DZW-Artikel – Wo hakt die Analogberechnung und warum?

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Inhalt

Allmählich nähert sich die aktuelle Situation der Analogberechnung gemäß § 6 Abs. 1 GOZ der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) in einigen Aspekten wieder der im Vorfeld der Novellierung der GOZ. Da begann die GOZ`88 deutlich erkennbar zu veralten, was sich u. A. in einer stark steigenden Zahl von Analogberechnungen bemerkbar macht: Aktuell sind wieder ca. ein Viertel der von Erstattern monierten Leistungen sog. „Analogleistungen“.

Einen gravierenden Unterschied gab es im Zeitraum der Geltung der GOZ`88 und der zzt. gültigen GOZ`12: Im Geltungszeitraum der GOZ`88 wurde als Ablehnungsgrund bevorzugt das Argument vorgeschoben, die betreffende Leistung sei schon vor Inkrafttreten der neuen Gebührenordnung im Oktober 1987 als selbständige zahnärztliche Leistungen aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt worden.

In der GOZ´12 entfiel die Stichtagregelung. Aber nicht die Suche nach Nichterstattungsgründen.

 

Sehr erstaunlich ist aber ein neues Phänomen: Der Druck zur Ausweitung der Analogberechnung resultierte in all den Jahren vor der GOZ-Novellierung Anfang 2012 aus innerer Überalterung der GOZ-Inhalte, auch aus beständig wachsender Unterbewertung (inhaltliche und materielle Auszehrung der GOZ-Gebühren.

Kurz vor oder seit Beginn der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts kommt der Druck zur nötigen Beschreibung und Berechnung von nicht im GOZ-Gebührenverzeichnis enthaltenen selbständigen Leistungen (Analogieanwendung gemäß § 6 Abs. 1 GOZ) aus dem GKV-Leistungskatalog des BEMA Jüngstes Beispiel ist die Aufnahme der Unterkiefer-Protrusionsschiene zur Behandlung der Schlafapnoe in den BEMA Teil 2 mit Bewertungen und zu Bedingungen, die tragfähig erscheinen:

Hier ist wieder einmal der BEMA weiter entwickelt als die Privatgebührenordnung GOZ.

 

In den GKV-Leistungskatalog wurde schon Mitte des Jahres 2021 eine neue umfassende Parodontitis-Therapie (PAR) aufgenommen, mit einer ganzen Reihe neuer Gebührenleistungen, basierend auf einer wissenschaftlich untermauerten, öffentlich breit diskutierten neuen PAR-Behandlungsrichtlinie der GKV-Versorgung.

Hier sind in GKV-Verträgen neue Leistungen beschrieben und zahnmedizinisch-fachlich gründlich und allgemeingültig auf dem aktuellen Stand der Parodontalbehandlung bewertet worden.

Diese Beschreibungen, Definitionen und Bewertungen werden zunächst via Analogberechnung auch Eingang in das GOZ-Leistungsspektrum der PKV finden. Ablehnung der Erstattung der neuen Analogleistungen wird der PKV schwer fallen, obwohl § 4 (2) GOZ (Leistungsüberschneidung) dazu schon argumentativ herangezogen wird!

Die neu ausgerichtete Nebeneinanderentwicklung von BEMA und GOZ/GOÄ  - siehe z.B. die aufsuchende Betreuung im BEMA - erscheint in einigen Aspekten sehr begrüßenswert, stimmt allerdings in Bezug auf die GOZ und deren Stagnation sehr bedenklich. - Hat die GOZ eine Zukunft?
Wenn diese Frage beantwortet werden soll, dann ist die Suche nach ernsthaft interessierten Akteuren vordringlich!  – Sachleistung ist z.B. bequemer.  


Förderung der Analogberechnung

Analogberechnung setzt gute Kenntnisse über das Verfahren voraus und ein Interesse daran, verordnungskonform und wenig angreifbar adäquate Vergütung für fortschrittliche Zahnmedizin zu erhalten, die mit Freude ausgeübt wird.

Wenn so oder so ähnlich der Leitgedanke der Praxis definiert ist, findet man schnell heraus, dass die Kombination von Analogberechnung und Vereinbarung Vieles sehr viel einfacher macht.

Analogleistung: Negativbeispiel „Sulkussterilisation“

Die bloße Angabe von „Sulkussterilisation“ ist weder als zutreffende, noch als  analoge Bezeichnung möglich. Die Bezeichnung  der  durchgeführten Leistung als „Sulkussterilisation“ ist ein Fehler. Sie ist irreführend oder falsch, erfolgt tatsächlich auch gar nicht als „Sterilisation“. Fehlerhafte Analogbezeichnungen führen zu Verärger- und Verweigerungen.

Die KZBV sagt zu dem Sachverhalt, dass „Sulcusdekontamination“, als selbständige Leistung im Rahmen einer Parodontitistherapie privat zusätzlich angesetzt werden kann; sie spricht an dieser Stelle auch von den Leistungen „Entkeimung“ oder von „Deepithelisierung“.

 

Die häufigsten Beanstandungen im privatrechtlichen Abrechnungsgeschehen der letzten Jahre kamen zu Analogberechnungen, also zur Entsprechungsberechnung von nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ enthaltenen, notwendigen und selbständigen Leistungen im Wege des Vergleichens mit einer aus dem Gebührenverzeichnis der GOZ bekannten Leistung.

 

Unzutreffend ungenaue Bezeichnung

Bei dem Thema „Sulkussterilisation“ wird beispielhaft ein wichtiger Grund für die hohe Ablehnungsquote von Analogberechnungen durch die Erstatter erkennbar: „Sulkussterilisation“, „Laserbehandlung“ aber auch „Entkeimung“ sind unzutreffende Bezeichnungen der tatsächlich erfolgten Leistung -  sind unbestimmt und nur vordergründig verständlich - verstoßen gegen § 10 Abs. 4 GOZ, der laienverständliche Beschreibung fordert. 

Was ist an den Bezeichnungen auszusetzen? - In Kürze und prinzipiell:

Es gibt keine intraorale Sterilisation im Sinne von erreichter Keimfreiheit im lebenden Organismus. Auch Entkeimung ist hoch angesiedelt; zutreffender ist wohl „Senkung der Keimlast (Keimarmmut erreichen/ erhalten)“. „Laserbehandlung“ ist auch im parodontal-therapeutischen Umfeld zu unbestimmt formuliert und wurde sogar ausdrücklich vom Bundesgerichtshof als unzutreffende Bezeichnung abgelehnt (BGH, 27.05.2004, Az. III ZR 264/03): "Die bloße Anwendung eines Lasergeräts rechtfertigt noch keine Analogberechnung".   

Eine bessere Beschreibung der erfolgten Leistung könnte lauten: „selbständige Laserdekontamination des Parodonts“. Jedenfalls bedeutet „Dekontamination“ im mikrobiologisch-hygienischen Sinn nur eine weitgehende Beseitigung mikrobieller Besiedlung, also noch keine Keimfreiheit.

 

Beschluss DGL und GOZ-Expertengremium 26.05.2014

Der Beschluss wurde verdichtet in einer „Übersichtstabelle zu den konsentierten, selbständigen Analogleistungen, die nur mit einem Laser oder fakultativ mit einem Laser erfolgen können (www-alex-za.de, Nr. 0120 – 4.0.3).

Hier sind z.B. für die Parodontologie anzuführen:

  • „Laser-Deepithelisierung des internen und externen Saumepithels zur Proliferationsverhinderung, je Parodont“ entsprechend Ä2002a (Wundumschneidung)
  • postoperative Laser-Ausschaltung der Schmerzrezeptoren zur verbesserten Mukosarestitution entsprechend 6240a (Lückenhalter)

Unselbständige Laseranwendung ("Skalpellersatz") wird über den Faktor vergütet, - selbständige, nicht beschriebene Laseranwendung als Analogziffer, nach Art, Kosten- und Zeitaufwand abgestuft.“

Selbständig ist eine Leistung, wenn sie eigenständig indiziert und nicht Bestandteil einer anderen orts- und zeitgleichen Leistung, also weder in Gänze noch partiell maßnahmegleich mit einer anderen Leistung ist. Die "selbständige Laseranwendung" ist somit nicht das alleinige oder entscheidende Kriterium für eine Analogberechnung, sondern der Umstand, dass eine konkrete zahnärztliche Leistung nicht im Gebührenverzeichnis von GOZ/GOÄ aufgeführt ist

Aufbau der Leistungsbeschrei­bung bei Analogberechnung

Die Beschreibung der tatsächlich erfolgten Leistung muss "für den Zahlungspflichtigen verständlich" sein gemäß § 10 (4) GOZ. Es ist also nicht hinreichend, wenn Fachleute sie verstehen. "Dekontamination" (auch „Entkeimung“) als alleinige Leistungsbeschreibung in einer Vereinbarung oder Rechnung ist ein Negativbeispiel; eine Gebührenordnung konforme Leistungsbeschreibung enthält Angaben zu:  Was? Wo? Wozu? Wie oft? (Baukastenprinzip)

Was z.B.:
1.1 Chemische bzw. photodynamische Dekontamination oder
1.2 Laser-Dekontamination?

Wo:

2.1. intrakanalär, intraossär oder
2.2 parodontal-intrasulkär?

Wozu:

3.1 zur prä-/ postoperativen Keimzahlsenkung oder
3.2 durchblutungs-/ heilungsfördernd, schmerzpräventiv

Wie oft:

4.1 je Kanal/Wunde je Sitzung oder
4.2 je Parodontium je Sitzung?

 

Formulierungsresultat: „Parodontal-intrasulkäre Laser-Dekontamination zur präoperativen Keimzahlsenkung, je Parodont u. Sitz“ entsprechend „Exzision kleine Geschwulst“ (Ä2403a). 

 

Anmerkung: Dem Einwand, neben einer parodontal-chirurgischen Therapie nach den Nrn. 4070, 4075 bzw. 4090, 4100 GOZ sei die Sulkusdekontamination gem. § 4 Abs. 2 GOZ keine selbständige Leistung, ist nicht einfach zu begegnen: Zur dieser Operationsdurchführung gehört durchgehend Keimkontrolle zum Leistungsinhalt. Intraoperative Dekontamination mit klinischen Mitteln wäre abgegolten. In dem obigen Beispiel handelt es sich jedoch um eine präoperative Leistung vor dem Beginn des operativen Eingriffs, hat auch keineswegs zwangsläufig einen chirurgischen Eingriff im Gefolge und sie kann alternativ auch postoperativ in einer Folgesitzung indiziert sein. Das sind klassische Merkmale der Selbständigkeit einer zahnmedizinischen Leistung.

 

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER