vor der Aufbereitung des Wurzelkanals stellt eine selbständige Leistung dar und wird gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog berechnet - (siehe weitere Analogie- entwicklung bei Punkt 9. oben: „PräendodontischeEntfernung der alten Wurzelkanalfüllung“.
Aus grundsätzlichen Erwägungen empfiehlt die BZÄK keine konkrete Analoggebühr. Der PKV-Verband hält als Analoggebühr die GOZ-Nr. 2360 (Vitalexstirpation) für angemessen."

10. Keine Analogie für „Aufsuchen der Wurzelkanaleingänge" und/oder "Überwinden von Hindernissen“
"Das erschwerte Aufsuchen verengter Wurzelkanaleingänge und das Überwinden natürlicher Hindernisse bei der Aufbereitung des Wurzelkanals (Dentikel, Obliterationen, Verengungen, Krümmungen etc.) sowie natürlicher oder iatrogener Stufen stellen keine selbständigen, analog zu berechnenden Leistungen dar, sondern sind mit der Grundleistung unter Berücksichtigung von §  5 Abs. 2 der GOZ zu berechnen."

11. Materialberechnung "MTA" (z.B. ProRoot/ OptiCaps) neben 2440 GOZ „Wurzelkanalfüllung“ ist gemäß BGH-Urteil zur Materialkostenberechnung möglich.

Beschluss des Beratungsforums von BZÄK, PKV und Beihilfe zur Materialberechnung von Oraqix neben Nr. 0080 "Oberflächenanästhesie" und MTA neben Nr. 2440 "Wurzelkanalfüllung":"Mit den Gebühren der GOZ sind grundsätzlich gemäß § 4 Absatz 3 alle Auslagen abgegolten, soweit im Gebührenverzeichnis nichts anderes bestimmt ist. Darüber hinaus sind - bezugnehmend auf das BGH-Urteil vom 27. Mai 2004 (Az.: III ZR 264/03) - folgende Materialien zusätzlich berechnungsfähig:

  • Oraqix® im Zusammenhang mit der Berechnung der Gebührennummer 0080 GOZ
  • ProRoot MTA® im Zusammenhang mit der Berechnung der Geb.-Nr. 2440
  • Harvard MTA OptiCaps® im Zusammenhang mit der Berechnung der Geb.-Nr. 2440"

Auch einige Urteile in Gerichtsverfahren mit der Thematik „strittige Berechnungsweise“ oder zur Erstattung von neueren Leistungsausprägungen weisen in zahnmedizinisch zutreffende Richtung.

Urteile zur Kanalaufbereitung, speziell zur Analogleistung „Entfernung vorhandene Altfüllung“ 

AG Heidenheim a.d.B. (13.07.2018, Az. 5 C 1225/17) - Entfernung vorhandenen Wurzelfüllmaterials aus dem Wurzelkanal ist vor dessen Neuaufbereitung (Revisionsbehandlung) erforderlich

AG Siegburg (28.10.2016, Az. 102 C 118/15) - vollständige Entfernung vorhandener Wurzelfüllmaterialien ist vor Kanalrevision notwendig

AG Düsseldorf (01.07.2016, Az. 25 C 2953/14) - Analogleistung "Entfernung einer vorhandenen Wurzelfüllung" ist zutreffend

AG Bad Homburg (19.04.2016, Az. 2 C 2200/14) - „Entfernung der Altfüllung und präendodontische Revision der Wurzelfüllung“ als Analogberechnung ist gerechtfertigt

VGH BaWü (07.09.2021, Az. 2 S 1307/21) "Präendodontische“ Entfernung der Altfüllung aus dem Wurzelkanal" ist eine Analogleistung gem. VGH, mind. in Höhe der Nr. 2410a

VGH Baden-Württemberg Urteil vom (7.9.2021, 2 S 1307/21)
Dieses aktuelle Urteil wurde von der Postbeamtenkrankenkasse erstritten. Es brachte in einem Teilaspekt, nämlich der „Analogberechnung für Revisionsbehandlung eines abgefüllten Wurzelkanals, Bestätigung des umstrittenen zahnmedizinisch-fachlichen Standpunktes.

Dieses Urtei des VGH BaWül kam zu zwei weiteren Streitaspekten zu Urteilen gegen den vorgetragenen zahnmedizinisch-fachlichen Standpunkt, einmal zur Verneinung der Indikation für den Einsatz einer „Dentalen Volumentomographie – DVT“ trotz Zutreffen zweier Beispielindikationen der „S2-Leitlinien und zusätzlich gegen „abgegoltene“ Analogberechnung einer „intrakanalären Diagnostik“neben Ansatz des GOZ-Zuschlages 0110 für den Einsatz eines OP- Mikroskopes

1. und 2. Leitsatz des VGH BaWü

1. Leitsatz: Die intrakanaläre Dignostik im Zusammenhang mit einer Wurzelkanalbehandlung ist keine selbständige, nach § 6 Abs. 1 GOZ abrechenbare Leistung. Sie ist mit dem Zuschlag für die Nutzung eines Operationsmikroskops bei der Wurzelkanalaufbereitung nach GOZ-Nummer 0110 abgegolten.

2. Leitsatz: Die Entfernung alten Wurzelfüllmaterials im Rahmen einer Wurzelkanalrevision ist eine selbständige, nach § 6 Abs. 1 GOZ als Analogleistung abrechenbare Leistung. Sie ist nicht mit der GOZ-Nummer 2410 (Aufbereitung eines Wurzelkanals) abgegolten.

Die Einwände gegen Berechnung von Röntgenaufnahmen haben in 2021ein wenig abgenommen; maßgeblich sind dafür etwas weniger Einwände gegen DVT-Indikationsstellung und gegen höhere Steigerungssätze bei den Zahn-/ Kieferaufnahmen  (Ä5000-Ä5004). Da lehnen insbesondere Beihilfe und Post fast reflexartig Begründungen mit ihrem Hinweis auf  „unzulässige Anführung“ des digitalen Röntgens ab, obwohl in den Begründungen diese Methode gar nicht oder eben nicht als Steigerungsgrund erwähnt wird, sondern zur verständlichen Erklärung der Rö-Leistungsausprägung

Funktionsanalytische und –therapeutische Leistungen (FAL/FTL)
Die Statistik der ZA AG Düsseldorf für das Jahr 2021 weist aus, dass die Gesamtbeanstandungen zu funktionsanalytischen und -therapeutische Leistungen (FAL-/ FTL) gegenüber dem Jahr 2020 leicht verringert sind. Dieser Leistungskomplex  klettert in der Gesamtschau einen Platz weiter in Richtung „weniger beanstandet“. Speziell die FAL-/FTL-Leistungen selber haben in den beiden Jahren 2020 und 2021 eine fast gleiche Beanstandungsquote.

Das bedeutet, dass hier erkennbar besondere „Freunde der Funktionstherapie“ tätig sind, die bei ihren

Leistungsablehnungen in den Amtsstuben antiquierten Richtlinien blind und bequem folgen.


Das zahnmedizinisch nicht hinnehmbare permanente Verwehren von Beihilfe bei funktionsanalytischen Leistungen mit der schrecklichen Einengung durch Richtlinien – „nur wenn mehr als die Hälfte aller Zähne zerstört sind“ – erfordert konsequente Vorabaufklärung des Berechtigten, dessen Bestehen auf  einem „Voranerkennungsverfahren“ zur Erstattung und andererseits die klare Ansage des Behandlers, dass ggf. die vorgesehene Behandlung ohne FAL/FTL undurchführbar wird.

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER & Tanja Kästner