Steter Streit seit Jahren um Material- und Laborkosten

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Einwände der Kostenerstatter gegen Material- und Laborkosten stehen an dritter Stelle im gesamten privaten Erstattungsgeschehen und machten 10,4% aller Einwände im Jahr 2019 aus. Die Gründe, die von unwilligen Erstattern vorgetragen werden, sind vielfältig. Es werden in der Statistik 2019 der ZA- Zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft AG knapp über 50 unterschiedliche Sachverhalte beobachtet, die häufiger Widerspruch erfahren.  Es wird zum „richtigen bzw. falschen“ Ansatz einzelner Positionen dem Grunde nach argumentiert, aber auch gezielt zur Höhe von Einzelleistungen. Genereller Widerspruch gegen den finalen Rechnungsbetrag ist nicht so besonders häufig.

Einwände zu Material- und Laborkosten und zur Höhe dieser Kosten sind in der folgenden Tabelle Nr. 4 nach Themenkomplexen und Häufigkeit aufgelistet:

 

Einwände zu Material- und Laborkosten und Höhe der Kosten in 2019
Berechnung im zahnärztlichen Eigen- und im Fremdlabor

  1. Desinfektion Abdruck, Werkstück, Prothese: 29,5 %
  2. Mat.-Lab. zu hoch, angeblich BEL zutreffend: 21,4 %
  3. Tarif, Sachkostenliste, Kalkulation 67,50 €/Std.: 20,5 %
  4. M + L falsch, abgegolten, in Gebühr enthalten: 16,5 %
  5. Mat.-Lab. für Provisorien 2270, 5120, 5140: 15,7 %

©2020 Die ZA, Tab. 4

 

Desinfektion von Abformungen, Werkstücken und Prothesen 

Hier kommt ständig Widerspruch der Erstatter, die behaupten, dass Desinfektion zu den Grundvoraussetzungen für ordnungskonforme Praxisführung gehöre. Dagegen gibt es eigentlich auch keinen Einwand. Aber Desinfektionsmaßnahmen in der zahnmedizinischen Praxis sind gemäß § 4 (3) GOZ abgegolten, sei es Abgeltung jeglicher Materialberechnung für derartige Maßnahmen als „Sprechstundenbedarf“, sei es Abgeltung jeglicher Gebühr für Praxistätigkeiten zwecks Desinfektion. 

Festzuhalten ist, dass die – noch praxisinterne - Ausgangsdesinfektion von Abdrücken, Werkstücken oder Prothesen abgegolten ist. Es folgt dann die Laboreingangsdesinfektion, die sich hinterher auf der Laborrechnung wiederfindet.

Zwei Desinfektionen innerhalb relativ kurzer Zeit (1-3 Std.), eine praxisintern, eine laborintern? – Erstatter: Da reicht doch die abgegoltene Desinfektion in der Praxis? – Nein: Desinfektion ist keine Sterilisation. Die ist bei Abdrücken etc. technisch nicht möglich. Das bedeutet, es gibt immer Restkeime und die wachsen und vermehren sich und erhöhen ihr Infektionspotential  je nach Art der Zwischenlagerung sehr rasch.

Es folgt später eine Laborausgangsdesinfektion, die wiederum zeitlich gefolgt ist von der Praxiseingangsdesinfektion – abgegolten aber dokumentiert.

Desinfektion verursacht Kosten in Praxis und Labor 

Laborinterne nötige Desinfektionsvorgänge werden je einzelner Vorgang berechnet (z.B. nach BEB-Nr. 0732). Das ist transparent und aufwandkonform. Nicht aufwandgerecht ist - statt Einzelvorgangsberechnung - das Erhöhung der Laborpreise durch Einrechnen der durchschnittlichen Desinfektionskosten je Auftrag. Diese Kalkulationsweise wird allerdings durch die vielen Einsprüche der Erstatter gegen Einzelberechnung gefördert. 

Stellungnahme DGZMK zur Desinfektion 

Die Notwendigkeit zur Desinfektion von Abdrücken ergibt sich nicht allein durch die aktuelle Bedeutung des HI-Virus als vielmehr daraus, dass grundsätzlich Keimverschleppungen vermieden werden müssen. Viele Keime werden bereits durch das Abspülen des Abdruckes unter fließendem Wasser weggeschwemmt. Trotzdem bleibt doch noch eine ganze Reihe pathogener Keime lebens- und vermehrungsfähig, so dass aus hygienischen Gründen eine Desinfektion routinemäßig durchzuführen ist.

 

Weitere Plätze der Tabelle 4:

6.    Farbnahme durch Techniker nicht notwendig: 12,7 %
7.    Labor-Scan / M+L Foto-  / Videodoku. / Wax-up: 7,9 %

 

 

Material- und Laborkosten zu hoch: BEL zutreffend 

Der Paragraf 9 der Gebührenordnung für Zahnärzte sagt, dass die „tatsächlich entstanden“ „angemessen“ Kosten für zahntechnische Leistungen dem Patienten/Zahlungspflichtigen berechnet werden können.

Leistungsmäßig tatsächlich entstanden sind Material- und Laborkosten, wenn auftragsgemäße Fertigung erfolgt ist, das Werkstück vom Zahnarzt geprüft und abgenommen wurde, eine spezifizierte Laborrechnung auf  Basis einer vereinbarten Laborpreisliste oder einer Einzelfallkalkulation erstellt wurde und die Rechnung auf Konformität mit der Preisliste bzw. Kalkulation geprüft wurde, sowie auf Einhaltung der formalen Vorgaben des § 9 (2) GOZ.   

Angemessen sind Kosten für zahntechnische Leistungen, wenn sie den vom Zahnarzt in Auftrag gegebenen Anforderungen entsprechen. Angemessene Material- und Laborkosten werden gemessen an dem Aufwand, der Präzision und im Resultat dem Niveau der zahnärztlichen Versorgungsleistung. Bei zutreffender Angemessenheit besteht Äquivalenz zwischen zahnärztlicher und zahntechnischer Leistung

 

Die Behauptung, auch für privatvertragliche Zahnmedizin sei die BEL-II-Laborkostenliste zutreffend, verträgt sich mit § 9 der GOZ „tatsächlich entstanden“ und „angemessen“ nicht. 

Die BEL-Liste bietet nur einen Ausschnitt von Laborleistungen für ein begrenztes Angebot von GKV-Versorgungsleistungen zum Versorgungsstand „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“.

Zahlreiche einschlägigen Urteile auf OLG- bzw. OVG-Ebene hatten bereits vor der GOZ-Novellierung 2012  - und auch danach entschieden, dass Material- und Laborkostenberechnung nicht nach der GKV-Liste „BEL II“ erfolgen muss.

 

Einwände der Erstatter gegen Material- und Laborkosten erscheinen oft sehr „kleinteilig“ und sind spezieller „Tunierplatz“ von wenigen Versicherungsgesellschaften, wie z.B. der H-Gesellschaft, die Patienten anlässlich eines vorgelegten HKP für Zahnersatz dazu veranlassen will, das versicherungsnahe Kassenlabor zu beauftragen und/oder die Praxis zu wechseln. 

Aus dem Rahmen fällt auch die B-Gesellschaft mit ihrem seit 10 Jahren unveränderten und  irrealen Zahntechniker-Stundensatz in Höhe von 67,50 €, zu dem hochstehende Zahntechnik in Deutschland kaum gefertigt werden kann. 

 

Material-  und Laborkosten für Provisorien

Das wird in Zukunft ein immer dringenderes Problem: Bei vielen Gebührenziffern wird der Gebührenrahmen nicht mehr ausreichen für den Durchschnittsfall. Die provisorische Krone ist dafür ein besonderes Beispiel:  

Die unvollständige Leistungsbeschreibung „Provisorium je Zahn oder Implantat“ soll eine zahnärztliche Behandlungsmaßnahme beschreiben, welche die Eingliederung einer festen, individuell angefertigten provisorischen Kavitäten- und/oder Zahnversorgung zum Inhalt hat, alternativ die Eingliederung einer provisorischen Krone auf einem Implantat-Abutment.

Die nähere Beschreibung „im direkten Verfahren“ soll sowohl die Versorgung unmittelbar im Anschluss an eine Präparation definieren, als auch Anfertigung ohne den Umweg über zahntechnische Modelle mit indirekter Provisorienherstellung.

Auch wenn die Eingliederung des Provisoriums und Versorgung des präparierten Zahnes in der Leistungsbeschreibung der Nr. 2270/5120 GOZ mit keiner Silbe erwähnt sind, müssen diese eigentlichen Kernleistungen wohl dem Leistungsinhalt zugerechnet werden. Die direkte intraorale Herstellung mit Abformung ist im Übrigen nicht die Kernleistung, allerdings eingeschlossen.

Die Formulierungen und Regelungen zu den „festsitzenden“ provisorischen Versorgungen sind unglücklich bis widersprüchlich. Und dass selbstverständlich Material- und Laborkosten gemäß § 9 GOZ für zahntechnisches Tätigwerden auch am direkt per Abformung intraoral hergestellten Provisorienrohling für Tiefziehmodell, Zahnaufstellung, Formteil, Rohlingergänzungen (z.B. an Defekt-/ Dünnstellen etc.) ansatzfähig sind, ist dem Grunde nach eigentlich nicht bestreitbar. 

Aber wer selber auf seiner Rechnung deutlich und nachlesbar „Provisorium im direkten Verfahren mit Abformung, je Zahn oder Implantat …“ (2270 GOZ) oder „Provisorische Brücke im direkten Verfahren mit Abformung, je Zahn oder Implantat …“  (5120 GOZ) auswirft, dennoch Material- und Laborkosten für die zahntechnische Herstellung der Provisorien berechnet (mit Modell etc.), handelt unklug und darf sich nicht wundern über Einsprüche der Erstatter. 

Es werden in diesen Fällen tatsächlich Provisorien im indirekten Verfahren – eben nicht im „direkten“ Verfahren, u. A. dennoch mit Abformung (für Modelle) – hergestellt und eingegliedert, allerdings möglicherweise für eine geplante Tragedauer von weniger als drei Monaten. Dann werden die eben auf der Rechnung zutreffend als „Provisorien im indirekten Verfahren mit Abformung und Tragezeit unter 3 Monaten“ ausgewiesen. 

Bei diesen Überlegungen wird bereits stillschweigend hingenommen, dass die wirkliche Leistungsbeschreibungen der Nrn. 2270, 5120 und 5140 GOZ lauten müssten: „Eingliederung eines Provisoriums, hergestellt im direkten Verfahren …“, so aber im GOZ-Novellierungsverfahren nicht formuliert wurde.