DZW-Artikel von Dr. Esser aus KW 43
Die sperrig formulierte Überschrift, knapp am Leistungsinhalt der Nr. 5170 GOZ vorbei, soll eine kleine Vorübung sein zum eventuellen Verstehen der „Beihilferechtlichen Hinweise“ zum Beispiel zur Beihilfeverordnung NRW – dort Anlage 7 zu B. Gebührenverzeichnis: Dass diese beihilferechtlichen Hinweise („ … sind zu beachten“) jenseits der zahnmedizinischen Fakten und Begrifflichkeiten häufig laienhaft fehl formuliert sind, verwundert und ist schwer erklärlich. Kann da der Amtszahnarzt nicht helfen?
Hierfür ist die Beihilfevorschrift im Teil B – „26. zu Nummer 5170 GOZ“ ein anschauliches Beispiel. Die Bestimmung lautet (Satz 1): „Die Berechnung einer Gebühr nach Nummer 5170 GOZ kann regelmäßig nur im Zusammenhang mit größeren prothetischen Leistungen (Abschnitt F des Gebührenverzeichnisses) in Betracht kommen, wenn die in der Leistungsbeschreibung genannten qualifizierten Voraussetzungen (zum Beispiel bei sogenannten Kombinationsarbeiten von festsitzendem und herausnehmbarem Zahnersatz) vorliegen.
Gleich im Satzbeginn das erste Stolpern: „Die Berechnung einer Gebühr …“. Beihilfebestimmungen sollen Erstattungsaussagen machen, zur Berechnungsfähigkeit sollten sie aus hier dargelegten Gründen besser keine apodiktischen Behauptungen aufstellen.
Und Berechnung einer Gebühr kann regelmäßig nur erfolgen, wenn die Leistung tatsächlich erbracht ist, also nicht „regelmäßig ... im Zusammenhang mit größeren prothetischen Leistungen“. Im Übrigen: Was soll der Begriff „regelmäßig“ in der Beihilfebestimmung? Der macht sprachlich Sinn, wenn eigentlich „ausschließlich“ gemeint ist oder aber „in der Regel“? Dann gäbe es aber Sonderfälle außerhalb der Regel, für die die Beihilfebestimmung nicht zutreffen würde? Also auch für „kleinere“ Prothetik?
„Im Zusammenhang mit prothetischen Leistungen“ bedeutet, vor, während oder nach prothetischen Leistungen. Dabei wird unterstellt, dass eigentlich Erbringung von oder Versorgung mit prothetischen Leistungen gemeint ist. Aber selbst diese Präzisierung ist nicht hinreichend, denn eine Abformung mit individuellem Löffel ist doch nicht regelmäßig neben allen „größeren“ prothetischen Leistungen erforderlich. In dem Text der Gebührenordnung kommt darüber hinaus der Begriff „größere prothetische Leistung“ gar nicht vor. Oder Nr. 5170 GOZ vielleicht auch neben provisorischen Brücken, Reparaturen und Unterfütterungen? Ein interessanter Gedanke, ja.
Leistungsbeschreibung 5170
Was, mit Verlaub, sind qualifizierte Voraussetzungen? Wenn damit in Wirklichkeit anatomische Voraussetzungen angesprochen werden sollen, wäre die Formulierung in der Beihilfebestimmung wohl unqualifiziert und könnte einfach entfallen? Und die in der GOZ-Leistungsbeschreibung genannten anatomischen Voraussetzungen sind – daran ist die Beihilfe aber nicht schuld – selber zum Teil allenfalls „halbqualifiziert“ (Zitat):
„Anatomische Abformung des Kiefers mit individuellem Löffel bei ungünstigen Zahnbogen- und Kieferformen und/oder tief ansetzenden Bändern oder spezielle Abformung zur Remontage, je Kiefer.“
Generationen von Zahnärzten haben schon darüber gegrübelt, warum „tief ansetzende Bänder“ ungünstig sein sollen und für wen? Störend bei einer Abformung wirken jedenfalls nur hoch ansetzende Bänder, die es konfektionierten Löffelrändern schwer machen.
Zwischenfazit: Die Beihilfevorschriften übertreffen bezüglich Ausmaß der Fehlformulierungen noch das der GOZ.
Es ist schlicht zahnmedizinischer Nonsens, wenn regelmäßig und in sich widersprüchlich behauptet wird, Abformungen mit individuellem Löffel könnten nur im Zusammenhang mit prothetischen Leistungen berechnet werden, wo doch die hinderlichen anatomischen Voraussetzungen des Kiefers bzw. der Kieferform dieselben sind und bleiben: Die sind und bleiben genauso ausgeprägt bei individueller Löffelabformung wegen konservierender Versorgung mit indirekten Restaurationen, bei chirurgischen oder parodontal-therapeutischen Schienungsmaßnahmen, in der Kieferorthopädie, bei Aufbissbehelfen, Langzeitprovisorien oder Funktionsdiagnostik/-therapie und insbesondere in der Implantologie. – Was sagt die Beihilfebestimmung zur Nr. 5170 im Kern: Indiziert erbringen ja, berechnen nein, erstatten schon gar nicht!
Was sagt die zahnmedizinisch-fachliche Kommentierung? Berechnungsfähig ist die Leistung nach Nr. 5170 GOZ je Kiefer immer dann, wenn sie tatsächlich bei ungünstigen anatomischen Voraussetzungen erfolgt ist. Daran ändern auch unzutreffende Beihilfebestimmungen nichts.
Satz 2 des beihilferechtlichen Hinweises
Der Satz 2 der Beihilfebestimmung soll aber wohl als zahnmedizinische oder gebührentechnische Begründung für die neben der Sache liegenden Feststellungen in Satz 1 dienen (Zitat): „Die Abformungen im Zusammenhang mit der Versorgung der Zähne mit Einlagefüllungen und Einzelkronen sowie festsitzendem Zahnersatz für eine Kieferhälfte oder den Frontzahnbereich sind mit den Leistungen nach den Nummern 2150 bis 2170, 2200 bis 2220 und 5000 bis 5040 GOZ abgegolten.“ Individuelle Löffel z.B. auf einen Frontbereich zu beziehen, ist völlig verquer.
In den GOZ-Berechnungsbestimmungen zu den Nrn. 2150-2170 (Inlays) und 2200-2220 (Einzelkronen) sind „Abformungen“ mit der Gebühr als abgegolten erwähnt. Verglichen mit der gleichen Berechnungsbestimmung zu den Nrn. 5000-5040 GOZ ergibt sich jedoch kein Unterschied: Auch hier sind „Abformungen“ als abgegolten ausdrücklich angeführt. Demnach taugt Satz 2 der Beihilfebestimmungen in keiner Weise als Begründung für Satz 1; der müsste vordergründig gemäß spezieller „Beihilfelogik“ geändert werden mit der bekanntermaßen unzutreffenden Neuaussage „Alle Abformungen für Inlays und Kronen, auch prothetische, sind abgegolten.“ Das ist aber zum Teil unzutreffend.
Einspruch
Es heißt in beiden Berechnungsbestimmungen: „… sind folgende zahnärztliche Leistungen abgegolten: Präparieren des Zahnes oder Implantates, Relationsbestimmung, Abformungen, …“. Was ist abgegolten? - Nur Abformungen des Zahnes oder Implantates!
Und was wird mit Nr. 5170 GOZ vergütet? „Anatomische Abformungen des Kiefers mit individuellem Löffel …“. Wenn derjenige, der die Beihilfebestimmungen formuliert hat, den Zahn nicht vom Kiefer unterscheiden kann, den Konfektionslöffel nicht vom individuellen Löffel und Berechnungsfähigkeit nicht von Erstattungsfähigkeit, dann gibt es wenig Grund, hergeholte und sachlich-fachlich unzutreffende Beihilfebestimmungen Ernst zu nehmen.
Es gibt im Gegenteil gute Gründe für Betroffene, Widerspruch einzulegen. Immerhin liegt die Nr. 5170 GOZ an fünfzehnter Stelle in der Rangfolge der meistbeanstandeten Leistungen.
Was sagen die Gerichte?
AG Stuttgart (12.05.2017, Az. 9 C 3152/16): ‚Die Verwendung eines individualisierter Löffels berechtigt zur Berechnung der Nr. 5170 GOZ.‘
AG Pirmasens (31.05.2016, Az. 5 C 444/14) ‚Eine Abformung mit individuellem Löffel ohne „ungünstige Zahnbogen-/Kieferform“, aus anderen zahnmedizinischen Gründen, wird gemäß § 6 Abs. 1 GOZ mit 5170a als Analogleistung berechnet.‘
Eine selbständig in der GOZ aufgeführte spezielle Leistung kann nicht in einer ähnlichen allgemeinen Leistung enthalten sein:
- Eine spezielle Abformung des Kiefers mit individuellem Löffel bei ungünstiger Anatomie kann niemals in einer unspezifischen, einfachen Zahn-/Zähneabformung enthalten sein.
- Sobald ein individueller Löffel wegen ungünstiger Zahnbogen-/Kieferform benötigt wird, kann es sich nicht um abgegoltene unspezifische Abformung handeln.
Remontageabformung
Auf dem Argumentationsniveau der Beihilfebestimmung zur Nr. 5170 GOZ lohnt eine vertiefende Erörterung über die alternativ in der Nr. 5170 GOZ enthaltende Leistung „spezielle Abformung zur Remontage“ nicht, die gemäß Wortlaut der Leistungsbeschreibung, zahnmedizinisch-fachlich nicht auf eine bestimmte Löffelform/-art festgelegt ist: Remontageabformung kann erfolgen mit individuellem Löffel, ggf. mit Konfektionslöffel oder ohne jeden Löffel. Und indizierte Remontageabformung gibt es immer, wenn Werkstücke mittels intraoraler „Überabformung/ Fixationsabformung“ auf Labormodelle mundidentisch übertragen werden müssen. Ein großer Teil der – natürlich unbegründet – von der Beihilfe abgelehnten Gebühren nach 5170 GOZ sind auch im Jahr 2019 in Wirklichkeit Remontageabformungen, wurden aber auf der Rechnung nicht ausdrücklich so benannt.
Daher kann ein klares Leistungssplitting als Rechnungsausweis empfohlen werden:
GOZ 51701 „Abformung mit individuellem Löffel bei ungünstiger Zahnbogen-/ Kieferform“
GOZ 51702 „Spezielle Abformung zur Remontage, je Kiefer“
© Dr. Peter H. G. Esser
„Anatomisch individuelle Löffel- oder spezielle Remontageabformung“ als PDF-Download