Amtliche Begründungen zur GOZ

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Staatliches Gebot oder GOZ-„Beipackzettel“?

Die Fragestellung zum GOZmasters der ZA Zahnärztliche Abrechnungsellschaft AG am 10.3.2018 in Düsseldorf lautete: Ist den „amtlichen Begründungen“ (Novellierungsbegründungen) zur GOZ mehr Bedeutung beizumessen als anderen Fachkommentaren?

Vorgetragen wurde die bejahende Ansicht der Zahnärztekammer Nordrhein durch Frau Dr. Ursula Stegemann, Referentin für Gebührenordnungen (GOZ/GOÄ) und Mitglied des Kammervorstandes. Eine deutlich relativierende bis partiell verneinende Position wurde von Herrn Dr. Michael Striebe vorgetragen, u. a. ehemaliger GOZ-Referent des Vorstandes der ZÄK Niedersachsen und auf Bundesebene sowie Mitglied des internen GOZ-Arbeitskreises der ZA.

Zusammenfassung der beiden Pro-/Contra-Vorträge

Die GOZ-Referentin der ZÄK NR sah die sogenannten „amtlichen Begründungen“ zur GOZ als unumgängliche Klarstellung des Verordnungsgebers an, die von Gerichten regelmäßig herangezogen würden.

Dagegen wurden von ihrem Widerpart deutliche Urteile des BGH angeführt mit Aussagen, dass eine Gesetzesauslegung durch subjektive Motive (Begründungen) des Verordnungsgebers ohne Aufführung im Gesetzestext nicht bindend seien. Eine Wortmeldung des Justiziars der ZA, RA J. Mann, sah den Verordnungstext der GOZ und die dort aufgeführten Bestimmungen als bindend, die amtlichen Begründungen als nachrangig, aber nicht unbeachtlich an.

These: Vorrangige Bedeutung

Frau Stegemann führte aus, dass die „amtlichen Begründungen keinen Kommentar zur GOZ darstellen, sondern die klarstellende Ergänzung des Verordnungsgebers zu seinem Verordnungstext“ seien.

Als „amtliche Begründung“ wird allgemein der Begleittext bezeichnet, der bei einem Gesetzesentwurf von der entwerfenden Stelle (z. B. dem Bundesgesundheitsministerium und der Bundesregierung oder dem Bundestag) angefügt wird, um einzelne Passagen des vorgeschlagenen Gesetzes zu erklären und/oder deren spätere Anwendung klarzustellen. Amtliche Begründungen werden von Gerichten regelmäßig zur Auslegung eines Gesetzes herangezogen, da sie Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers enthalten können. Man nennt derartige „amtliche Begründungen“ daher auch authentische Darstellung des Willens des Verordnungsgebers.

Antithese: Nachrangige Bedeutung

Herr Striebe sah das weit lockerer unter Anführung eines BGH-Urteils vom 21.2.1995 mit der Ansage: „Denn die Auslegung […] des Gesetzes […] kann durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden.“ Der Urteilstext unterstreicht das Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 2 GG): Der Gesetzgeber kann seine Gesetze/Verordnungen nicht selber verbindlich auslegen. Dazu sind die Organe der Rechtsprechung (Gerichte) berufen.

Spezifisch wurde hier auch das Urteil des VG Oldenburg (17.6.1992, Az. 1 A 26/92.OS/B) angeführt: „Das Gericht ist bei seiner Entscheidung nicht an die gegenteilige Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung gebunden. Das Ministerium ist nämlich nicht zu einer authentischen Interpretation der hier einschlägigen Bestimmungen der GOZ berufen […].“

Wie sieht der GOZ-Alltag aus? Schauen wir doch mal auf amtliche Begründungen und lassen sie für sich selbst sprechen.

Amtliche Begründungen zu den Leistungen nach den Nummern 0030 und 0040

Die Berechnungsbestimmung in der gültigen GOZ’12 zu den GOZ-Nummern 0030 (Heil- und Kostenplan) und 0040 (KFO und/oder FAL/FTL Heil- und Kostenplan) lautet: „Die Leistungen nach den Nummern 0030 und 0040 sind nicht nebeneinander berechnungsfähig.“ Das bedeutet offenkundig, in derselben Sitzung ist die Berechnung der Nummern 0030 und 0040 GOZ nicht möglich. Berechnungsfähig ist dann in einer Sitzung z. B. die Nr. 0040 und in einer späteren Sitzung, z. B. nach Auswertung der FAL-Befunde, könnte ggf. die Nr. 0030 für eine prothetische Versorgung anfallen.

Eindeutig ist auch, dass die Berechnungsbestimmung die Fallkonstellation von zwei Heil- und Kostenplänen z. B. nach 0030 GOZ in derselben Sitzung nicht erwähnt und nicht ausschließt. Es könnte sich z. B. um zwei verlangte alternative Planungen handeln, zum einen mit konventioneller Prothetik, zum anderen eine Suprakonstruktion auf Implantaten. Soweit die offizielle Berechnungsbestimmung und ihre Kommentierung – siehe z. B. im Online-Abrechnungslexikon ALEX (www.alex-za.de).

Die amtliche Begründung sagt dazu zum Teil etwas völlig Anderes oder Unverständliches – Zitat: „Die neu eingefügte Abrechnungsbestimmung schließt die Abrechnung von Heil- und Kostenplänen nach den Nummern 0030 und 0040 im gleichen Behandlungsfall nebeneinander aus. Für Behandlungsfälle, in denen aufgrund der komplexen Versorgung planerische Leistungen z. B. sowohl bezüglich der geplanten prothetischen als auch der funktionsanalytischen oder kieferorthopädischen Leistungen erforderlich sind, kann der im Einzelfall höhere Aufwand ggf. bei der Bemessung des Honorars innerhalb des Gebührenrahmens berücksichtigt werden.“

Was bedeutet das:

  • Auch in der Folgesitzung kein weiterer Heil- und Kostenplan nach 0030 GOZ nach vorangegangenem gemäß Nr. 0040 im Behandlungsfall.
  • Zwei Pläne in einer Sitzung (2 × 0030 oder 2 × 0040) wären auch gemäß amtlicher Begründung nicht ausgeschlossen.

Was ist grundsätzlich falsch?

In dieser amtlichen Begründung wird von Heil- und Kostenplänen „im gleichen (gemeint ist aber demselben) Behandlungsfall“ gesprochen. Der ist jetzt auch in der GOZ (allgemeine Bestimmung zu Teil A) mit einer Monatsfrist (30 Tage) präzisiert. Der gegenseitige Ausschluss von Heil- und Kostenplänen nach den Nummern 0030 und 0040 innerhalb einer Monatsfrist ist zahnmedizinisch zumindest völlig unverständlich.

Sollte tatsächlich statt „Behandlungsfall“ der „Erkrankungsfall“ gemeint sein, so wäre der Begriff zutreffender, aber es verschärft sich die dadurch verursachte Problematik, denn ein Erkrankungsfall kann mehrere Behandlungsfälle umfassen, also Monate dauern.

Eine Weiterplanung nach einer erfolgreich verwirklichten Erstplanung ist ein unabdingbares zahnmedizinisches Erfordernis und ohne Berechnungsmöglichkeit bis zur Vollsanierung (Ende desselben Krankheitsfalles) wäre das betriebswirtschaftlich nicht hinnehmbar.

Schlussfestellungen und -folgerungen

Eine amtliche Begründung, die denselben mit dem gleichen Behandlungsfall verwechselt, auch den Behandlungsfall mit dem Krankheitsfall (ggf. auch Versorgungsfall) verwechselt, dazu noch im offenkundigen Gegensatz zur offiziellen Berechnungsbestimmung steht, hat den Anspruch verwirkt, wirklich ernst genommen und beachtet zu werden. Die Berechnungsbestimmung ist höherrangig und in diesem Fall primär beachtlich.

Eine so deutliche Schieflage einer „amtlichen Begründung“ wie bei den Nummern 0030 und 0040 GOZ ist aber nicht die Regel. Das bedeutet, jede amtliche Begründung muss zwar nachrangig, aber nicht letztrangig sorgfältig betrachtet und abgewogen werden. Sie kann begründet kommentiert und ausgelegt, sogar verworfen werden. Aber amtliche Begründungen können auch unbequeme Aussagen machen, die klar formuliert sind und dann nicht einfach beiseite gewischt werden können.

Fazit und Nachtrag

Die amtliche Begründung zu einer GOZ-Leistung ist nicht deshalb unbeachtlich, weil sie kein Teil des Textes der Gebührenordnung geworden ist, sondern nur einen Erklärungsversuch des Verordnungsgebers darstellt. Es muss ihr bei konträrer Meinung fundiert und begründet entgegengetreten werden. Aber das ist natürlich grundsätzlich möglich und durchaus legitim, wesentlich leichter als bei Berechnungsbestimmungen in der GOZ selber.

Es gibt noch eine ganze Reihe solcher „verbogener“ amtlicher Begründungen. Eine ist bemerkenswert, soll sie doch den Angaben der Zahnärzte im Novellierungsverfahren entsprechen – Zitat: „Bei der Ausgliederung der nunmehr gesondert berechnungsfähigen Anästhetika ist nach den Angaben der BZÄK davon auszugehen, dass derzeit je Anästhesieleistung nach den Nummern 0090 oder 0100 durchschnittlich 0,7 Karpulen mit Kosten von durchschnittlich rd. 0,5 Euro verwendet werden.“

Anmerkung: Es werden niemals 0,7 Karpulen verwendet, da angebrochene Karpulen entsorgt werden und der volle Preis dafür anfällt. Die Karpule hat einen Inhalt von 1,7 Millilitern. Wenn 0,7 Karpulen 0,50 € kosten sollen, dann würde der Karpulenpreis abgerundet 0,71 € betragen. Dieser Preis wäre jedoch der falsche, nämlich der Nettopreis: Hinzu kommen vom Dentaldepot ggf. zusätzlich berechnete Liefer-/Zustellkosten (z. B. 5 € bis 100 € Warenwert) und die Umsatzsteuer von zzt. 19 %. Dann wären das beispielsweise 0,89 € je Karpule inkl. anteiliger Zustellkosten und Mwst. Das ist ein realistischer Preis für einfache, übliche Anästhetika inkl. Verpackung/Versand plus Mwst.

Aber zum Beispiel für „XY-cain-D“-Zylinderampullen in der Zehnerpackung würden inkl. Versandanteil brutto dann z. B. 0,94 € je Karpule vom Dentaldepot in Rechnung gestellt und vom Zahnarzt ohne jeden unzulässigen „kalkulatorischen Kostenanteil“ weiterberechnet.

Die amtliche Begründung ist in diesem Fall nicht unbeachtlich, muss aber bei der Rechnungserstellung ggf. betriebswirtschaftlich korrigiert werden.

© Dr. Peter H. G. Esser

 

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