DZW-Artikel – PKV-Verband bringt Stellungnahme zur aktuellen “Klassifikation, Leitlinie, Richtlinie und Behandlung der Parodontitis“ heraus.

Teilen:

Inhalt

Der PKV-Verband hat mit Datum 08. Februar 2022 eine Stellungnahme zur aktuellen “Klassifikation, Leitlinie, Richtlinie und Behandlung der Parodontitis“ herausgebracht.

 „Behandlung der Parodontitis“ meint bei arglosem Lesen die Behandlung der Parodontitis bei GKV-Patienten? Warum ist das nicht so klar formuliert, welches Klientel grundsätzlich angesprochen ist?

Frage: Doch nicht etwa deshalb, weil damit ein abweichendes Verständnis der Sachverhalte verursacht wird - und werden soll?

Und so liest man bereits im Fuß der ersten Seite mit Übernahme vieler GKV-Begriffe:

„Die Behandlungsempfehlungen der Leitlinie waren Anlass für die seit dem 1. Juli 2021 geltende neue Behandlungsrichtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontopathien (PAR Richtlinie) in der GKV. Mit dieser Richtlinie wurden Inkonsistenzen der gültigen Richtlinie beseitigt. Für den privatzahnärztlichen Bereich war diese Adaption nicht notwendig, da alle empfohlenen parodontalen Therapiemaßnahmen der S3-Leitlinie in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) seit der Novellierung im Jahr 2012 hinterlegt sind. Das gilt auch für die Behandlung der Periimplantitis, die in der GKV keine Berücksichtigung findet.

 

Dazu eine Kommentierung: Weil bereits 2012 bei der unvollständigen -, 24 Jahre völlig überalterten GOZ88 - mit großen Lücken und wenig Anpassung keine Gebühren, Leitlinien und Richtlinie“ zur Behandlung der Parodontitis hinterlegt worden waren, konnten und können diese auch nicht den aktuellen Stand der Parodontitis-Behandlung widerspiegeln.

Noch deutlicher:

Die völlig unzulängliche GOZ-Novellierung von 2012 – vor 10 Jahren - beinhaltete nicht schon damals alle zusätzlich berechnungsfähigen heutigen Privatleistungen. Das ist unlogisch, unsinnig und muss energisch zurückgewiesen werden, auch wenn diese Aktion der PKV unter der Überschrift propagiert wird:

 

Abbildung aller leitliniengerechten PAR-Maßnahmen in der GOZ ist gegeben: Sämtliche diagnostische und therapeutischen Maßnahmen in der geltenden GOZ sind dort originär abgebildet. Auch für Analogberechnung solcher Privatleistungen ist kein Raum.

 

Verkürzt: Dem GKV-Patient mit Zusatzversicherung soll wohl künftig keine PAR-Privatleistungen erstattet werden? - Behandlung nach BEMA? -

Blick über den Zaun:

Übernahme von Mundgesundheitsverantwortung z.B. mit „Professioneller Prothesendekontamination“

Ohne Intensivprophylaxe im höheren Alter bekommt eine Mehrheit von Senioren spezifische orale Probleme. Gewichtige Gründe dafür sind das veränderte Mundmilieu bei häufig zu geringem Speichelfluss (andauernde Mundtrockenheit), sind ein verändertes, resistentes Keimspektrum und oft auch nicht altersgerechter, schwierig handhabbarer und noch schwieriger pflegbarer Zahnersatz. Hier kommen dann ggf. „neue“ Verantwortlichkeiten auf die Praxis zu.  

Die „Messung der Speichelfließrate“ (Speichelmengenproduktion) entsprechend 3712 GOÄ (Ä3712) ist eine delegierbare Leistung, nicht aber Indikationsstellung und Diagnostik. Sinkt die Speichelfließrate unter den kritischen Wert von zwei Millilitern in zwei Minuten, ist das ein Signal zu besonderer Beobachtung, ggf. bereits zum Handeln (Anamnese, Untersuchung, Ursachenerforschung, Speichelanregung/-substitution). 

 

Speicheltests sind Eckleistungen in der Prophylaxe für Senioren

Sie sind ggf. von hoher Relevanz, insbesondere wenn weitere Erkrankungen und Medikation mit Nebenwirkung in Bezug auf Mundtrockenheit hinzukommen. Derartige Medikamente können z.B. sein: Antiallergika/ Antihistaminika, Antidepressiva, Parkinsonmittel, Betablocker, Analgetika oder Sedativa u. A. (siehe Packungsbeilagen oder spezielle Onlineregister). Für die Behandlung der Ursachen von Mundtrockenheit sind in aller Regel Ärzte zuständig, zur Milderung der Symptome und oralen Begleiterscheinungen können Zahnärzte beitragen. So könnte z. B. ein diesbezügliches spezielles Präventionsprogramm aussehen:

 

Ggf. Bestandteile eines Privaten Präventionsprogramms für „Senioren“

Auswahl möglicher Privatleistungen?

  • Anamnese plus klinische und ggf. apparative Untersuchungen (Ä4, Ä6, Ä5000)
  • (ergänzende) Beratung (Ä1, Ä3, Ä34),
  • Mundhygienestatus/ -remotivation (0030, 2x 0050, 1000,1010),
  • Erhebung von Parodontalindices (4005)
  • Untersuchung auf Vorliegen eines Parodontalbefundes „erkrankt/ nicht erkrankt“ 0010,
  • PSI-Erstellung oder andere Indiceserhebungen 4005,
  • Einzelröntgenaufnahmen Ä500, OPG Ä5004, 0070 Vitalitätsprüfung an Zähnen
  • Mundhygienestatus und Mundgesundheitsaufklärung, Zahnsteinentfernung  4050, 4055
  • Belagentfernungen 4060 je Zahn etc.
  • Erstellen und Dokumentation eines Parodontalstatus 4000 (1x oder 2x im Jahr)
  • ggf. Speicheltest (3712a, 3714a und 3715a GOÄ)
  • ggf. Speichelsubstitution bei entsprechender Speichelfließrate
  • Speichelanregung mit zuckerfreiem Kaugummi, häufiges Wassertrinken ohne Zucker/ CO²   
  • ggf. weitere labortechnische Untersuchungen (SM-/ LB-Test, Candida-Test etc.)
  • Entschärfen aller Kanten und Grate, Rekonturieren/ Aufpolieren der vorhandenen Füllungen (2130, 4030, 8010)
  • Übungen mit altersgerechten individuellen Bürstengriffen/ –formen, je nach Taktitilät/ Behinderung (6190)
  • Empfehlungen von und Umgang mit Fluoridzahnpaste, CHX-Spülmittel, Prothesenreiniger
  • regelmäßige CHX-Gelanwendungen in Trägerschiene (1030, ggf. FMD zzgl.)
  • Einüben des regelmäßigen häuslichen Einbürstens von Fluorid-Gel,
  • regelmäßige Fluoridbehandlung in der Praxis mit Langzeitlackierung (1020 GOZ) oder
  • hochdosierter CHX-Lackierung speziell der Zahnhälse und Interdentalräume (Analogleistung)
  • verkürzte Intervalle für „Professionelle Zahnreinigung - PZR“ (1040), z.B. je Quartal
  • ggf. Anwendung eines Kariesmanagement-Programms (Detektion, protektive Observation)
  • Einüben einer speziellen, gründlichen Zahnersatz-/Prothesenpflege mit adäquaten Hilfsmitteln plus zusätzliche Professionelle Prothesenreinigung/ -dekontamination (5260a) und ggf. antibakterielle Prothesenbehandlung (z.B. 5250a) etc.

 

Professionelle Prothesendekontamination ist notwendige Ergänzung

Die „professionelle Prothesenreinigung“ (präziser „Dekontamination) ist eine logische Folgeleistung einer „Full-mouth-Disinfection“, einer systematischen Reinigung aller Mundschleimhäute, meist mit Chlorhexidinpräparaten. Die Prothesenreinigung ist professionell, weil sie von Angehörigen der zahnmedizinischen Profession durchgeführt wird. Sie ist unverzichtbar, weil nach sorgfältiger zahnmedizinischer Dekontamination des Mundraums von gefährdenden intraoralen Bakterien - ohne gleichzeitige, wirksame Dekontamination der ggf. getragenen Prothesen (Schienen, Hilfsmitteln etc.) -, ausgehend von diesen, die rasche Keimwiederbesiedlung im gesamten Mundraum erfolgt. Ältere Prothesenkunststoffe sind ggf. durchseucht mit Bakterien und Pilzen; ein „Sauerstoff-Sprudeltablettenbad“ oder Zahnbürstenbearbeitung reicht da in keiner Weise. Gefragt ist systematische Weich- und insbesondere Hartbelagentfernung, bakterizid tiefenreinigendes Ultraschallbad, Glättung der Nischenräumen, sorgfältige Vollpolitur und ggf. Versiegelung der Kunststoffbasis/-sättel (analog 5270 GOZ,Teilunterfütterung). Es ist in derartigen Fällen sogar an vollständige Rebasierung oder auch Neuanfertigung zu denken.

Candidabesiedlung von Prothesen
„Sowohl bei Teil- als auch bei Vollprothesenträgern ist eine Prothesenstomatitis keine Seltenheit, das Vorkommen liegt im Schnitt bei ca. 40 Prozent. Eine mikrobiologische Untersuchung zeigt dann häufig einen starken Befall durch unterschiedliche Candida-Arten. Die Ausräumung des Sprosspilzes kann sich als schwierig erweisen. Dessen Pseudohy­phen können nämlich auch den Kunststoff der Prothese durchsetzen und sind da durch konventionelle Reinigung nicht zu eliminieren. Auch bei intraoraler me­chanischer Dekontamination verbleiben Sprosspilze im Kunststoff, besiedeln beim Tragen des Ersatzes umgehend wieder die Nachbarstrukturen und induzieren von dort eine Reinfektion. Bei rezidivierender schwerer Candidiasis muss in solchen Fällen die Prothese erneuert werden.“

Zitate aus “Prävention: Mundgesundheit im Alter“ Eder Ch. DZW 07/2017, S. 10 (Nachdruck aus „Zahn.Medizin.Technik“ Wien, Ausg. 12/2016)

Ermöglichung der Prothesenpflege

Eine recht spezielle Prohylaxe stellt bei alten, u.U. mit den Händen nicht mehr so geschickten Prothesenträgern die Verbesserung der Prothesengängigkeit, -verankerung und -lösbarkeit dar, welche die Durchführung effektiver und regelmäßiger Mundhygienemaßnahmen fördern.

Dazu bedarf es besonderer Beratungen, Übungen und ggf. Grifftechniken. Nicht selten ist auch Ausstattung des Zahnersatzes mit gut zu ertastenden, „griffigen“ Vorrichtungen im Zentrum der Prothese vestibulär links und rechts erforderlich, z.B. als fingernagelbreite, in Fingernagelstärke abstehende Drahtbügel nach 5250 GOZ.

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER & Tanja Kästner