DZW-Artikel – In 2020 etwas weniger Streit um Funktionsdiagnostik/-therapie

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Inhalt

Zu den ersten sieben Streitthemen des Jahres 2020 gibt es möglichst patientenverständliche Info-Kurztexte mit Erklärungen dieser Streitpunkte und einer Beurteilung der Streitinhalte.

Ablehnung der Erstattung von Funktionsanalyse und -therapie (FAL/FTL) und flankierenden Analogleistungen erfolgt selbst bei primärer oder alleiniger Erkrankungsbehandlung (Funktionstherapie) in über 50% aller monierten Fälle mit der wenig konkreten Angabe, die Berechnung sei falsch bzw. zu hoch, am häufigsten aber ohne Nennung irgendeines Grundes. 

Tabelle 1: Die häufigsten Erstattungseinwände bei Funktionsdiagnostik/-therapie

Anmerkungen zu Erstattungseinwänden
a) Nach wie vor wird bei einem Anteil von 29% der Einwände eine gebührentechnisch nicht existente „Notwendigkeitsbescheinigung“ für FAL/FTL verlangt. Sie zu erstellen erfordert Eingangsdiagnostik auf Basis spezieller Kurzuntersuchung und Abfassung einer schriftlichen Äußerung. Die könnte folgerichtig als „schriftliche gutachterliche Äußerung“ gemäß Ziffer 80 GOÄ gesehen werden.
b) Wieder fast 50% der Einwände von Erstattern richten sich gegen die von Ihnen vermutete Indikation für FAL/FTL. Es sind immer noch zu viele Erstatter, die nicht daran denken (wollen), dass mit den GOZ-Nrn. 8010-8100 meist Behandlung eines eigenständigen, selbständigen Krankheitsfalles erfolgt oder dem konkret drohenden Eintritt eines derartigen Falles wirksam vorgebeugt werden soll.
Es erfolgt also keine Funktionstherapie zu einer Kronenversorgung etc., manchmal klugerweise vor, oder neben einer solchen.

7. Infoblatt zur Berechnung/ Erstattung der Funktionsdiagnostik/-therapie (Stand 15.01.21) 

„Voranerkennungsverfahren“ bei der Beihilfe ?

Es wird zur Inanspruchnahme eines Beihilfe-„Voranerkennungsverfahrens“ geraten. Der Name klingt gut, ist es aber nicht: Es ist in Wirklichkeit ein komplettes, meist partielles „Aberkennungsverfahren“. Aber die Erstattungsstelle muss sich vor Behandlungsbeginn zur Sache äußern und festlegen.

Das „Voranerkennungsverfahren“ ist manchmal sogar mit höherer Erstattung verbunden und erfolgt durch Vorlage eines Heil- und Kostenplans und endet ggf. in einem Zuschussbescheid.

Häufig kommt es zu einem besonderer Streit durch ablauftechnisch und zahnmedizinisch erforderliche Trennung von Erstplanung und Weiterplanung: Zuerst ein HKP (Heil- und –Kostenplan) nach 0040 GOZ) zur geplanten Funktionsdiagnostik/-therapie. Den Erkenntnissen der Funktionsanalyse folgend kann ggf. erst dann in einem 2. HKP nach Nr. 0030 nötige Schienen- und Verhaltenstherapie sowie eine implantologische Versorgung geplant werden. Den Streit zu entscheiden (0040 vor 0030 GOZ in einer Folgesitzung) sind die Gerichte berufen.

Schauen wir doch mal auf die sog. „amtliche Begründungen“ und lassen sie für sich selber sprechen.

Amtliche Begründungen zu den Leistungen nach den Nummern 0030 und 0040:

Die Berechnungsbestimmung in der gültigen GOZ`12 zu den GOZ-Nrn. 0030 (Heil- und Kostenplan) und 0040 (KFO und/oder FAL/FTL Heil- und Kostenplan) lautet: „Die Leistungen nach den Nummern 0030 und 0040 sind nicht nebeneinander berechnungsfähig.“ Das bedeutet offenkundig, in derselben Sitzung ist die Berechnung der Nrn. 0030 und 0040 GOZ nicht möglich. Berechnungsfähig ist dann in einer Sitzung z.B. die Nr. 0040 und in einer späteren Sitzung z. B. nach Auswertung der FAL-Befunde könnte ggf. die Nr. 0030 für eine prothetische Versorgung anfallen. – Eindeutig ist auch, dass die Berechnungsbestimmung die Fallkonstellation von zwei Heil- und Kostenplänen z.B. nach 0030 GOZ in derselben Sitzung nicht erwähnt und nicht ausschließt. Es könnte sich z.B. um zwei verlangte alternative Planungen handeln. Die amtliche Begründung sagt dazu zum Teil etwas völlig Anderes, z.T. völlig Unverständliches (Zitat): „Die neu eingefügte Abrechnungsbestimmung schließt die Abrechnung von Heil- und Kostenplänen nach den Nummern 0030 und 0040 im gleichen Behandlungsfall nebeneinander aus. Für Behandlungsfälle, in denen aufgrund der komplexen Versorgung planerische Leistungen z.B. sowohl bezüglich der geplanten prothetischen als auch der funktionsanalytischen oder kieferorthopädischen Leistungen erforderlich sind, kann der im Einzelfall höhere Aufwand ggf. bei der Bemessung des Honorars innerhalb des Gebührenrahmen berücksichtigt werden.“

Was bedeutet das:

  • Auch in der Folgesitzung kein weiterer Heil- und Kostenplan (HKP) nach 0030 GOZ nach voran gegangenem HKP gemäß Nr. 0040 - im Behandlungsfall -.
  • Zwei Pläne in einer Sitzung (2x 0030 oder 2x 0040) wären auch gemäß amtlicher Begründung nicht ausgeschlossen.

Was ist grundsätzlich falsch?

In dieser amtlichen Begründung wird von Heil- und Kostenplänen "im gleichen (gemeint ist aber in demselben) Behandlungsfall" gesprochen. Der ist in der GOZ (Allgemeine Bestimmung zu Teil A.) mit einer Monatsfrist (30 Tage) präzisiert. Der gegenseitige Ausschluss von Heil- und Kostenplänen nach Nrn. 0030 und 0040 innerhalb einer Monatsfrist ist zahnmedizinisch zumindest unverständlich. Sollte tatsächlich statt "Behandlungsfall" der "Erkrankungsfall" gemeint sein, so wäre der Begriff zutreffender, aber es verschärft sich die dadurch verursachte Problematik, denn ein Erkrankungsfall kann mehrere Behandlungsfälle umfassen, also Monate dauern.

Eine Weiterplanung nach einer erfolgreich verwirklichten Erstplanung ist ein unabdingbares zahnmedizinisches Erfordernis und ohne Berechnungsmöglichkeit bis zur Vollsanierung (Ende desselben Krankheitsfalles) wäre das betriebswirtschaftlich nicht hinnehmbar.

Schlussfestellungen und -folgerungen

Eine amtlich Begründung, die den selben mit dem gleichen Behandlungsfall verwechselt, auch den Behandlungsfall mit dem Krankheitsfall (ggf. auch Versorgungsfall) verwechselt, dazu noch im offenkundigen Gegensatz zur offiziellen Berechnungsbestimmung steht, hat den Anspruch verwirkt, beachtenswert zu sein. Die eigentliche Berechnungsbestimmung im Leistungsverzeichnis der GOZ ist höherrangig und in diesem Fall primär beachtlich.

Leistungsinhalt der Nr. 8000 GOZ:

„Klinische Funktionsanalyse einschließlich Dokumentation“

Berechnungsbestimmung:

Die Leistung nach der Nr. 8000 umfasst auch folgende zahnärztliche Leistungen: prophylaktische, prothetische, parodontologische und okklusale Befunderhebung, funktionsdiagnostische Auswertung von Röntgenaufnahmen des Schädels und der Halswirbelsäule, klinische Reaktionstests (z. B. Resilienztest, Provokationstest)

Keine ,eingehende/vollständige Untersuchung‘ nach 0010 GOZ neben Funktionsanalyse

Die klinische Funktionsanalyse stellt eine spezielle Form der Untersuchung des Kauorgans als Funktionseinheit (stomatognathes System) dar. Eine "klinische" Befundung erfolgt mittels visueller Prüfung (Inspektion) funktioneller Befunde, Krankheitszeichen und Bewegungsabläufe im cranio-mandibulären Systems, ergänzt durch Tastbefunde (Palpation) der anatomischen Strukturen und ggf. vertieft durch Hörbefunde (Auskultation) von Gelenk- und Okklusionsgeräuschen.
Der klinischen Funktionsbefundung geht eine klinische Befunderhebung zum Mundhygiene- und Parodontalzustand, zur vorhandenen oder nötigen Versorgung mit Zahnersatz und insbesondere zum Zustand der Zähne voraus, alle mit speziellem Blick auf die funktionellen Zusammenhänge.

Hinzu kommt ggf. eine Auswertung von speziellen Röntgenaufnahmen mit Aussagefähigkeit zur Funktion des cranio-mandibulären Systems (z.B. Gelenkaufnahmen der Kiefer, der Halswirbelsäule) und ggf. der Provokationstest nach Krogh-Poulsen (Zubisstest, Schmerzauslösung in exzentrischer Okklusion) sowie der Resilienztest nach Geber Gelenkkompressionstest) und die Dokumentation dieser Befunde. Der Funktionsstatus ist eine statische Befundung. Es wird mittels klinischer Funktionsanalyse ggf. der Verdacht auf Vorliegen einer cranio-mandibulären Dysfunktion (CMD) untermauert oder nicht bestätigt.

Eine ‚Funktionsanalyse‘ führt die Einzelbefunde eines ‚Funktionsstatus‘ zusammen zu einer vorläufigen Diagnose, die zur Absicherung, Differenzierung oder Abgrenzung oft weitergehender Untersuchungen bedarf: Die spezielle "Funktionsanalyse" geht über eine allgemeine Untersuchung hinaus bzw. erfolgt ggf. nach Durchführung einer allgemeinen Untersuchung. Die "klinische Funktionsanalyse" ist eine in der Gebührenordnung beschriebene Spezialuntersuchung, deren Leistungsinhalt niemals von einer allgemeinen Untersuchung abgedeckt wird, also mit einer allgemeinen Untersuchung auch nicht abgegolten sein kann. Die Leistungsbeschreibung der Nr. 8000 GOZ geht davon aus, dass es sich um eine Eingangs- bzw. Erst- oder Zwischenuntersuchung handelt, die Basis für weitere spezielle Untersuchungen oder Therapieentscheidungen darstellt.

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER