Gebührentechnische Systematik knochenaufbauender/ -generierender Behandlung

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DZW-Artikel von Dr. Esser aus KW 34–35

Man kann summarisch feststellen, dass in der novellierten Gebührenordnung GOZ’12 der Erhalt und auch der Aufbau von Knochen eine deutlich höhere Wertigkeit erhalten hat als zuvor in der GOZ’88. Es wurden nicht einfach Leistungen aus der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) übernommen, sondern es ist für Kommentatoren in Umrissen ein Konzept erkennbar. Zum Beispiel die in den „amtlichen Begründungen“ des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) erwähnte Leistung „Socket-Preservation“ (Alveolen-Volumenerhalt) galt 2012, manchmal auch noch heute bei speziellen Privaten Krankenversicherungen, als völlig überflüssig. (Originaltext 8/2019: „Extraktionswunden heilen von alleine. Knochenersatzmaterial auffüllen ist unnötig.“)

Das soll nicht bedeuten, dass die mit der Neuformulierung oder -bewertung verbundene Absenkung der Implantologie positiv bewertet werden könnte. Und dass in diesem Teil der GOZ die „Zielleistung“ Einzug gehalten hat, kann ebenfalls nicht uneingeschränkt begrüßt werden. Aber da sind nun Fakten etabliert, mit denen man umgehen muss. Bei den Maßnahmen zum Knochenerhalt und zur Knochenvermehrung – das sind die Nummern 9090 bis 9150 GOZ – nimmt die Nr. 9100 „Aufbau des Alveolarfortsatzes durch Augmentation“ als Betrachtungsbasis eine Schlüsselstellung ein.

Alveolaraufbau

Erfolgt eine Leistung nach Nr. 9100, dann ergeben sich daraus weitere zulässige Leistungen oder Ausschlüsse von Nebenleistungen. Trifft Nr. 9100 nicht zu, nimmt eine ähnliche Schlüsselstellung die Nr. 9130 „Bone-Splitting“ ein mit ähnlichen Konsequenzen für weitere aufbauende oder Aufbau fördernde Nebenleistungen.

Augmentation ist nicht einfach „Erhöhung“ im Wortsinn, sondern als Auflagerung (Aufbau) auf den Alveolarfortsatz eine gerichtete Volumenvermehrung, die Höhe (krestale Augmentation) oder die Breite (laterale Augmentation) betreffend. Natürlich ist auch die Kombination von Erhöhung und Verbreiterung unter Augmentation zu subsumieren, deren Resultat ein örtlich neu dimensionierter Alveolarfortsatz ist. Diese Veränderung der Dimension des knöchernen Alveolarfortsatzes ist gegebenenfalls mittels Vorher-/Nachher-Modellen metrisch erfassbar. Eigentlich erübrigt sich der Hinweis, dass Augmentation als gebührentechnischer Tatbestand lediglich der Versuch ist, durch Einbringen von Knochen oder Ersatzmaterial mit der Zeit zu echter Knochenvermehrung zu gelangen.

Die detaillierte Aufzählung der Teilleistungen, die unter dem Oberbegriff „Augmentation“ zusammengefasst sind, verhindert den orts- und zeitgleichen Ansatz einiger Gebührenziffern: Die enthaltene „Lagerbildung“ lässt die Berechnung der Aufbaulagerbildung nach Ä2730 nicht zu. Abgegoltene „Glättung des Alveolarfortsatzes“ im Aufbaugebiet lässt die gleichzeitige „Knochenresektion“ nach Nr. 3230 dort nicht zu. Die in der Augmentation implementierte „Entnahme von Knochen innerhalb des Aufbaugebiets“ in Verbindung mit „Einbringen von Aufbaumaterial“ schließt ortsgleiche Berechnung der Nr. 9090 „Knochengewinnung und Implantation dieses autologen Knochens“ aus, nicht aber die 9140 „Knochenentnahme andernorts“. Die Erwähnung von „Knochenersatzmaterial“ verhindert etwa neben Nr. 9100 den Ansatz der Ä2442 (alloplastische Weichteilunterfütterung als selbstständige Leistung). Der in der Abgeltungsbestimmung explizit aufgeführte „Wundverschluss mit vollständiger Schleimhautabdeckung“ steht meist im Gegensatz zur Nr. 3100 „Wundverschlussplastik“. Und die gegebenenfalls inhaltlich miterfasste „Einbringung von Barrieren“ (Membranen) verunmöglicht den gebiets-/regionsgleichen Ansatz der Nr. 4138 „Knochendefektmembran“.

In einer weiteren Berechnungsbestimmung wird die orts- und sitzungsgleiche Berechnung des Bonesplittings (9130) verhindert. Und wenn Alveolaraugmentation in derselben Kieferhälfte erfolgt, in der ein Sinuslift durchgeführt wird, halbiert (9110 „interner Sinuslift“) oder drittelt (9120 „externer Sinuslift“) sich die ansatzfähige Punktzahl der Nr. 9100 „Augmentation“. Das alles zusammen ergibt eine recht eindeutige Berechnungsfeststellung: Außer „interner und/oder externer Sinuslift“ dürfen am Knochen im Augmentationsbereich keine weiteren Maßnahmen berechnet werden – nahezu keine: Bei Augmentation mit einem fixationspflichtigen autologen Knochenblock („Knochen am Stück“ gemäß zweimal 9140) kommt für die Osteosynthese die Nr. 9150 „Fixation/Stabilisation“ hinzu. Und natürlich ist Implantatinsertion (9010) im Aufbaugebiet möglich, sogar transaugmentär, gegebenenfalls sogar zugleich und/oder zusätzlich Knochenblock-stabilisierend.

Die Nr. 9100 „Alveolaraugmentation“ ist so ausgestattet, dass innerhalb des Gebührenrahmens ein zahnärztlicher Zeitaufwand von mindestens einer halben bis zu anderthalb Stunden vergütet werden könnte, allerdings bei besonderen Schwierigkeiten und weiteren hinderlichen Umständen mit Reduzierung des verfügbaren Zeitrahmens.

Knochenimplantation

Die Abgrenzung der „Alveolaraugmentation“ zum Leistungsinhalt der Nr. 9090 „autologe Knochenimplantation inklusive lokaler Knochengewinnung“ ist gut erkennbar: Diese Leistung ist im eigentlichen Sinn keine augmentative; sie ändert nicht die Knochendiameter des Alveolarfortsatzes (Abmessungen bezüglich Höhe/Breite) oder gelegentlich nur ganz lokal dort, wo ein äußerer Knochendefekt ausgeglichen wird (Weichteilunterfütterung). Kerninhalt der Nr. 9090 ist Defektfüllung durch „Implantation“, das heißt Einbringung, Einlagerung (nicht Auflagerung). Das kann präprothetisch, aber auch anlässlich einer Implantatinsertion erforderlich werden, etwa bei Direktimplantation zum Auffüllen der Inkongruenzen oder bei Implantationsdefekt/Perforation der Knochenwand etc. Je nach Lokalisation der Defektfüllung ist eine zusätzliche Membranabdeckung nach Nr. 4138 erforderlich und je Zahn-/Implantatbreite berechnungsfähig. Die Nr. 9090 unterscheidet sich von der früher berechneten Ziffer Ä2254 (pränovelläre Knochenimplantation) dadurch, dass man für etwa halbierte Vergütung den Knochen auch noch selber sammeln muss.

Die Bewertung der Leistung bietet dem ausführenden Zahnarzt einen Zeitrahmen von fünf bis 15 Minuten, solange keine besonderen Schwierigkeiten hinzukommen. Es darf bei der Kalkulation zahnärztlicher Leistungen nicht vergessen werden, dass dabei verbrauchte Kleinmaterialien etc. eingerechnet werden müssen, hier nur „Knochenschaber“ und „Knochenkollektor“ zusätzlich als Verbrauchsmaterial berechnungsfähig sind.

Zahn- oder implantatbezogene Knochenregenerationsbehandlung

Vorhandene Defekte am „Altimplantat“ mit periimplantären („parodontalen“) Knochenveränderungen werden nicht nach Nr. 9090 aufgefüllt, sondern nach Nr. 4110 je Implantat (je Zahn/je Parodont), auch bei (zusätzlicher) Einbringung von regenerativen Proteinen. Zur Leistung nach 4110 kommt gegebenenfalls die nach 4070 hinzu (geschlossene „Parodontalbehandlung“ am Implantat) oder eine Leistung wie „Lappenoperation am Implantat“, die allerdings nicht unter der Nr. 4090 „offene PA/Lappenoperation“ beschrieben ist und im Vergleich mit einer entsprechenden Leistung (beispielsweise als 4100a gemäß Paragraf 6 Absatz 1 GOZ) berechnet werden muss. Auch neben der Leistung nach 4110 „Regenerationsbehandlung des marginalen Knochens am Implantat“ ist Membrananlegung nach 4138 je Zahn-/Implantatbreite möglich. Und nicht vergessen werden darf, dass die Nr. 4110 nicht nur je Implantat, sondern auch je Parodontium berechnungsfähig ist, also zum Beispiel bei einem mitbetroffenen Nachbarzahn des Implantats ein weiteres Mal anzusetzen ist, wenn dessen Parodont ebenfalls aufgefüllt oder beispielsweise mit Emdogain behandelt wird.

 

© Dr. Peter H. G. Esser

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