Forsche Behauptungen, forderndes Auftreten – oft ohne Berechtigung

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Auskunftersuchen von privaten Krankenversicherungen - Teil 4:

Eine private Krankenversicherung (PKV) aus dem südlichen Deutschland, wieder mit ganz guter Ausgangslage im Wettbewerb um den Titel „Meistbeanstander 2020“, steuerte zu unserer Sammlung der „forschen Anfrager“ eine ganz neue – den Behandler überfordernde - Variante zur definitiven Verweigerung jedweden Honorars und Kostenersatzes bei.

So ging es los nach Unterlagenübermittlung durch den Behandler und Vorlage der Rechnung dafür durch den Versicherten bei der PKV:

Sehr geehrter Herr Dr. …,

nach § 12 Abs. 3 der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer (MBO) haben Sie einem begutachtenden Zahnarzt auf  Verlangen Ihre zahnärztlichen Dokumentationen vorübergehend zu überlassen und ihn über die bisherige Behandlung zu informieren:

Für die Erstellung von Kopien gab es keine Veranlassung.

Deshalb können wir Ihre Forderung über 55,00  EUR leider nicht begleichen. Bitte haben Sie Verständnis dafür. Der Versicherte erhält eine Kopie dieses Schreibens. –
Wenn sich noch Fragen ergeben: Bitte rufen Sie uns an.“

 

Es steht rechtlich fest, dass der Zahlungspflichtige bzw. der Patient einen Anspruch auf seine Behandlungsunterlagen hat. Er kann Einsicht nehmen und Kopien seiner Unterlagen verlangen im Sinne des § 12 Abs. 4 der MBO:

„Der Zahnarzt hat dem Patienten auf dessen Verlangen in die ihn betreffenden zahnärztlichen Dokumentationen Einsicht zu gewähren. Auf Verlangen sind dem Patienten Kopien der Unterlagen gegen Erstattung der Kosten herauszugeben. Inwieweit physische Duplikate von Diagnostikunterlagen wie Röntgenaufnahmen, Modellen oder Registraten darunter fallen, war vorliegend nicht in Frage gestellt. Die allenfalls mittelbar vom Patienten verlangten Unterlagen hat der auch bekommen, soweit von ihm im konkreten Fall nachgefragt.

PKV will mehr und mehr

Nirgendwo im VVG ist allerdings vorgeschrieben, dass die Behandlungsunterlagen nach den Wünschen der jeweiligen PKV aufzubereiten, also anfragebezogen zusammenzustellen und zu ordnen wären. Und darüber hinaus noch zusätzlich zusammenfassende Antworten gegeben werden müssten.

Ein Satz Kopien der Befund- und Behandlungsdokumentation - wie im Praxisarchiv oder der EDV chronologisch oder nach Behandlungsgebieten geordnet vorliegend - sollte eine zahnmedizinische Verwaltungsangestellte in dem vergütetem Zeitrahmen erstellen und versenden können? Mehr kann man (Singular/Einzahl) „nach Ziffer 75 der GOÄ“ aber nicht leisten und für die Honorierung von 24,13 €  (ca. 20 Minuten der Fachkraft) auch nicht verlangen. -

Was aber wird oft vom behandelnden Zahnarzt verlangt?

Es werden von ihm sachverständige Aufbereitung der Unterlagen und Beantwortung von Fragen erwartet und das auf einem Vergütungslevel für Verwaltungsfachkräfte.  

Das kann man im Interesse des Patienten einmal hinnehmen? - Ja. - Aber nicht derart gehäuft und manchmal übergriffig, wie sich das Verfahren mehr und mehr zu etablieren beginnt?

 

Der Gang des Verfahrens

Die  private Krankenversicherung hatte zu einer eingereichten Rechnung Behandlungsunterlagen angefordert: Röntgenaufnahmen, Modelle und die Behandlungsdokumentation. Übersendung dieser Unterlagen verweigerte der Behandler zunächst mit der Begründung, er würde diese selbstverständlich einem approbierten Gutachter an dessen Adresse und „zu treuen Händen“ übersenden, nicht aber an eine anonyme Adresse der Krankenversicherung.

Nach einigem Hin und Her wurde von der PKV eine Praxisadresse als Gutachtersitz benannt. Nachdem auch diese Unklarheit ausgeräumt werden konnte, gab der Rechnungsaussteller bekannt, dass er die Unterlagen nun an diese Adresse senden werde. So weit so gut, aber folgenträchtig fehlerhaft.

Zunächst wurde ein Gutachten erstellt. Das bestätigte fast durchgängig die Behandlungs- und Berechnungsweise. Auf  Wunsch des Versicherten erhielt der Behandler schließlich eine Gutachtenkopie, aber zusätzlich das bereits angesprochene Schreiben der PKV mit Hinweis auf die zahnärztliche Muster-Berufsordnung (MBO) zu seiner inzwischen übermittelten Rechnung mit 55,00 EUR für die Anfertigung von Kopien:

 

Übernahme von Kopien- und Duplikatekosten wurde von der PKV verweigert:

Für die Erstellung von Kopien gab es nach Meinung dieser PKV keine Veranlassung!

Die Versicherung hat im Prinzip Recht und bzgl. der Kosten für Kopien eine recht gute Ausgangslage. Dem Zahnarzt fehlt eine Zusage zur Kostenübernahme durch den Patient. Doch zunächst zur Wirksamkeit der Musterberufsordnung mit dem Text:

Der Zahnarzt hat einem vor-, mit- oder nachbehandelnden Zahnarzt oder Arzt sowie einem begutachtenden Zahnarzt oder Arzt auf Verlangen seine zahnärztlichen Dokumentationen vorübergehend  zu überlassen und ihn über die bisherige Behandlung zu informieren, soweit das Einverständnis des Patienten vorliegt.“

Dazu ist ganz grundsätzlich anzumerken, dass die Musterberufsordnung der „Bundeszahnärztekammer“ (BZÄK)  - das ist eine „Arbeitsgemeinschaft der deutschen Zahnärztekammern“ (e.V.) - keine direkte Wirkung gegenüber einem Zahnarzt entfaltet. Geltung gegenüber dem einzelnen Pflichtmitglied einer Landeszahnärztekammer (K.d.ö.R.) haben die jeweils geltenden Landesberufsordnungen.
Es verbleibt das Resümee, dass die von der betreffenden PKV als Grundlage für ihre Ablehnung der Kostenübernahme angeführte Berufsordnung nicht einschlägig ist.

 

Weitere fragliche Interpretation der MBO  

In § 12 (3) MBO steht kein Wort von "kostenlos" oder "auf eigene Kosten".

In der MBO steht auch nicht eindeutig, dass tatsächlich Originale auf Verlangen einem Gutachter oder sogar Originale auf Verlangen vorübergehend einer PKV überlassen werden müssten.

Fehlinterpretation ist es, den Wortlaut der MBO in § 12 (3, 4) so zu lesen, dass Überlassung der Originale ohne Kostenersatz für Sicherungskopien zu erfolgen hätte. Da bietet sich zu diesem Zweck selbst bei Modellen etc. das digitale Einscannen an, ggf. als Laborleistung.

Tatsächliche Übermittlung von Originalen ohne Sicherung der Dokumente mittels exakter Kopien wäre sehr unvorsichtig. Folge z.B.: Röntgenbild auf  dem Postweg verloren gegangen.

Essentiell ist aber, dass keine Kostenübernahmeerklärung vom „Anstoßgeber“ PKV und auch nicht vom „Auftraggeber“ Zahlungspflichtiger/Patient vorlag.

  • 12 (4) MBO in Erinnerung gebracht: „Auf Verlangen sind dem Patienten Kopien der Unterlagen gegen Erstattung der Kosten herauszugeben.“

Fazit: Ohne Vereinbarung ist die Erstattung dieser Kosten sehr schwer durchsetzbar!

 

Zusammenstellung ggf. anfallender Gebühren nach GOZ/GOÄ, je nach Anfragewortlaut:

Unterlagenanforderungen der PKV

 

Angeforderte Leistungen und Leistungen zu speziellen Fragen können auch nebeneinander bearbeitet und berechnet werden.

Wichtig ist zuvor genaue Abklärung und schriftliche Vereinbarung (§ 2 Abs. 3 GOZ), was und in welcher Aufbereitung der Inhalt des angeforderten Berichts verlangt wird.

Wenn z.B. der zuletzt dokumentierte Gebisszustand  abgefragt wird, ist physische Untersuchung ratsam, da der Zustand z. B. nach Aufsuchen eines anderen Zahnarztes verändert sein kann. Oder der Zustand einer nicht zu Ende behandelten Parodontitis könnte sich (wieder)  negativ entwickelt habe etc.

Der Ersatz von dokumentiert getätigten Auslagen kommt ggf. zu Gebührenleistungen hinzu. 

 

© Dr. Peter H. G. Esser