ZA-Briefing - Die subgingivale Instrumentierung – selbstverständlich selbstständig!

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Inhalt

Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

die Herstellung hygienischer Verhältnisse in der Mundhöhle zählt zu den sinnvollsten zahnärztlichen Tätigkeiten. Diese Maßnahmen dienen nicht nur der Gesunderhaltung der Zahnhartsubstanzen, sondern auch der Vorbeugung und Behandlung parodontaler Erkrankungen.

Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) enthält unter diversen Gebührennummern einige Leistungen mit diesem Behandlungsziel, das Gebührenverzeichnis ist jedoch – auch und nicht nur - in Bezug auf derartige Leistungen unvollständig.

Dieser Tatsache hat der Verordnungsgeber Rechnung getragen, indem er in § 6 Abs. 1 GOZ ausdrücklich die Möglichkeit zur analogen Bewertung und Berechnung nicht beschriebener Leistungen geregelt hat.

Eine solche, nicht beschriebene, selbstständige Leistung ist die subgingivale Instrumentierung in Form der nichtchirurgischen subgingivalen Belagsentfernung.

Die Nomenklatur ist uneinheitlich. Es finden sich Bezeichnungen wie geschlossenes Vorgehen, geschlossene mechanische Therapie, subgingivales Debridement, im anglo-amerikanischen Sprachraum auch non-surgical periodontal therapy. Der besseren Lesbarkeit wegen werde ich den Begriff „Subgingivale Instrumentierung“ benutzen.

Bereits bei der Novellierung der GOZ im Jahr 2012 geriet diese Leistung in den Focus, da die damals neu aufgenommene professionelle Zahnreinigung nach der Geb.-Nr. 1040 GOZ ausschließlich das „Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge“ umfasst.

Der Terminus „gingival“ war als topografische Bezeichnung im Zusammenhang mit Reinigungsmaßnahmen zu diesem Zeitpunkt ungebräuchlich. Im Lauf der Zeit erfolgte vereinfachend eine Auslegung dahingehend, dass damit Zahnoberflächen im (physiologischen) Sulkus beschrieben werden.

Im Unterschied hierzu werden Zahnoberflächen, die durch die Tiefenproliferation des Saumepithels mit Verlust an bindegewebigem Attachment nichtchirurgisch zugänglich werden, als subgingival beschrieben.

Die professionelle Entfernung von harten und weichen Belägen einschließlich des Biofilms in dieser Region ist also nicht Leistungsbestandteil der Geb.-Nr. 1040 GOZ.

Ebenso beschreiben die Geb.-Nrn. 4070/4075 GOZ die nichtchirurgische subgingivale Belagsentfernung nichtzutreffend, da es sich bei den Geb.-Nrn. 4070/4075 GOZ gemäß deren Leistungsbeschreibung explizit um eine parodontalchirurgische Therapie handelt. Somit erfüllt die subgingivale Instrumentierung als selbstständige, nicht in der GOZ beschriebene Leistungen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 GOZ.

Die Leistung kann indiziert sein zur Vorbehandlung, Behandlung oder als Erhaltungstherapie.

Auf Grund der Unterschiedlichkeit und Selbstständigkeit der beiden Leistungen ist die nichtchirurgische subgingivale Belagsentfernung zahn- und sitzungsgleich neben der Geb.-Nr. 1040 GOZ berechnungsfähig.

Die medizinische Notwendigkeit der nichtchirurgischen subgingivalen Belagsentfernung belegt die S3-Leitlinie „Subgingivale Instrumentierung“ (Stand Oktober 2019) der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGPARO):

 „Es ist unstrittig, dass die subgingivale Instrumentierung der Standard für die kausale Infektions- und Entzündungsbekämpfung bei Parodontitis ist. Als subgingivale Instrumentierung wird ein Verfahren angesehen, das gründlich Biofilm und subgingivalen Zahnstein von der Wurzeloberfläche unter bestmöglicher Schonung der körpereigenen Gewebe entfernt.“

Die Selbstständigkeit und analoge Berechnungsfähigkeit der nichtchirurgischen subgingivalen Belagsentfernung wird auch in der Rechtsprechung bestätigt: VG Stuttgart Az.: 3 K 3921/12 vom 13.02.2013; AG Oldenburg Az.: 7 C 7199/12 (X) vom 23.08.2013; AG Celle Az.: 13 C 1449/13 5.2 vom 11.11.2014; VG Kassel Az.: 1 K 1035/17.KS vom 19.02.2019.

Eine ablehnende Entscheidung des VG Düsseldorf (Az.: 13 K 5973/12 vom 17.01.2013) erging ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung eines zahnärztlichen Sachverständigen, gestützt ausschließlich auf die richterliche Lektüre des klinischen Wörterbuches „Pschyrembel“. Das Urteil lässt eine qualifizierte fachliche Beurteilung nicht erkennen.

Die gebührenrechtliche Einordnung wird bestätigt durch die wissenschaftliche S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie ("Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III", Stand Dezember 2020) und die darauf basierende Einordnung als selbstständige Leistung durch den Bewertungsausschuss der gesetzlichen Krankenversicherung. Die nichtchirurgische subgingivale Belagsentfernung ist auch Gegenstand des Kataloges analog zu bewertender Leistungen der Bundeszahnärztekammer (Stand Januar 2021.

Im Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) findet sich seit dem 1.07.2021 die AIT (Antiinfektiöse Therapie, deren Leistung die subgingivale Instrumentierung zur Entfernung subgingivaler weicher und harter Beläge ausdrücklich umfasst.

Sofern unter Verzicht auf die Berechnung einer der AIT vergleichbaren Leistung gemäß den Bestimmungen der GOZ lediglich der vorstehend beschriebene Leistungsbestandteil erbracht wird, ist dessen Berechnung auf Grundlage von § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ i.V.m. § 6 Abs. 1 GOZ angezeigt. Noch mal ganz einfach: Sie sollten die subgingivale Belagsentfernung als selbstständige Leistung analog berechnen.

Die Unterschiedlichkeit der Leistungen „Subgingivale Instrumentierung“ und „Professionelle Zahnreinigung“ nach der Geb.-Nr. 1040 GOZ wird ebenso belegt durch das Vorhandensein eigenständiger, unterschiedlicher BEMA-Leistungen für einerseits die "Supragingivale und gingivale Reinigung..." (UPTc) und andererseits die "Subgingivale Instrumentierung..." (UPTe/f).

Die gesetzliche Krankenversicherung bildet insofern den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand in gebührenrechtlicher Form ab. Da die Anlage 2 der GOZ die "Subgingivale Instrumentierung" nicht als selbstständige Leistung ausweist, ist deren Berechnung im Weg der Analogie erforderlich.

In Ausgabe 46 der DZW und in unserer „Sonder-GOZette November“ habe ich Ihnen bereits darüber berichtet, dass die DG PARO mit einer Stellungnahme die Notwendigkeit einer analogen Berechnung auch aus wissenschaftlicher Sicht bestätigt.   

Mit Anwendung der gebührenrechtlichen Bestimmungen des § 6 Abs. 1 GOZ erhalten auch Ihre privat versicherten Patienten Zugang zu einem modernen Verfahren der Parodontologie gemäß aktuellem zahnmedizinischem Standard.

Mit freundlichen und kollegialen Grüßen

Dr. Michael Striebe

GOZ-Berater der ZA