Vergessener Streit zu Heil- und Kostenplänen kommt wieder auf

Teilen:

Inhalt

DZW-Artikel von Dr. Esser aus KW 38

Da wird z. B. ein ultimatives Schlussfazit gezogen: „Die GOZ-Nummern 0030 und 0040 schließen sich gegenseitig aus.“ Das sieht auf den ersten Blick verordnungskonform aus, ist es aber nicht. Das sieht nach Übereinstimmung mit den amtlichen Begründungen des Verordnungsgebers aus, ist es aber nicht.   

Es muss vorausgeschickt werden, dass gemäß Wortlaut der Leistungsbeschreibung jeder schriftliche zahnmedizinische Heilplan (formungebundene Darstellung der geplanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen) und die damit einhergehende Kostenplanung (Kostenschätzung insgesamt) prinzipiell den Leistungsinhalt eines Heil- und Kostenplans (HKP) erfüllt. Die PKV-Kommentierung gesteht zu, dass der genaue Inhalt von Heil- und Kostenplänen nicht ausdrücklich geregelt ist, macht sich jedoch ihrer Ansicht nach zutreffende anderweitige Kommentierungen zu eigen.

Zu Nr. 0030

Dazu sagt die PKV: Das ist Planung der zahnärztlichen Behandlung. Aber in Nr. 0030 ist nur die Aufstellung eines Heilplans erwähnt, keine Ablauf- und Koordinierungsplanung, keine gesamte Rehabilitationsplanung. Ein Heilplan wird gegebenenfalls auch nur für einen konkreten, realistischen Behandlungsabschnitt erstellt.

Die PKV sagt weiter: Nr. 0030 enthält eine Berechnung des voraussichtlichen zahnärztlichen Honorars. Aber Nr. 0030 enthält allenfalls eine Kostenplanung, eine realistische Schätzung im unvermeidbaren Schwankungsrahmen bei Heilbehandlungen. 

Zu Nr. 0040

Zum Heil- und Kostenplan nach Nr. 0040 wird zum Beispiel behauptet, dass darin alle Leistungen, die ansonsten unter der Nr. 0030 GOZ anzusetzen wären, ebenfalls eingeschlossen sind. Lediglich würden bei 0040 zusätzliche Leistungen hinzukommen, und zwar kieferorthopädische, widerwillig wohl auch – wenn es denn wirklich sein muss – funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen. Klare Ansage: Diese Auslegung der Berechnungsbestimmung, die Leistungen 0030 und 0040 GOZ seien nebeneinander nicht möglich, ist nicht mehr zutreffend, wenn zwei sitzungsverschiedene Planungen erfolgen müssen, etwa weil die Folgeplanung erst nach Durchführung des Erstplans zahnmedizinisch möglich ist.

Inhalt und Umstände der Heilplanung

Bei Nr. 0030 ist „Befundaufnahme und ggf. Auswertung von Modellen“ vor Aufstellung der Planung bereits erfolgt und wird separat beispielsweise nach den Nummern 0010 (Untersuchung), 0060 (Planungsmodellpaar) etc. zusätzlich zur Nr. 0030 GOZ berechnet. Dazu wäre ein genauer Blick auf die gesamte Bezeichnung der Leistung nach 0040 GOZ angebracht: „Aufstellung eines schriftlichen Heil- und Kostenplans bei kieferorthopädischer Behandlung [...] nach Befundaufnahme und Ausarbeitung einer Behandlungsplanung.“

Die folgenden Ausführungen gelten sinngemäß auch für die Planung funktionsdiagnostischer und funktionstherapeutischer Maßnahmen.

Auch hier sind zuvor separate Befundaufnahme (0010, 0060, 6000, 6010, 6020 etc.) und „Ausarbeitung einer Behandlungsplanung“ erfolgt, die folglich nicht in der Nr. 0040 GOZ enthalten und auch nicht deren Bestandteil sind.

Die PKV sagt, Inhalt der Nr. 0040 sei auch die Angabe der Zeitdauer der Behandlung. Aber eine Schätzung, nicht eine Angabe der Zeitdauer, ist Bestandteil einer weitergehenden „Behandlungsplanung“ (Ablaufplanung), nicht eines grundsätzlichen Heilplans (Angabe der Heilmaßnahmen).

Die PKV sieht die Angabe anfallender Behandlungsgeräte und Hilfsmittel als obligat an. Das ist wohl zutreffend für eine detaillierte Behandlungs- und Ablaufplanung; im eigentlichen Heilplan genügt die Angabe der Behandlungstechnik, zum Beispiel Multibracket-/ Multibandbehandlung, dargestellt auch durch Ansatz bestimmter Gebührennummern.

Die PKV sagt, es müssten im Heil- und Kostenplan nach 0040 Therapiealternativen bewertet und Entscheidungen zu einer bestimmten Therapie getroffen und dargestellt werden. Das ist zum Teil richtig, im Wesentlichen aber Inhalt einer bedarfsgerechten Befundung mit Diagnose- und Differentialdiagnosestellung und wiederum der Behandlungsablaufplanung. Die Entscheidung (zunächst) für eine bestimmte Therapie ist in der Regel auch eine grundsätzliche Entscheidung für die Anwendung bestimmter Behandlungstechnik(en).

Die PKV sieht als Inhalt der Nr. 0040 auch die Angabe der Zahlungsmodalitäten. Aber das ist kein obligater Bestandteil eines Heil- und Kostenplans, allenfalls einer gesonderten privatrechtlichen Vereinbarung.

Die PKV sagt zusätzlich: „Pauschale, vom GOZ-Verzeichnis losgelöste Gebührenansätze auf dem HKP genügen den rechtlichen Anforderungen nicht.“ Das ist, was Pauschalen anbelangt, sicher richtig. Es wird im privatrechtlichen Behandlungsvertrag individuell erkrankungsbezogen kalkuliert und abgerechnet.

Ausschlüsse

PKV-Kommentierung: „Die GOZ-Nummern 0030 und 0040 schließen sich gegenseitig aus.“ Aber wie lange? Dazu hört man dann nichts. Original und korrekt muss es heißen: „Die Leistungen nach den Nummern 0030 und 0040 sind nicht nebeneinander berechnungsfähig.“ Diese Berechnungsbestimmung besagt also lediglich, dass die Nummern 0030 und 0040 nicht sitzungsgleich berechnet werden dürfen. Die PKV möchte die Ausschlusszeit wohl dahingehend dehnen, dass beide Nummern sich im Behandlungsfall, Erkrankungsfall, Versorgungsfall, Gesamtsanierungsfall oder im Quartal bzw. Halbjahr etc. gegenseitig ausschließen. Es ist klar, dem PKV-Einwand fehlt eine präzise Definition des von ihm häufig unterschlagenen Begriffs „nebeneinander“. Der bedeutet „sitzungsgleich“.

Amtliche Novellierungsbegründung

Die amtliche Begründung des Verordnungsgebers muss erläutert werden. Sie lautet: „Die neu eingefügte Abrechnungsbestimmung schließt die Abrechnung von Heil- und Kostenplänen nach den Nummern 0030 und 0040 im gleichen Behandlungsfall nebeneinander aus.“ 

Dieser Text ist ein Musterbeispiel, wie unpräzise auch „amtliche“ Begründungen sein können: Hier wird von Heil- und Kostenplänen „im gleichen (gemeint ist aber in demselben) Behandlungsfall“ gesprochen. Der ist seit 2012 auch in der GOZ mit einer Monatsfrist (30 Tage) präzisiert. Der gegenseitige Ausschluss von Heil- und Kostenplänen nach den Nummern 0030 und 0040 innerhalb einer Monatsfrist ist zahnmedizinisch unverständlich.

Sollte tatsächlich statt „Behandlungsfall“ der „Erkrankungsfall“ gemeint sein, so wäre der Begriff zutreffender, aber es verschärft sich die dadurch verursachte Problematik, denn ein Erkrankungsfall kann mehrere Behandlungsfälle umfassen, also Monate dauern. Eine Weiterplanung innerhalb desselben Erkrankungsfalles nach einer erfolgreich verwirklichten Erstplanung (Vorbehandlung) – gegebenenfalls auch schon während der Durchführung der Erstplanung – ist ein unabdingbares zahnmedizinisches Erfordernis und ohne Berechnungsmöglichkeit bis zur Vollsanierung (Ende des Krankheitsfalls) wäre das zahnmedizinisch und betriebswirtschaftlich nicht hinnehmbar.

Die Frage nach der zahnmedizinischen Notwendigkeit von zwei Heil- und Kostenplänen nacheinander stellt sich zeitlich getrennt, individuell in jedem Einzelfall, jedoch ohne generelle und vorweggenommene Antwort.

Und trotz gegenteiliger Verlautbarungen: Zweifacher Ansatz der Nummern 0030, 0040 GOZ in derselben Sitzung ist gebührentechnisch nicht ausgeschlossen, wenn es sich um selbstständige, meist alternative Planungen handelt.

Und ebenfalls trotz dahingehender Behauptungen ist Nr. 0040 GOZ nicht reserviert für „umfangreiche Behandlung craniomandibulärer Dysfunktionen“. Nr. 0040 trifft bereits bei deutlich weniger umfangreicher Behandlung zu, also (Zitat) „bei (einzelnen) funktionsanalytischen und funktionstherapeutischen Maßnahmen“ neben weiteren, gegebenenfalls kieferorthopädischen und/oder prothetischen Maßnahmen oder auch Behandlung mittels Aufbissbehelfen etc. Der Leistungstext der Nr. 0040 GOZ fordert lediglich, dass bei den geplanten Maßnahmen auch funktionsanalytische und/oder funktionstherapeutische, auch kieferorthopädische vertreten sind. 

 

© Dr. Peter H. G. Esser

„Vergessener Streit zu Heil- und Kostenplänen kommt wieder auf“ als PDF-Download