GOZ-Beanstandungen - Halbjahresbericht

Teilen:

Inhalt

Bericht über das erste Halbjahr 2020

Beanstandet wurde von Kostenerstattern im ersten Halbjahr 2020 recht fleißig, sowohl im ersten wie im zweiten Quartal ohne auffällige Unterschiede. Die auf ein Jahr hochgerechneten

Halbjahreszahlen lassen auf eine um ca. 20% erhöhte Beanstandungsrate schließen? Allerdings könnte es sein, dass ein besonders intensives Prüf- und Beanstandungsgeschehen einer Minderauslastung in anderen Bereichen der PKV und der Beihilfe/ Post zu verdanken ist? Dann könnten sich die jahresbezogenen Zahlen normalisieren, d.h. dem  Stand von 2019 wieder annähern? 

Auf den ersten Blick ist aus der Jahresstatistik zu erkennen, dass die Themenkonzentration bezüglich der Berechnungseinwände noch weiter fortgeschritten ist. Mit den ersten fünf Streitpunkten sind nun im 1. Hlbj. 2020 etwas mehr als 63% aller Einwände angesprochen, mit den ersten zehn sind es fast 82%.

Es lohnt sich für den Rechnungsersteller, sein Augenmerk besonders auf die Sachverhalte mit über 5% Anteil am Gesamtaufkommen – das sind die „Top-Six“ - zu konzentrieren. Dann kann man ggf. „proaktiv“ tätig werden  - z.B. bereits vor Aufstellung oder bei der Übergabe von Heil- und Kostenplänen -, wenn diese besonders strittigen Sachverhalte anstehen.

Es handelt sich um drei Themen, die aus Regelungen der GOZ-Paragrafen (Analogie, Laborkosten und Begründen) entstehen und drei vordergründig aus dem Ansatz von besonderen Gebührenziffern (2197, 3240/Ä2675, 2390/ 2410 etc.). Da wird aber in  der Regel auch ein GOZ-Paragraf (§ 4 Abs. 2, Doppelberechnung) beim Versuch des Aushebelns des betreffenden Gebührenansatzes eingesetzt. Klar ist also, dass insbesondere genaue Kenntnisse zu § 6 Abs. 1 (Analogie), § 5 und § 10 (Bemessen, Begründen) sowie § 9 GOZ (zahntechnische Leistungen) von sehr hoher Bedeutung sind. 

1. Analogberechnung

Die geänderte Analogberechnung, im Jahr 2012 zunächst mit Erleichterung und dankbar aufgegriffen, weil sie einen Ausweg gegen die fortschreitende Überalterung der GOZ anzubieten schien, erweist sich - wieder mit deutlichem Anstieg der Zahlen, besonders gegenüber dem Jahr 2019  - immer noch als das Erstattungsärgernis ersten Ranges: Ein Großteil der Analogberechnungen wird permanent beanstandet und resistent nicht erstattet. Diesbezügliche Einwände begründen zzt. über 25% aller Erstattungsverweigerungen.  

Bei der Analogberechnung werden jedoch auch von zahnärztlicher Seite einige Fehler gemacht. Es ist dringend an der Zeit, sich zu dem Komplex verbesserte Kenntnisse zuzulegen, damit das Fortschrittsventil offen bleibt. 

Aber man muss sehr nachdenklich werden, wenn einerseits das GOZ-Beratungsforum von BZÄK, PKV und Beihilfeförmlich beschließt, Analogberechnung sei für die „Entfernung nekrotischen Pulpengewebes vor Kanalaufbereitung“ zutreffend  und nicht mit 2410 GOZ (Kanalaufbereitung) abgegolten, sofern derartige weiche Restsubstanz im Wurzelkanal vorhanden ist (Vorschlag PKV/Beihilfe: 2360a je Kanal). Jedoch die wesentlich aufwändigere Entfernung von hartem Zement o. Ä. „Wurzelfüllmaterial“ soll angeblich in der Kanalaufbereitung enthalten sein! Das ist offenkundiger Widersinn, weil dann u.U. keine Möglichkeit der subtraktiven Bearbeitung der Dentininnenwände besteht, solange Zement o.ä. Material den Kanalzugang versperrt und/oder  die Kanalinnenwände bedeckt: Präendodontisch nicht entfernbare Altfüllung verhindert u. U. die folgend geplante Wurzelkanalaufbereitung. Und gefährdet den Zahnerhalt! 

Analogieablehnung erfolgt in ca. 40% aller monierten Fälle mit der wenig konkreten Angabe, die Berechnung sei falsch bzw. zu hoch, am häufigsten aber ohne Nennung irgendeines Grundes.  

Die vorherige Aufklärung der Patienten über die Probleme bei der Analogberechnung etc. mittels eines verständlichen Infoblatts ist deshalb so wichtig, damit diese sich nicht „hinters Licht geführt“ fühlen.

2. Material- und Laborkosten

Beschwerden der Kostenerstatter zu Material- und Laborkosten, berechnet nach § 9 Abs. 2 GOZ, haben im 1. Hlbj. 20 gegenüber 2019 eigentlich wenig zugenommen. Doch rangiert der Sachverhalt in der Liste der Probleme nun auf dem zweiten Platz. Das Vorbringen zu Material- und Laborkosten ist vielfältig, Am häufigsten ist der Vorwurf, die Laborkosten seien unangemessen hoch oder falsch angesetzt, wie z.B. „Foto-/Videodokumentation“ für optisch-elektronische Modell-Scans. - „Zahntechnische Bearbeitung von Provisorien“, „Ein-/ Ausgangsdesinfektion Labor“ und das bewusste Verwechseln einer versicherungsinternen „Sachkosten-Erstattungsliste“ mit einer „Labor-Höchstpreisliste“ sorgen für ständigen Ärger.

3. Adhäsive Befestigung nach Nr. 2197 GOZ

Das unsägliche Trauerspiel, das sich bei jedem Ansatz der fehlinterpretierten Nr. 2197 GOZ immer wieder neu präsentiert, betrifft mittlerweile die gesamte Adhäsivtechnik bei jeglicher Anwendungsausprägung und behindert bereits Forschung und Innovationseinführung. 

Der Streit um diese Gebührennummer wird entweder vor dem Bundesgerichtshof mit einem Urteilspruch enden oder durch „Aussterben der 2197 GOZ“, da die steigende Zahl von Kompositen und Komposit-Hybriden in Form „selbstadhäsiver Materialien“ eine gesonderte zahnärztliche Leistung „adhäsive Befestigung“ (2197) gar nicht mehr erfordert? 

Eine adhäsive Befestigung mittels einer automatisch ablaufenden chemischen Reaktionskette stellt nämlich keine selbständig berechnungsfähige zahnärztliche Gebührenleistung dar. Die Nr. 2197 GOZ wird verschwinden oder neu definiert und kommentiert werden als „Mehraufwandvergütung“ bei jeder Anwendung von Adhäsivtechniken.  

Es muss zu der hoch umstrittenen GOZ-Einzelziffer Nr. 2197 erwähnt werden, dass selbst nach 8 Jahren Geltung der novellierten GOZ eigentlich nur bei der Kombination 6100 „KFO-Bracket“ mit „adhäsiver Befestigung“ nach 2197 GOZ relative Rechtsklarheit eingetreten ist. Doch auch hier gibt es gerade wieder zwei ablehnende OVG-Urteile aus Sachsen (siehe Online-Abrechnungslexikon www.alex-za.de, GOZ-Nr. 6100 - 7.0.1). 

 

Tabelle: Prozentuale Gegenüberstellung der Beanstandungsthemen 2019 zu 1. Hlbj. 2020

Beanstandungen Jahr 2019

1. Analogie: 20,7 %

2. Bemessen / Begründen: 14,0 %

3. Material - u. Laborkosten: 10,4 %

4. 2197 adhäsive Befestigung: 10,3 %

5. Wurzelkanalbehandlung: 4,9 %

6. FAL / FTL Indikation u. Durchführ.: 3,9 %

7. Notwendigkeit: 3,4 %

8. Schleimhautplastiken: 3,3 %

9. Röntgeneinwände, z.B. dig. Rö. : 3,2 %

10. Aufbauten /Aufbaufüllung: 3,2 %

11. Verbrauchsmaterial: 3,0 %

12. Untersuchungen Ä5, Ä6 etc.: 2,7 %

13. Beratungen nach GOÄ: 2,4 %

14. Oberfläch- / Infiltr.-Anästhesien: 1,7 %

15. Formalfehler Rechnungen: 1,7 %

16. Knochenreg./-management: 1,6 %

17. Provisorien 2270, 5120, 5140: 1,5 %

18. Füll., Restauration (ohne 2197): 1,4 %

19. 5170 indiv. Löffel / Remontage: 1,1 %

20. Beanstadung inexistent / irreal: 0,9 %

21. Unterlagenanforderung etc.: 0,8 %

22. GOZ-/GOÄ-Zuschlag falsch: 0,8 %

23. supragingiv. Belagentfern. / PZ: 0,7 %

24. Vereinbarungen n. § 2 (1,2): 0,6 %

25. Einwände Heil- und Kostenplan: 0,5 %

 

In 2019 sind die ersten 10 Plätze 77,5 %

die ersten 5 Plätze 60,4 %

 

Beanstandungen im ersten Halbjahr 2020

1. Analogie: 25,2 %

2. Material - u. Laborkosten: 10,6 %

3. 2197 adhäsive Befestigung: 10,4 %

4. Bemessen / Begründen: 10,3 %

5. Schleimhautplastiken: 6,9 %

6. Wurzelkanalbehandlung: 5,6 %

7. Knochenreg./-management: 3,6 %

8. FAL / FTL Indikation u. Durchführ.: 3,4 %

9. Aufbauten /Aufbaufüllung: 3,1 %

10. Röntgeneinwände, z.B. dig. Rö. : 2,9 %

11. Verbrauchsmaterial: 2,3 %

12. Unterlagenanforderung etc.: 2,0 %

13. Beratungen nach GOÄ: 1,8 %

14. Formalfehler Rechnungen: 1,8 %

15. Untersuchungen Ä5, Ä6 etc.: 1,7 %

16. Oberfläch- / Infiltr.-Anästhesien: 1,4 %

17. 5170 indiv. Löffel / Remontage: 1,3 %

18. Provisorien 2270, 5120, 5140: 1,2 %

19. Füll., Restauration (ohne 2197): 1,2 %

20. Notwendigkeit: 0,9 %

21. GOZ-/GOÄ-Zuschlag falsch: 0,8 %

22. supragingiv. Belagentfern. / PZ: 0,8 %

23. Vereinbarungen n. § 2 (1,2): 0,7 %

24. Einwände Heil- und Kostenplan: 0,6 %

25. Beanstadung inexistent / irreal: 0,3 %

 

Im ersten Halbjahr 2020 sind die ersten 10 Plätze 81,9 %

die ersten 5 Plätze 63,4 %

 

(© ZA AG: Die anonymisierten Zahlen zu dieser Statistik wurden dankenswerterweise von der ZA – Zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft AG, Düsseldorf, zur Verfügung gestellt.)

 

Proaktive Patienteninformation

Zu den ersten sechs Streitthemen gibt es möglichst patientenverständliche Informationstexte mit einfacher Erklärungen dieser Streitpunkte und einer kurzen Beurteilung der Streitinhalte (www.alex-za.de bei GOZ-Nr. 0030 - 4.0.3).

 

4. Bemessen/Begründen

Da lehnen z. B. Beihilfe und Post reflexartig alle Begründungen mit irgendwie enthaltenen Hinweisen auf „digitales Röntgen“ ab, obwohl in den Begründungen diese Methode entweder gar nicht oder eindeutig nicht als Steigerungsgrund, sondern nur zur zahnmedizinischen Erklärung der genauen Leistungsausprägung des erfolgten Röntgens erwähnt ist.

(Zu dieser Thematik „Bemessen und Begründen“ ist demnächst ein eigener DZW-Beitrag mit neuen Erkenntnissen geplant.)

 

5. Schleimhautplastiken

Eine unverständliche, fast schon hysterische Ablehnungsreaktion haben alle Schleimhautplastiken im Nahbereich von Implantaten zur Folge. Meist will der Erstatter nicht verstehen, dass z.B. mit der Regionangabe „11, 21“ die Lokalisation von Implantaten hinreichend genau definiert erscheint, jedoch bei dieser Regionangabe „11, 21“ die Nr. 3240 GOZ (Vestibulum- oder Gingivaextensionsplastik) nicht exakt lokalisationsgleich, sondern selbständig, vestibulär von 11, 21 gelegen erfolgt.

Wie wäre es mit den zwei genaueren Regionangaben „krestal bei 011, 021“ für die Implantate und „vestibulär bei 11, 21“.

Und höchstwahrscheinlich ist letztere Ausdehnungsangabe zur Vestibulumplastik nach 3240 GOZ auch nicht ganz präzise, denn die Lappenbildung erfolgt u. U. in einer übergreifenden Ausdehnung von „12 – 22“: Dann wäre der OP-Bereich im Gegensatz zur Nr. 3240 mehr als zwei nebeneinander liegende Zähne breit, also Nr. 2675 GOÄ zutreffend.

 

6. Wurzelkanalbehandlung

Die „Aufregung“ über jegliches Abweichen vom Jahrzehnte bekannten, „üblichen“ Schema der Abrechnung der Wurzelkanalbehandlung scheint jetzt wieder zu steigen? Die sechs Beschlüsse des „GOZ-Beratungsforums von BZÄK, PKV und Beihilfe“ (Nrn. 6 bis 11) zu dieser Thematik scheinen in Vergessenheit zu geraten?   

Die im 1. Hlbj. 2020 zweithäufig beanstandete Analogleistung ist die bei der Wurzelkanalrevision anfallende „Präendodontische Entfernung der vorhandenen Wurzelkanalfüllung“ (o. Ä.). Ablehnungsgrund: Diese Leistung sei in Nr. 2410 (Kanalaufbereitung) enthalten (siehe oben). 

Am häufigsten wird die Analogleistung „Herstellung und Anwendung von PRP/PRGF“ abgelehnt.

 

© Dr. Peter H. G. Esser