Zu den ersten sechs Streitthemen des Jahres 2020 gibt es möglichst patientenverständliche Info-Kurztexte mit Erklärungen dieser Streitpunkte und einer Beurteilung der Streitinhalte.
Ablehnung der Analogberechnung erfolgt auch im Bereich der Wurzelkanalbehandlung (Endodontie) in ca. 40% aller monierten Fälle mit der wenig konkreten Angabe, die Berechnung sei falsch bzw. zu hoch, am häufigsten aber ohne Nennung irgendeines Grundes.
Ein Beispiel für eine Analogleistung mit sehr hohem Streitpotential:
„Präendodontische Entfernung der vorhandenen Wurzelkanalfüllung“.
Ablehnungsgrund: Diese Leistung sei in Nr. 2410 (Kanalaufbereitung) enthalten.
Das ist jedoch unrichtig: Die gewählte Analogleistung ist eine selbständige, angemessenbewertete und notwendige Leistung zum Zahnerhalt.
Analogberechnung verordnungskonform?
Die präzise Formulierung des Analogleistungsinhalts gem. § 10 Abs. 4 GOZ weist z.B. den Zeitpunkt der Erbringung einer „präendodontischen“ Entfernung der vorhandenen, bakteriell durchsetzten Füllmasse im Wurzelkanal als Tätigkeit vor dem Beginn einer zahnmedizinisch sinnvollen Kanalaufbereitung aus. Die präendodontische Leistung ist eine „selbständige“ Leistung aus zahnmedizinischer, aber auch gebührentechnischer Sicht. Erst am Ende der präendodontischen Leistung erfolgt eine, die Analogleistung abschließende Diagnose und eine Indikationsprüfung für Folgeleistungen und ggf. die Entscheidung, mit der Kanalaufbereitung nun zu beginnen. Bringt aber die präendodontische Entfernungsleistung keine Zugänglichkeit der Kanalinnenwände, kann diese geänderte Voraussetzung für die Kanalaufbereitung eine Änderung der Behandlungsplanung erfordern wie zzgl. Resektion oder Hemisektion. - Das sollte man wissen:
Nicht erreichbarer Zugang zum Kanalinneren kann die Beendigung der Wurzelkanalbehandlung und folglich Zahnextraktion erforderlich machen. Daher lohnt es meist, auch aufwendigere Behandlungsmittel und -maßnahmen zum Zahnerhalt einzusetzen.
Tabelle 1: Die häufigst beanstandeten Endodontiemaßnahmen
Prozentzahlen zeigen relative Häufigkeit im Komplex „Wurzelkanalbehandlung“
Nr. 2360 GOZ (Vitalexstirpation)
Die Tabelle 1 mit den häufig beanstandeten Leistungen einer Wurzelkanalaufbereitung zeigt in 2020 relativ wenige Einwände zu dem Streit, wie viele Wurzelkanäle, die selbständig exstirpiert und aufbereitet werden müssen, ein Zahn denn so vorzuweisen hat? Noch immer anzutreffendes Denken bei Sachbearbeitern von Erstatten: Ein Kanal je Wurzel. – Das kann sein, es können aber auch mal drei Kanäle sein.
Tief vom Hauptkanal abzweigende Kanäle mit separater Exstirpation und Aufbereitung sind auch gebührentechnisch eigenständig berechnungsfähig.
Aber die Entfernung einer apikalen Restpulpa mit Restvitalität berechtigt nicht zum erneuten Ansatz der Nr. 2360 GOZ im selben Kanal, wohl zur Berechnung einer erneuten Anästhesie
Nr. 2390 GOZ (Trepanation eines Zahnes)
LG Hamburg (30.08.2018, Az. 323 O 16/15) - Nr. 2390 ist lediglich "Kavumzugang" und selbständig
berechnungsfähig in Bezug auf nachfolgende Leistungen.
Die Berechnung der strittigen Nr. 2390 "Zahntrepanation" neben der Nr. 2410 GOZ "Kanalaufbereitung" ist angesichts der Urteilslage weiterhin vertretbar und natürlich zahnmedizinisch-fachlich begründet:
Eine Trepanation ist nicht Bestandteil der Aufbereitung eines Wurzelkanals (2410 GOZ), denn eine "Durch-/ Aufbohrung" erfolgt von außen durch die Zahndecke und ist beendet, wenn die Pulpenhöhle, das Pulpenkavum darunter eröffnet ist.
Nr. 2400 GOZ(elektrometrische Längenbestimmung eines Wurzelkanals)
Folgende Behauptungen sind falsch: „Nicht zweimal je Kanal, höchstens 2x insgesamt.“
Die Berechnungsbestimmung lautet: „Die Leistung nach Nr. 2400 ist je Wurzelkanal höchstens zweimal je Sitzung berechnungsfähig.“ –
Fazit: 2400 ist 2x je Kanal je Sitzung möglich, also insgesamt 8x bei 2 Sitzungen und zwei Kanälen!
Nr. 2410 GOZ (Aufbereitung eines Wurzelkanalsggf. in mehreren Sitzungen)
Berechnungsbestimmung: „Wenn auf Grund anatomischer Besonderheiten eine Aufbereitung in einer Sitzung nicht erfolgen kann, ist die Leistung nach der Nr. 2410 für denselben Wurzelkanal erneut berechnungsfähig. … Je Aufbereitung eines Wurzelkanals ist die Leistung in diesem Fall höchstens zweimal berechnungsfähig.“
Beanstandung durch den Erstatter kommt zurecht, wenn zweimal 2410 für denselben Kanal in derselben Sitzung berechnet wird.
Häufig wird die nötige Indikationsbegründung auf der Rechnung vergessen, z.B. „Zwei Sitzungen erforderlich mit je einmal 2410 GOZ je Kanal wegen anatomischer Besonderheit in Form einer alten Furkationsperforation.“
Nr. 2420 GOZ (Anwendung elektrophysikalisch-chemischer Methoden je Kanal)
Die Leistung nach 2420 GOZ ist tatsächlich je Sitzung nur 1x je Kanal ansetzbar, nicht je unterschiedliche Methode.
Es muss sich tatsächlich um eine elektrophysikalisch-chemische Methoden im Wurzelkanal handeln; andere Methoden sind Analogleistungen
Es darf sich nicht lediglich um eine photophysikalische Methode handeln, wie z.B. der aPDT (antimikrobielle photodynamische Therapie), denn der dabei verwendete Farbstoff hat in der Regel keine eigene chemische Wirkung.
Die Nrn. 2400 (Längenmessung) und 2420 GOZ („Phys“) dürfen in der GKV-Versorgung neben BEMA-Leistungen privat vereinbart und berechnet werden, denn die beiden GOZ-Leistungen sind eindeutig nicht Bestandteile des BEMA, auf die andernfalls der GKV-Patient Anspruch hätte.
Analogiestreit wegen Wurzelkanalbehandlung
Die Leistungsbeschreibung der Nr. 2390 GOZ ist „Trepanation eines Zahnes“. Damit wird also die Trepanation einer Krone aus Metall oder Hartkeramik nicht beschrieben. Das ist eine typische Konstellation für eine Analogberechnung. Die tatsächliche Leistung „Trepanation einer metallischen Vollkrone“ ist aber im Vergleich mit der „Trepanation eines Zahnes“ unschwer doppelt so zeitintensiv und weist typischerweise einen erheblich höheren Materialverbrauch wegen Fraktur/Abstumpfen bzgl. Kronentrennern/-trepanen usw. auf. Den zu berechnen ist bei Analogleistungen der GOZ schwer darstellbar, da bei Analogie gesonderte Materialberechnung nicht ausgewiesen ist.
Der Verbrauch hängt u.A. mit der Schichtstärke, als auch mit der Härte des Kronenmetalls zusammen.
Ein hochwertiger Kronentrenner aus diamantiertem Hartstahl o. Ä. zehrt unschwer den 2,3-fachen Satz der Trepanation nach 2390 GOZ (8,41 €) vollständig auf. Die besondere Materialberechnung erfolgt in solchen Fällen wie vom BGH (27.05.2004, Az. III ZR 264/03) beschrieben: „So ins Gewicht fallende Kosten von Einmalwerkzeugen …, die 75% der betreffenden (2,3-fachen) Gebühr aufzehren, … dürfen gesondert berechnet werden.
Analogleistung: Präparation einer endodontischen Zugangskavität
Ist eine Trepanation als „Kronendurchbohrung“ erfolgreich verlaufen mit tatsächlichem Auffinden eines Zahnkavums, so kann insbesondere bei „wurzelgefüllten“ überkronten Seitenzähnen ggf. mit der Suche nach den ehemaligen Kanalorifizien (Mündungen von Wurzelkanälen am Boden des Zahnkavums) begonnen werden. Oft gestaltet sich die Sachlage sehr schwierig: Es muss der einfache Trepanationsschacht (2390 GOZ) nach bestimmten Regeln zu einer fachgerechten Zugangskavität erweitert und umgestaltet werden, so dass Sicht auf den Kavumboden und geradliniger Zugang zu den Kanalorifizien ermöglicht wird. Vom Gelingen der speziellen Zugangskavität und dem Auffinden der Kanalmündungen hängt die zahnmedizinische Entscheidung ab, ob Aufbereitung der Wurzelkanäle möglich ist. Diese Indikationsstellung markiert zwei selbstständige Leistungen:
Ende der Analogleistung „Präparation einer endodontischen Zugangskavität“ und ggf. „Beginn der Wurzelkanalaufbereitung“ (2410 GOZ je Kanal, ein- oder zweimal).
6. Infoblatt zur Berechnung der zahnärztlichen Leistungen bei der Wurzelkanalbehandlung
ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER