DZW-Artikel – Zwei „neutrale“ Sachverständige einer PKV – zeit- und fallgleich - tätig

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Zwei „neutrale“ Sachverständige einer PKV – zeit- und fallgleich - tätig

In der Diskussion stehen mehrere Sachverhalte eines bei einer großen PKV vor Behandlung vorgelegten Heil- und Kostenplanes. Breiten Raum nimmt die Auseinandersetzung zur Anzahl der notwendigen Implantate ein. Die Diskussion hatte sich Monate in die Länge gezogen, so dass mittlerweile die Versorgung erfolgreich abgeschlossen worden war. Ab einem bestimmten Grad der Zuspitzung kann man auch mal etwas deutlicher werden in den Antworten und auch deutlich und abschließend auf höchstrichterliche Urteile - falls bekannt - hinweisen. Ein Textbeispiel:

„Der Bundesgerichtshof hat bereits am 29.11.1978 (IV ZR 175/7) festgestellt, dass die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit nicht von der Auffassung des Patienten und auch nicht alleine von der des behandelnden Arztes abhängt, sondern ggf. einem "neutralen Sachverständigen" obliegt.

Da die beiden Sachverständigen (gleicher Nachname) regelmäßig und bundesweit Stellungnahmen für einige private Krankenversicherungen fertigen und dabei z.B. Erstattungs- mit Berechnungsfähigkeit und zahnärztliches Honorar mit zahntechnischen Kosten (Auslagenersatz) verwechseln bzw. durcheinander werfen, ist die begründete Vermutung beeinträchtigter Neutralität bzw. Einseitigkeit der Betrachtungsweise naheliegend.

Auch wenn die nachträgliche Änderung oder Streichung von Gebührenpositionen nicht direkt einen Eingriff in Diagnostik oder Therapie bedeutet, sondern lediglich auf eine reduzierte Erstattung abzielt, so ist auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.05.1991 (IV ZR 151/90) hinzuweisen:

"Schränkt das Versicherungsunternehmen seine Leistungspflicht ein, weil seiner Ansicht nach über das notwendige Maß hinausgegangen wurde, ist es für die tatsächliche Voraussetzung einer solchen Einschränkung der Leistungspflicht als Versicherer darlegungs- und beweispflichtig."
 Anzahl der Implantate

Im vorliegenden Fall geht es nur sekundär um Einschränkung der Leistungspflicht; primär wurde versucht, das Behandlungskonzept abzuändern mit der Begründung, dass eine Behandlungsalternative zur Verfügung stünde, die – unausgesprochen - die Versicherung billiger käme? Es wird damit nicht nur massiv in die konkrete Indikationsstellung des Behandlers eingegriffen, sondern auch noch der unzutreffende Eindruck erweckt, die Alternative sei mindestens gleichwertig: Das ist nicht der Fall!

In einem neueren Urteil des BGH (12.03.2005, Az. IV/ZR 278/01) wird vomGericht festgestellt:

Diese Ansicht teilt der Senat nicht: ‚Eine zum gleichen Behandlungserfolg führende,

erheblich teurere Heilbehandlung sei Luxus, jedoch keine notwendige Heilmaßnahme.‘

„Aus seiner Sicht (Versicherter) verliert eine medizinisch anerkannte Heilbehandlung das

qualifizierende Merkmal "notwendig" im Einzelfall nicht deshalb, weil sie teurer ist als

eine nach Einschätzung des Versicherers gleichwertige, aber kostengünstigere

Behandlung.

Insoweit ist es unzulässig, dass eine Krankenversicherung eigenmächtig Wandlungen

oder Streichungen der Gebührenpositionen vornimmt, ohne dies medizinisch schlüssig zu

belegen.“

 

Materialkosten:

Die Materialberechnung wurde in der „GOZ 2012” in den „Allgemeinen Bestimmungen“ zu Abschnitt „A. Allgemeine Leistungen“ präzisiert. Es können die tatsächlichen Kosten –

ohne Lagerhaltungskosten – in Rechnung gestellt werden und müssen gemäß § 10 (2) 6. GOZ auf der Rechnung lediglich nach „Art, Menge und Preis“ spezifiziert werden.

Nur auf Verlangen des Zahlungspflichtigen sind diese Auslagenberechnungen zu erläutern, aber nicht zu bescheinigen. Einen „Bezugskostennachweis“ vorzulegen, ist von der Gebührenordnung her nicht vorgesehen. Ihn dennoch zu verlangen ist eine überzogene Forderung zu Kontrollzwecken, der nicht entsprochen wird: Der vollständige, verordnungskonforme Rechnungsausweis ist hinreichender Nachweis in sich:

Alle berechnungsfähigen Kosten wurden nach Art, Menge und Preis verordnungskonform in der Rechnung aufgeführt. Das OLG Koblenz hat eindeutig festgestellt, dass es nicht zu den Obliegenheiten des Rechnung ausstellenden Zahnarztes gehört, bei Zweifeln des Kostenerstatters seine

Kosten für Verbrauchsmaterial zu belegen. Wenn alle erforderlichen Angaben auf der Rechnung enthalten sind, dann muss der Zahnarzt nicht als „Bürogehilfe“ der

Versicherung tätig werden und z.B. Kataloge wälzen etc.

 

Heil- und Kostenplan:

Es wird auf einen Behandlungsplan (?) hingewiesen und es werden die Ziffern 0248 und 0216 angesprochen. Die durchgeführten Maßnahmen seien zahnärztliche Honorarleistungen

(Diagnostik, Behandlung) und keine zahntechnischen Laborkosten. Das ist falsch und logisch unsinnig: Die Leistungen mit den BEB Dentallaborkennziffern

wurden zutreffend auf der Rechnung des Dentallabors/Eigenlabors als zahntechnische Leistungen berechnet.

Und es ist richtig, dass es sich um zahntechnische Leistungen handelt. Virtuelle technische

Vorschlagplanung mit Hilfe von gescannten Modellen und ggf. Übernahme, Überlagerung

und/oder Integration von Röntgendaten in die Planungssoftware stellt selber noch keine Diagnostik am Patienten dar: Es handelt sich um handwerkliche Erstellung von Hilfsmitteln, mit deren Unterstützung und Ergebnissen bestimmte zahnärztliche Diagnostik und/ oder Planung ermöglicht wird.

Der Ablauf im konkreten Fall ist zahntechnische virtuelle Planung einer 3-DBohrschablone (Material- und Laborkosten), zahnärztliche Prüfung und Korrekturen der

technischen Planung (z.B. gemäß GOZ 9000), entsprechende Erstellung der 3-D-Bohrschablone (u. A. GOZ 9005). Für die Verwendung von 3-D-Bohrschablonen fällt zahnärztliches Honorar an, für Teile der Herstellung fallen u. A. Material- und Laborkosten an.

 

GOZ Ziffer 9005

Es wird mitgeteilt, dass eine Indikation für die Durchführung dieser Maßnahme nicht

bestätigt werden kann. -

Darauf ist schlicht zu antworten, dass die Indikation für die Durchführung einer 3-D geführten

Implantatinsertion mit den vorgetragenen zusammenhanglosen Gründen

„Knochenaugmentation“ und der (welcher auch immer) „dokumentierten Ausgangssituation“ zahnmedizinisch keinesfalls fundiert abgelehnt werden kann.

Mit einer derart unprofessionell begründeten Stellungnahme gehen bei tatsächlichem

Verzicht auf Verwendung einer Bohrschablone wohlmöglich bestimmte Implantationsrisiken auf die „sachverständigen“ Gutachter über?

 

GOÄ 2675 „partiele Vestibulumplastik“

Es wird mitgeteilt, die GOÄ Ziffer 2675 sei fehlerhaft angesetzt worden. Nach Prüfung der

beanstandeten Position auf der Rechnung kann festgestellt werden: Die Ziffer 2675 der

Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wurde in einer Ausdehnung von 4 Zahnbreiten verordnungskonform, entsprechend den Vorgaben der Gebührenordnung, medizinisch plausibel und zahnmedizinisch indiziert angesetzt.

Die Ziffer Ä2675 ist für den Zahnarzt

  • § 6 (2) Punkt 5. GOZ, in Abschnitt IX formal zugänglich,
  • wurde tatsächlich erbracht und
  • zutreffend sowie leistungsentsprechend berechnet.

Die Leistungsbeschreibung der Ä2675 lautet:

Partielle Vestibulum- oder Mundbodenplastik oder große Tuberplastik, je Kieferhälfte

oder Frontzahnbereich“.

Zu dieser Ziffer Ä2675 gibt es keine spezielle Berechnungsbestimmung in der

Gebührenordnung, außer dass sie bei ambulanter Operation den Zuschlag Ä444 erhält.

Der wesentliche medizinische Inhalt der Leistung ist eine Schleimhautplastik, d.h. deren

chirurgische Formung, Umgestaltung, Modellation und/oder Verlegung. Da keine nähere

Berechnungsbestimmung zur Frequenz der Ziffer Ä2675 existiert, ist die Leistung sowohl

vom Inhalt her als auch durch die allgemeine Berechnungsbestimmung definiert und zwar

„je erbrachte, notwendige und selbständige Plastik, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich“.

Die Ziffer Ä2675 ist ggf. mehrfach berechnungsfähig, jedoch nur bei ortsgetrennter

Erbringung oder in unterschiedlichen Kieferhälften. Völlig ortsgetrennte Erbringung ist

z.B. an den in der Leistungsbeschreibung genannten drei Lokalisationen „Vestibulum“, „Mundboden“ und „Tuber“ zeitgleich möglich, da es sich jeweils um eine partielle, nicht totale Plastik handelt. Die

Ä2675 zzgl. Ä444 (Zuschlag) ist innerhalb der Kieferhälfte/ Front je eigenständig

indiziertes, anatomisch unterschiedliches Operationsgebiet ansatzfähig.

Die Schleimhautplastik z. B. vestibulär hat nichts gemein mit einer Augmentation nach

Nr. 9100 GOZ, die auf dem Kieferknochen erfolgt. Ist die Leistung nach der Ziffer Ä2675 erforderlich zur Schaffung einer ausreichend breiten, unverschieblich straffen Gingiva, so handelt es sich um eine notwendige, eigenständig indizierte Leistung, die auch selbstständig berechnungsfähig ist.

Das ist ohne weiteres aus der Rechnung anhand der Begründung Nr. 11 für die Ziffer

Ä2675 (im Oberkiefer links regio 24-27 – 4 Zähne breit) zu ersehen. Die Begründung lautet: „Einzeitige Kombination eigenständiger mukogingivaler OP-Techniken zur Verbreiterung des

Vestibulums, der attached Gingiva und zur Weichteilunterfütterung“.

Material- und Laborkosten für Kronen

Die tatsächlich entstandenen und angemessenen Material- und Laborkosten für Implantat

getragene Kronen können tatsächlich bei, auch über oder unter der gutachterlichen Grenze von 500,- € je Krone liegen.

Ob das im konkreten Behandlungsfall zutreffend war, darüber geben die vorhandenen

Unterlagen keine Auskunft.

Die „gutachterliche Angabe eines „üblichen“ Eurobetrages, undifferenziert für irgendeine Implantatkrone (mit oder ohne Abutment, Divergenzausgleich, Schraube, Material etc.) ist wegen

fehlender Konkretisierung meist unzutreffend und wenig professionell.

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER