Nachbehandlung und Wundkontrolle

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Inhalt

Kann neben der Nachbehandlung nach der Geb.-Nr. 3300 GOZ die Geb.-Nr. 3290 GOZ für die Wundkontrolle in Ansatz gebracht werden?

Bei dieser relativ neuen Streitfrage vertrat der Vorsitzende des GOZ-Ausschusses der Bundeszahnärztekammer Dr. Wolfgang Menke die seit März 2017 beschlossene Änderung der BZÄK-Kommentierung, eine Änderung ins Gegenteil der zuvor über fünf Jahre vertretenen Auffassung – ohne veröffentlichte Begründung für diesen radikalen Schwenk.

Herr Dr. Dr. Alexander Raff, Kammervorstandsmitglied Baden-Württemberg und zahnärztlicher Kommentator im Werk „Liebold/Raff/Wissing“ vertrat die Antithese: Die Nebeneinanderberechnung der Nr. 3290 GOZ (Nachkontrolle) ist als obligater Bestandteil der Nr. 3300 GOZ (Nachbehandlung) gemäß § 4 Abs. 2 GOZ nicht möglich.

Inhalt der Leistung 3290 GOZ

Die Leistungsbeschreibung lautet: „Kontrolle nach chirurgischem Eingriff, als selbstständige Leistung, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich“. Sie ist durchschnittlich mit 7,11 € bewertet, also adäquat für einen Aufwand von ca. 1,5 Minuten zahnärztlicher Zeit.

Das ist in der Regel eine ausreichende Zeit zur Erbringung des Leistungsinhaltes: Die lokale visuelle Kontrolle der Nr. 3290 ist eine klinische Kurzuntersuchung einer Wunde. Diese spezielle klinische Kurzuntersuchung ist nicht mit einer anderen sitzungsgleichen allgemeinen Untersuchung – z. B. Ä5, 0010 GOZ – abgegolten. Sie ist im Leistungsverzeichnis der GOZ eigenständig enthalten.

Die befürwortenden Thesen

Menke als Befürworter der Nebeneinanderberechnung sagte: „Der Begriff ‚selbstständige Leistung‘ soll lediglich eine Doppelberechnung nach § 4 Abs. 2 GOZ verhindern. Der korrekte Ausschluss der Doppelberechnung wäre mit der Abrechnungsbestimmung oder mit dem Begriff ‚alleinige (chirurgische) Leistung‘ zu kennzeichnen gewesen.“ Dann folgt das Kernargument: „Nach Abschluss der Wundkontrolle und der Entscheidung über das weitere Vorgehen ist die selbstständige Leistung vollständig erbracht und abgeschlossen.“

Zur Erläuterung der Bedeutung des Hauptarguments wäre zu ergänzen: Somit ist die Wundkontrolle eine fakultative Leistung, die nicht zwangsläufig einer Wundnachbehandlung vorausgeht, somit nicht darin eingeschlossen sein kann. 

Die Befürworter der Nebeneinanderberechnung argumentieren, dass erst nach Abschluss der Wundkontrolle (3290) die Indikationsstellung für eine Nachbehandlung (3300) erfolgen kann. Die 3290 sei daher quasi immer eine selbstständige Leistung.

Ein zweites Argument der befürwortenden Seite:

  • Bei der GOZ Nr. 3290 ist kein Ausschluss der Nebeneinanderberechnung zu GOZ Nr. 3300 erwähnt.
  • In den dezidierten Abrechnungsbestimmungen der GOZ Nr. 3300 mit Ausschluss mehrerer Leistungen wird die GOZ-Nr. 3290 nicht ausgeschlossen.
  • Schon vom Wortlaut her ist daher eine Nebeneinanderberechnung möglich.
  • Der Unterschied in der Bewertung mit einem Punktzahlunterschied von 10 Punkten ist zu gering für die deutlich aufwändigere Nachbehandlung mit ggf. Instrumenteneinsatz gegenüber der bloßen Sichtkontrolle.
  • Die Durchführung einer Nachbehandlung kann erst nach Kontrolle und Entscheidung des Bedarfs einer Nachbehandlung erfolgen.
  • Allein die getrennte Aufführung der Kontrollposition nach GOZ Nr. 3290 deutet auf eine getrennte Berechnungsmöglichkeit hin.

Speziell da könnte man zu bedenken geben: Ja, aber nur dann einmal in einer Kieferhälfte, wenn 3290 GOZ nicht „wund- bzw. wundlappengleich“ mit 3300, 3310 GOZ erfolgt.

Antithese

Raff vertrat kurz und knapp die gegenteilige Meinung und sagte:

Völlig unstrittig ist,

  • die GOZ-Nr. 3290 kann nicht nur „alleinig“ berechnet werden,
  • sie erfolgt häufig neben Untersuchungen, Beratungen, fortgesetzter Behandlung (z. B. GOZ-Nr. 9050),
  • nur nicht neben Leistungen, wo sie bereits inbegriffen ist

(also nicht in wundschaffender OP-Sitzung, nicht neben Wundmanipulationen als selbstständige Leistung, z. B. GOZ-Nummern 3300, 3310).

Er stellte die Frage: „Bedeutet kein expliziter Ausschluss der Nebeneinanderberechnung gleichzeitig und automatisch, dass es sinnhaft ist, nebeneinander zu berechnen? Ist alles, was nicht verboten ist, automatisch erlaubt?“

Dass die Wundkontrolle (GOZ-Nr. 3290) im Leistungstext der GOZ-Nummern 3300, 3310 nicht erwähnt ist, ist selbstverständlich. Selbstverständliches wird nicht expressis verbis formuliert. Das Nichtausformulieren kann nicht so interpretiert werden, dass es nicht zwingende Voraussetzung einer Nachbehandlung oder Wundrevision ist, die Wunde vorher zu kontrollieren.

Sein Fazit

„Die Wundkontrolle stellt im Rahmen einer Wundmanipulation eine unselbstständige Teilleistung dar und kann gemäß § 4 Abs. 2 wegen Doppelberechnung nicht gesondert neben den GOZ-Nummern 3300, 3310 angesetzt werden.“

Antithese

Nachrangige Bedeutung

Diskussionen

Die Kontraposition erscheint gebührentechnisch logischer, da die Leistung „Nachbehandlung“ niemals ohne visuelle Kontrolle erfolgen kann, diese klinische Lokaluntersuchung also in der Behandlungsleistung unabweisbar enthalten sein muss.

Die Mehrheit der berufsständischen Fachkommentare lehnt die Nebeneinanderberechnung der Nummern 3290 und 3300 GOZ als eindeutigen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 GOZ in aller Deutlichkeit ab: Die Nummern 3290 und 3300 sind in lokalisationsgleicher Konstellation keine selbstständigen nachsorgerischen bzw. nachsorgenden Leistungen.

Das gilt ebenso, wenn 3290 GOZ und Ä2007 (Nähteentfernung) nebeneinander berechnet werden. In diesem Fall ist die 3290 GOZ auch keine selbstständige Leistung. Selbstständig ist die 3290 GOZ u. a. nur, wenn lokalisations- und sitzungsgleich keine weitere Leistung an derselben Wunde erfolgt.

Das Kernargument der Pro-Position – Wundkontrolle ist eine fakultativ indizierte Leistung, die nicht unbedingt einer Wundnachbehandlung vorausgeht – ist falsch. Natürlich kann die Wundkontrolle ohne Folgeleistung darin auch nicht enthalten sein.

Folgt jedoch eine Wundnachbehandlung, dann ist sie zwangsläufig erst nach Wundkontrolle möglich, denn „mit geschlossenen Augen“, ohne visuelle Inspektion, gefolgt von Diagnose- und Indikationsstellung, wäre Wundbehandlung in jeder Form ein Verstoß gegen die anerkannten Grundsätze der Zahn-/Medizin.

Die Nummern 3300 bzw. 3310 GOZ (Nachbehandlungen) enthalten zwangsläufig immer eine zumindest visuelle Kontrolle (Inspektion), ohne die Behandlungsnotwendigkeit nach 3300 bzw. 3310 GOZ gar nicht feststellbar wäre. Dann gilt aber der gebührentechnische Grundsatz, dass die umfassendere Leistung (3300/3310) die weniger umfangreiche, niedriger bewertete Teilleistung (hier 3290 GOZ „Kontrolle“) bereits enthält und mitvergütet.

Untermauerung der Antithese

a) GOZ-Kommentar der Zahnärztekammer Nordrhein (ZÄK NR, Stand: November 2017)
  • Nr. 3290 ist nicht neben den GOZ-Nummern 3300 oder 3310 berechnungsfähig.
  • Die GOZ-Nr. 3290 kann nicht zusammen mit der GOÄ-Nr. 2007 berechnet werden.
  • Das Entfernen von Fäden ist Leistungsbestandteil der Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff und ist über die GOZ-Nr. 3300 berechnungsfähig.
b) Amtliche Begründungen von Bundesregierung/Bundesrat

„Die in der Beschreibung der Leistung nach der Nummer 3290 enthaltene Formulierung „als selbstständige Leistung“ bedeutet nicht, dass die Kontrolle nur als einzige Leistung berechnet werden kann. Ausgeschlossen ist die gesonderte Berechnung dann, wenn die Kontrolle als unselbstständige Teilleistung einer in gleicher Sitzung anfallenden anderen, umfassenderen Leistung anzusehen ist.“

Umfassendere Leistungen sind u. a. die nach den Nummern 3300 und 3310 GOZ.

Erwähnenswert ist, dass eine knappe Mehrheit der Teilnehmer lieber die Nebeneinanderberechnung gestützt gesehen hätte und sie wohl weiter praktizieren möchte.

© Dr. Peter H. G. Esser

 

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