RECHTeinfach - Vereinbarung mit Begründung

Teilen:

Inhalt

Re 10/22 Vereinbarung mit Begründung

Ein Patient hatte mit seinem Zahnarzt mehrere Vereinbarungen gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ getroffen. Zusätzlich zu diesen Vereinbarungen attestierte der Zahnarzt dem Patienten „craniomandibuläre Dysfunktion, Tinnitus, Migräne, grauer Star, grüner Star, Allergien, regelmäßige Medikamenteneinnahme, ein Abrasionsgebiss, Okklusionsstörungen und reduzierte Belastbarkeit“.

Der Versicherungsvertrag des Patienten sah eine Erstattung von Gebühren, die unter Anwendung eines oberhalb des 3,5-fachen liegenden Steigerungssatzes ermittelt wurden in Fällen vor, in denen diese Gebühren durch krankheits-, bzw. befundbedingte Erschwernisse angemessen im Sinne der GOZ waren und entsprechend begründet wurden.

Bei Einreichung der Rechnungen mit den zugehörigen Vereinbarungen und dem zahnärztlichen Attest lehnte die Versicherung die Erstattung des über dem 3,5-fachen liegenden Gebührenanteils jedoch ab.

Im nachfolgenden Verfahren (Az.: 4 O 304/20 vom 16.06.2022) bejahte das Landgericht Lübeck die Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens unter Hinweis auf das Krankheitsbild des Patienten. Das vor dem Hintergrund der Tatsache, dass rechtswirksam getroffene Vereinbarungen in der Regel keiner zusätzlichen Begründung bedürfen.

 

Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck ist in Gesamtwürdigung des zugrundeliegenden Sachverhaltes sicherlich korrekt und aus Sicht des Versicherten eindeutig zu begrüßen.

Unter zahnärztlichen und gebührenrechtlichen Gesichtspunkten muss ihm jedoch mit Vorbehalt begegnet werden.

Das aktuelle Urteil des LG Lübeck reiht sich ein in eine Reihe von meist unterinstanzlichen, aus Sicht des Verfassers gebührenrechtlich fehlerhaft begründeten Entscheidungen anderer Gerichte. Diese nehmen bei der Bestätigung der Wirksamkeit von Vereinbarungen gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ Bezug zu besonderer Qualität und Präzision der Behandlung, einer besonderen Qualifikation des Zahnarztes oder wie vorliegend unmittelbar zu den Kriterien des § 5 Abs. 2 GOZ.

Vereinbarungen gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ werden aber von der allgemeinen Begründungspflicht in § 5 Abs. 2 GOZ gerade nicht erfasst (OLG Köln Az.: 9 U 39/19 vom 14.01. 2020, ebenso OLG Nürnberg Az.: 8 U 861/17 vom 30.11.2020).

Das Bundesverfassungsgericht (Az.: BvR 1437/02 vom 25.10.2004) hat dazu ausgeführt, dass bei Beachtung der Formvorschriften und der Regeln beim Zustandekommen der Vereinbarung die Vereinbarung „dem Gesetzeswortlaut nach materiell an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft“ ist.

Die auch im Urteil des LG Lübeck ersichtliche Gefahr besteht darin, dass Versicherungsunternehmen privatversicherungstarifliche Regelungen schaffen, die auf Umwegen die Bestimmungen der amtlichen GOZ umgehen, indem über den Versicherungsvertrag zumindest mittelbar eine generelle Begründungspflicht zu Vereinbarungen gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ implementiert wird. Ein Zahnarzt sähe sich unter Umständen auf Wunsch des zur Zahlung Verpflichteten gezwungen, Begründungen für bereits vereinbarte Gebühren zu formulieren, um eine höhere Erstattung zu ermöglichen.

In Konsequenz würden derartige Anforderungen darüber hinaus den „durchschnittlichen“ Zahnarzt der letzten Möglichkeit berauben, die aus rein wirtschaftlicher Sicht zwingend nötige und angemessene Vergütung für „durchschnittliche“ Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ rechtswirksam zu vereinbaren. Der Wortlaut der GOZ gestattet eine derart beschränkende Auslegung nicht.