Nr. 7070 GOZ

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Die Nr. 7070 GOZ wird fehlerhaft gelesen und abwegig interpretiert

Da kommt wieder einmal die Postbeamtenkrankenkasse im vorprogrammierten Nichterstattungsmodus daher und verdreht einfache zahnmedizinische Sachverhalte in Verweigerungsargumente für einen Widerspruchbescheid. Klar, Widerspruchsbescheide enthalten und erhalten wenig Zuspruch. Die hier vorgebrachten Argumente sind allerdings wenig plausibel und darüber hinaus in manchen Aspekten grob fehlerhaft.

Das geht so:

Die in der Rechnung angesetzte GOZ-Nr. 2197 ist gemäß der Beihilfeverordnung (BBhV) nicht beihilfefähig. Nach der BBhV sind grundsätzlich nur notwendige Aufwendungen beihilfefähig. Das sind grundsätzlich Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte entsprechen.“

Hierzu ist anzumerken, dass zwar die einzelnen Worte dieser Mitteilung Inhalt haben und ggf. einen Sinn ergeben, im Zusammenwirken untereinander allerdings wenig:

Nur wenn Leistungen innerhalb des Gebührenrahmens der GOZ angesetzt werden, sollen sie notwendig sein?
Der Gebührenrahmen zu den Nrn. 7070 und 2197 ist mit 1- bis 3,5-fach in der Gebührenordnung in § 5 (1) GOZ festgelegt. Innerhalb dieses Rahmens alles notwendig?

Das wäre ja mal ein Fortschritt!

Aber der Bescheid verkündet weitere Feststellungen, die noch erstaunlicher sind:

Nach § 4 (2) GOZ kann der Zahnarzt Gebühren nur für selbständige zahnärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Zahnarzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet.“  

Jetzt kommt Post eigener Text mit Sinnverlust  in Bezug auf  § 4 (2) GOZ:

Im Umkehrschluss daraus folgt, dass Leistungen, die nicht Bestandteil einer anderen Leistung sind, abrechenbar sind, soweit es sich um selbständige Leistungen handelt.“

Zutreffend ist jedoch, dass selbständige Leistungen nie Bestandteil oder besondere Ausführung einer anderen Leistung und insoweit stets abrechenbar sind, wenn sie erbracht werden.

Keine Nr. 2197 neben Nrn. 7070 GOZ?

Weiter: „Die GOZ-Nr. 2197 kam in regio 33-43 neben der GOZ-Nr. 7070 zum Ansatz.

Ziel der Leistung nach der GOZ-Nr. 7070 (semipermanente Schiene unter Anwendung der Ätztechnik, je Interdentalraum) ist die Versorgung der Zähne mit einer semipermanenten Schiene unter Anwendung der Ätztechnik.“ – Doppelt richtig, aber wichtig? -

„Im Zusammenhang mit dem Befestigen der semipermanenten Schiene stellt die Ätztechnik einen methodisch notwendigen Teilarbeitsschritt der sogenannten Adhäsivtechnik dar.“ -

Das ist unzutreffend: Nicht methodisch notwendig! Anstelle der Ätztechnik kann - an sich allseits bekannt – auch Laserablation, Rauschleifen, Partikelstrahlen verwendet werden! Damit fällt die Auslegung des Leistungstextes der Nr. 7070 GOZ in sich zusammen. Sie ist falsch und alles was jetzt noch daraus abgeleitet wird, ist grundfalsch. Und von Adhäsivtechnik ist in der GOZ im Zusammenhang mit Nr. 7070 nirgendwo die Rede.

Unkenntnis und Nichtwissen sind offenkundig

Zitat Post: „Die Ätztechnik erzielt nicht den gewünschten medizinischen Zweck, wenn nicht nach ihrer Anwendung ein dünnfließender Kunststoff (Haftvermittler) zum Einsatz kommt, der in die aufgerauten Strukturen des mit Säure vorbehandelten Zahnes eindringt und nach Lichthärtung einen mikromechanischen Verbund zum Zahn eingeht.“

Dieser Satz ist irreleitend und unvollständig:

  • Anwendung der Ätztechnik kann ohne weiteres ersetzt werden durch andere mikroretentiv Oberflächen verändernde Methoden (Laser, Schleifen, Abstrahlen). Man hat für diesen Vorgang seit dem Jahr 2012 (GOZ-Novellierung) den Sammelbegriff „Konditionieren“.
  • Es ist zutreffend, dass ein dünnfließender Kunststoff  (Haftvermittler), Fachbegriff „Bondingmaterial“ (Bond) - durch den Zahnarzt gezielt aufgebracht - zum Einsatz kommt, der in die aufgerauten Strukturen des konditionierten Zahnes eindringt und nach Verblasen und  Lichthärtung einen mikromechanischen Verbund zum Zahn eingeht.

Und damit wäre gar nichts - außer Unsinniges - erreicht, wenn man an diesem Punkt die zahnärztliche Tätigkeit nach Nr. 7070 GOZ als vollständig erklären würde, wie der folgende Text der Post darlegt. Wer so etwas behauptet, hat keine Ahnung von den zahnmedizinischen  Inhalten der Leistung nach 7070 GOZ: Nicht der Haftvermittler schient Zähne, sondern ein anschließend interdental, in den Zahnzwischenraum sorgfältig eingebrachtes und ggf. modelliertes Adhäsivkomposit, ein spezieller Kunststoff.

Nicht die Anwendung der Ätztechnik schient und auch nicht die anschließende Anwendung eines Haftvermittlers schafft eine sich gegenseitig schienende adhäsive Befestigung (nach Nr. 2197 GOZ) von benachbarten Unterkieferfrontzähnen. – Wenn der Sachbearbeiter in der Widerspruchsstelle der Post die eigentliche Tätigkeit des Zahnarztes so wenig kennt, dann sollte man wenigstens das erfolgte fachliche Dozieren unterlassen und insbesondere auf derartiger Basis nicht einen formellen Widerspruchbescheid erlassen.

Fachliches Unverständnis ist keine Basis für Rechtsentscheidungen

Der Widerspruchstext geht nämlich noch weiter: „Für die zusätzliche Berechnung der GOZ-Nr. 2197 (adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.) fehlt somit die Grundlage, da der Leistungsinhalt schon mit der GOZ-Nr. 7070 abgegolten ist.“

Im originalen Leistungstext der Nr. 7070 GOZ, unverändert seit 1987 beschrieben und unverändert mit 11,64 € durchschnittlich ausgestattet, ist Anwendung der Adhäsivtechnik und adhäsive Befestigung mit keinem Wort erwähnt. Dazu kann dann nur noch energisch auf § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ hingewiesen werden, der geeignet ist, sämtliche hier vorgetragene Texterfindungen zu widerlegen (Zitat):

Eine Leistung ist methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist.“

  1. Die angeführte „Ätztechnik“ umfasst nachlesbar keine „adhäsive Befestigung“ durch einen Zahnarzt, denn diese ist im Leistungstext nicht erwähnt.
  2. Die Bewertung der Nr. 7070 GOZ ist völlig unverändert seit 1987 – seit 33 Jahren – und berücksichtigt daher logischerweise die erst seit 2012 neu in der GOZ aufgenommene Gebührenleistung nach Nr. 2197 auf keinen Fall:
  3. Die Leistung nach der Nummer 2197 gilt - seit 2012 - den Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung ab, sagen die amtlichen Begründungen zur GOZ-Novelle.

 

Übrigens wäre die bei Nr. 7070 GOZ schon seit 1987 so angeführte „Anwendung der Ätztechnik“ bei sorgfältiger Novellierung 2012 nun  „Anwendung der Konditionierung“ und die Schiene hieße zutreffend „semipermanente Schienung in Adhäsivtechnik“?

 

Anwendung der Säureätztechnik ist spezielle Form des Konditionierens

Nun wird der Widerspruch der Post immer phantasievoller und behauptet: „Hinzu kommt, dass die Säureätztechnik in der GOZ 2197 als methodisch notwendiger Leistungsbestandteil der Adhäsivtechnik beschrieben und bewertet ist und sich die Leistungsinhalte mit der GOZ-Nr. 7070 überschneiden.“

Das ist nun argumentativer Handstand: Säureätztechnik ist keineswegs in der GOZ-Nr. 2197 „adhäsive Befestigung“ als methodisch notwendiger Leistungsbestandteil der Adhäsivtechnik beschrieben. Bei der Nr. 2197 GOZ ist die Säureätztechnik überhaupt nicht erwähnt, davon ist dort keine Rede! Und dass sie ein methodisch notwendiger Bestandteil der Adhäsivtechnik sei, ist dort ebenfalls nicht beschrieben – Erinnerung: Alternative ohne Ätzen ist Laser-, Abstrahl- oder Schleifaufrauung.

„Anwendung der Säure-Ätztechnik“ ist eine spezielle Art des Konditionierens (mikroretentive Vorbedingung für eine adhäsive Befestigung schaffen). Lediglich „Konditionieren“ wird in den Leistungstexten zu den Nr. 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ (Kompositrestaurationen) genannt. Der Begriff „Säureätztechnik“ taucht in der gesamten amtlichen Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) überhaupt nicht auf.

Leistungsinhalte der Nrn. 2197 überschneiden sich nicht mit denen der Nr. 7070 GOZ - oder überschneiden sich vermutlich nur für den, der von den tatsächlichen Teilschritten in den beiden Gebührennummern zu wenig Ahnung hat.

Der unverbesserlich uneinsichtige Schlusssatz der Post: „Eine Leistung ist Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der Zielleistung umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist (vgl. § 4 Abs. 2 GOZ).

Antwort und Fazit

  1. Die Leistung nach Nr. 2197 „adhäsive Befestigung“ ist nicht Bestandteil einer anderen Leistung, auch nicht der Nr. 7070 GOZ „Schiene mit Ätztechnik“.
  2. Die Nr. 2197 ist inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der Zielleistung nach 7070 GOZ nicht umfasst; von „adhäsiver Befestigung“ ist bei Nr. 7070 GOZ keine Rede.
  3. Die Nr. 2197 ist auch in der Bewertung der Nr. 7070 nicht berücksichtigt worden: Die unveränderte Bewertung der Nr. 7070 stammt aus dem Jahr 1987. Die Nr. 2197 ist erst 2012 in die GOZ aufgenommen worden.

Kennt die Post besondere Kanäle, wie eine zukünftige Leistung bereits vor 25 Jahren in der Bewertung einer anderen Leistung spurlos berücksichtigt wurde?

Der Widerspruchbescheid der Post widerspricht sich selber in eklatanter Weise und ist ein großes Ärgernis.

© Dr. Peter H. G. Esser