Gebührentechnik der Hohlraumversiegelung von Implantaten

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DZW-Artikel von Dr. Esser aus KW 37

Zwischen dem Gewinderaum bzw. Hohlraum im Implantatkörper und dem oder den eingebrachten bzw. geschraubten Aufbauelement(en) gibt es immer mehr oder minder große Spalträume, die bei Kontamination mit Bakterien und bald mit einem bakteriellen Mikrofilm besiedelt sind. Das gilt es zu vermeiden, was aus belastungstechnischen Gründen auf Dauer schwierig ist. Der Kontaminationsfall kann zu dauerhaft schädlicher Keimbelastung mit ständigem Bakterienaustritt ins periimplantäre Gewebe führen, mit deutlich destruktiven Folgen für den Umgebungsknochen. Medizinisches Verschlusssilikon ist ein Produkt, welches laut Herstellerangaben Spalten und Hohlräume versiegelt. Es soll dauerhaft und effizient das Eindringen von Keimen in diese Hohlräume verhindern, die dort eine wahre Brutstätte finden.

Typisches Beispiel ist das Entstehen einer mesialen oder distalen Implantitis im seitlichen Kieferbereich mit deutlicher Knochensulkusbildung und dort ggf. auch knöchern freiliegendem Implantatgewinde. Das wird ggf. nur noch bedeckt von entzündlich verdickter Gingiva, unter Umständen nach gar nicht so lange zurückliegender Augmentation. Die Ursache für den lokalisierten Knochenschwund ist ggf. bereits olfaktorisch zu identifizieren: Hochgradige Keimbesiedlung der Implantathohlräume.

Intraorale Beschickung

Die zahnärztliche Tätigkeit, welche für einen Hohlraumverschluss eines Implantats erforderlich ist, kann als dauerdichte „Versiegelung von Implantatinnenräumen“ bezeichnet werden. Diese Tätigkeit wird meistens – aber nicht zwingend – intraoral im inserierten Implantatkörper (Hohlzylinder oder Ähnliches) ausgeführt. Beim inserierten Implantat, zumal wenn erfolgreich osseointegriert, handelt es sich quasi um einen allogenen Ersatz für einen verloren gegangenen Zahn.

Das integrierte Implantat stellt gebührentechnisch einen „inkorporierten“ Körperteil dar. Somit handelt es sich dem Grunde nach bei intraoraler zahnärztlicher Verrichtung an einem Implantat um originär zahnärztliche Behandlung. Zahnärztliche Behandlung wird gemäß GOZ mit einer „Vergütung“ in Form einer Gebühr entgolten. Die betreffende zahnärztliche Maßnahme ist aber nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ aufgeführt. In solchen Fällen steht die Entscheidung an, ob es sich um eine selbstständige Leistung handelt oder um einen Bestandteil einer anderen Leistung gemäß § 4 (2) GOZ.

Selbstständige Leistung?

Selbstständige Leistungen sind eigenständig indiziert, erfolgen unabhängig bzw. nicht zwangsläufig immer nur als Zwischenschritte einer anderen Leistung und sind in keiner gleichzeitig berechneten, orts- bzw. lokalisationsgleichen Leistung enthalten. Die GOZ lässt nur derartige selbstständige Leistungen zur Gebührenberechnung zu. Unselbstständige Leistungen sind in einer anderen Leistung, in einer „umfassenderen Hauptleistung“ enthalten und somit abgegolten.

Die umfassenderen Leistungen, bei deren Erbringung die gleichzeitige Behandlung mit Versiegelungssilikon fakultativ anfallen könnte, sind die nach den Nummern 9010 (Einbringen Verschlussschraube, ggf. Einbringen Aufbauelemente), 9040 (Einfügen eines/mehrerer Aufbauelemente), 9050 (Wiedereinsetzen, Auswechseln von Aufbauelementen) und 9060 (reparatives Auswechseln von Aufbauelementen). Hinzukommen könnte die Implantat-Kroneneingliederung nach den Nummern 2200 bzw. 5000, auch Wiedereingliederung von Kronen nach den Nummern 2310 sowie 2320 GOZ.

Die Nummer 9010 ist ein gutes Beispiel für eine fakultative Erbringung der Innenraumversiegelung, denn beim einteiligen Implantat ist sie nicht möglich, aber logischerweise auch nicht erforderlich. Wird ein zwei- oder mehrteiliges Implantat verwendet, könnte bereits in der Insertionssitzung eine Hohlraumbeschickung mit Versiegelungssilikon erfolgen – muss aber nicht.

Die gegebenenfalls anlässlich von Maßnahmen nach den Nummern 9010–9060 anfallenden „Hohlraumauffüllungen“ sind nach Art der Leistung vielleicht mit einer Wurzelkanalfüllung vergleichbar, die ja auch im Falle ihrer Erbringung zahnmedizinisch notwendig und selbstständig berechnungsfähig ist, unabhängig davon, ob gleichzeitig etwa ein intrakanalärer Stift eingebracht wird.

Aber der gravierende Unterschied von Implantatraum- und Wurzelkanalfüllung ist, dass letztere eine im Gebührenverzeichnis der GOZ aufgeführte finale Leistung in einer logischen Leistungskette ist, in der jede berechnungsfähige Leistung gleichzeitig eine selbstständige Leistung darstellt (außer gegebenenfalls die Nummern 2360, 2390, 2430 usw. – das Beispiel hinkt, ist aber GOZ typisch).

Analogberechnung – nein?

Bei Einbringen eines Sekundärteils wird der vorsichtshalber (erneut) dekontaminierte Implantat-Hohl- oder -Spaltraum mit einem Dauerdesinfiziens beschickt und einem (dauerelastischen) Versiegelungsmaterial, beispielsweise auf medizinischer Silikonbasis, bakteriendicht verschlossen.

Die Leistung der „Hohl- oder Spaltraumversiegelung beim Implantat“ ist im Gebührenverzeichnis der GOZ nicht beschrieben, stellt allerdings lediglich eine Teilleistung beim Einbringen von „Aufbauelementen“ dar und wird verbreitet nicht als selbstständig notwendige Leistung im Sinne des § 6 Abs. 1 GOZ gesehen (keine Analogberechnung).

Da es sich bei der Versiegelung mit Medizinsilikon eher um eine fakultative Hilfsleistung handelt, die nicht in der GOZ aufgeführt ist, kommt es im Falle ihrer Anwendung zu keiner Analogberechnung. Sollte die Hohlraumversiegelung gegebenenfalls als durchaus verzichtbare zahnärztliche Optimierungsleistung angesehen werden, die man mit dem Zahlungspflichtigen als Verlangensleistung vorher schriftlich vereinbaren müsste, dann wäre das die zutreffende gebührenrechtliche Alternative zu der ansonsten möglichen Faktorerhöhung der Grund- bzw. Hauptleistung (Vereinbarung der Gebührenhöhe).

Extraorale Beschickung mit Silikon-Sealer

In den sicherlich sehr seltenen Fällen, wo eine Auffüllung der Spalträume extraoral vor der Implantatinsertion erfolgt, eher bei Einbringen zweier Sekundärteile in deren Spaltraum, handelt es sich nicht um eine zahnärztliche Behandlungstätigkeit, sondern eher um eine Bearbeitung eines Hilfsmittels, das danach erst zum Behandlungsmittel wird. Extraorale Hohl-/Spaltraumversiegelung mit Silikon-Sealer ist eine zahntechnische Tätigkeit, für die dann aber keine zahnärztliche Gebühr, sondern Material- und Laborkosten berechnet werden. In diesem Fall erfolgt die lediglich als zahntechnische „Materialkosten“ ansetzbare Materialberechnung des Silikons gemäß § 9 GOZ und die zahntechnische Leistung (etwa nach BEB) wird zusätzlich als „Laborkosten“ berechnet. Auch dann scheidet eine Berechnung der Verschlussleistung nach § 6 (1) der GOZ aus, denn nur eine notwendige und selbstständige zahnärztliche Leistung kann analog berechnet werden.

Da für diese technische Tätigkeit keine geeignete BEB-Ziffer zur Verfügung steht bzw. die vorhandenen BEB-Positionen den Mehraufwand der durchgeführten Arbeit nicht detailliert treffen, können – wie immer möglich – eigene Nummern und Leistungsbeschreibungen verwendet werden. Dabei ist die Berechnung dieser Laborleistungen nach betriebswirtschaftlichen Aspekten zu kalkulieren. Ganz entscheidend: Es dürfen nur die tatsächlich entstandenen und  angemessenen Kosten berechnet werden.

Beschluss des GOZ-Expertengremiums vom 26. Januar 2017:

Die Hohlraumversiegelung von Implantaten ist keine selbstständige Leistung, sondern Teil der Eingliederung von Sekundärteilen nach den Nummern 9010, 9040–9060 GOZ.

Konsens:

Der Sonderfall nach nötiger Demontage der Suprakonstruktion, zum Beispiel mit Abnahme eines gelockerten Abutments, Desinfektion, neuer Hohlraumversiegelung bei Wiederbefestigen des Abutments und Remontage der Suprakonstruktion ohne „Auswechseln von Sekundärteilen“ (keine 9060), wird gebührentechnisch als eine einheitliche Analogleistung „Demontage, Reinigung/Desinfektion und Remontage einer Suprakonstruktion“ gesehen.


© Dr. Peter H. G. Esser

„Gebührentechnik der Hohlraumversiegelung von Implantaten“ als PDF-Download