DZW-Artikel – Mehrfachberechnung anzahlbegrenzter Leistungen in der GOZ

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Inhalt

Man kann die Auffassung teilen, dass die mehr als dreimalige Leistungserbringung nach Nummer 9050 an einem Implantat durch eine Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1, 2 GOZ Berücksichtigung finden kann? Der (vor Leistungserbringung erfolgende) wirksame Abschluss einer Vereinbarung ist laut BGH nicht an weitere Bedingungen geknüpft. Da der Rechnung legende Zahnarzt nicht gezwungen ist, einen Grund für die Vereinbarung zu nennen, sind seine Motive für diese Vereinbarung irrelevant. In der Praxis entscheidend ist, dass er damit eine angemessene Vergütung sicherstellen kann. Diese Handhabung der Problematik ist aber nicht unumstritten. Eine formkorrekte Vereinbarung auf Grundlage des § 2 Abs. 3 GOZ („nicht notwendige, nicht erstattungsfähige Verlangensleistung“) wäre - medizinische Notwendigkeit der Wechselvorgänge vorausgesetzt, dem Grunde nach nicht zutreffend, könnte aber bewusst von beiden Parteien gewollt sein z.B. wegen niedriger Toleranzschwelle des Patienten o.Ä.. Wesentlich zur Geltung der Vereinbarung ist das durch beide Parteien vor Beginn der einzelnen Leistungen unterzeichnete und ausgehändigte Vertragsformular (HKP) nach § 2 (3) GOZ mit der unmißverständlich dargelegten Konsequenz, dass bei dieser Art Leistung - z.B. mit besonderem Werkstoff  für eine speziell gewählte Verlangensleistung  „eine Erstattung möglicherweise nicht gewährleistet ist.“   

Frequenz begrenzte Leistungen

  • 0030 plus 0040 GOZ bei ausdrücklich verlangten, alternativen Heil- und Kostenplänen
  • 2x 0060 nebeneinander bei diagnostischer Modellberarbeitungen  zur OP-Planung,
  • 0050 destruktiv bearbeitetes Modell z.B. mit segmentalen Sägeschnitten z.B. bei FAL - (Analyse wegen funktionsanalytischen Problemen)
  • 0065 zweimal, mehrfach oder erneute optisch-elektronische Abformung „nach Änderung der klinischen Situation“

GOZ-begrenzte Zahl erbringbarer Gebührenziffern bei nötig höherer Anzahl

Anzahlbegrenzte, aber dennoch mehrfach nötige Leistungsansätze einer derartigen zahnmedizinischen Leistung sind in der GOZ selten, aber schwierig bzgl. zutreffender Berechnung mit verordnungskonformer Darstellung der gebührentechnischen Wirklichkeit und Logik. Die Geb.-Nr. 8010 GOZ „Registrieren der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers, auch Stützstiftregistrierung, je Registrat“ ist z.B. je Sitzung höchstens zweimal berechnungsfähig. In der Kommentierungsliteratur wird hierzu die Auffassung vertreten, dass mehr als zwei nötige Registrate in einer Sitzung einen erhöhten Aufwand darstellen und somit einen erhöhten Steigerungssatz rechtfertigen können.

Dieser Beurteilung folgte z.B. auch das Verwaltungsgericht Sigmaringen (Az.: 3 K 5001/18 vom 14.07.2020) und akzeptierte die Begründung „Überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen mehr als zwei Registraten in einer Sitzung“.                                    

In einem diese Entscheidung aufhebenden Berufungsverfahren gelangte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az.: 2 S 4105/20 vom 7.05.2021) zu einem anderen Urteil: Die Anzahl der berechnungsfähigen Registrate sei in der Leistungsbeschreibung mit zwei festgelegt. Die Berücksichtigung weiterer Registrate in Anwendung des Steigerungssatzes stelle somit eine Umgehung der gebührenrechtlichen Vorgabe dar. Die Urteilsbegründung des VGH Ba-Wü lässt duchblicken, dass die Leistungsinhalte, die Frequenzerfordernisse und die zahnmedizinisch möglichen Zusammenhänge unbekannt oder nur teilweise bekannt sein könnten?

Der tatsächlich höhere Aufwand bei mehr als zweimal Registrieren in einer Sitzung sollte auch für Richter an einem Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbar sein. Der aber sagt in der Urteilsbegründung „Die Anzahl der berechnungsfähigen Registrate sei in der Leistungsbeschreibung festgelegt: Die Anzahl berechnungsfähiger Einzel-Registrate in einer Registrierungssitzung beträgt maximal zwei. Dann aber wird von diesem Gericht die „Registrierung“ und das „Registrat“ inhaltlich missdeutet oder verwechselt. Die Berechnungsbestimmung in der GOZ sagt zur Nr. 8010: „Die Leistung nach Nummer 8010 GOZ ist je Sitzung höchstens zweimal berechnungsfähig.“

Was ist die Leistung nach 8010 GOZ inhaltlich? Sie ist „Registrieren der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers, je Registrat.“ Die Zahl von Einzelregistraten in einer vollständigen Registriersitzung beträgt mindestens zwei, die übereinstimmend sind: In diesem Fall mit 2x 8010 GOZ berechnungsfähige, ansonsten bei Nichtübereinstimmung so lange unentgeltlich zu wiederholen, bis einmal exakte Übereinstimmung erreicht wurde. Diese Ermittlung hängt u. A. von den dabei zu meisternden Schwierigkeiten ab.

Es sind demnach als verifizierende, qualitätssichernde Maßnahmen der GOZ zur Berechnung von 2x 8010 GOZ entweder 2 identische Registrate erfolgt - oder es kann bei Anfertigung nicht übereinstimmender Registrate keine 8010 GOZ in der betreffenden Registrierungssitzung berechnet werden: (Die Registratanfertigung/ Verschlüsselungsabformung:besteht aus einemErstregistrat und folgend einem Kontroll- oder Verifikationsregistrat. Mit mindestens zwei unabhängig voneinander erstellten Registraten lässt sich in einem Gelenksimulator (Artikulator) per Identitätsvergleich feststellen, ob die zwei Erstregistrate (Erst- und Kontrollregistrat) die selbe Lage des Unterkiefers bzgl. Orientierung zur Oberkieferbasis (Gelenkgrube) bestätigen oder verneinen. Bei Verneinen muss der Funktionsanalytiker solange neue Registrate anfertigen und im Artikulator prüfen bis er zwei lageidentische hergestellt hat.

Fazit für den Richter:

 Erst zwei  identische Registrate in einer Registriersitzung sind als  2x 8010 GOZ zu berechnen, ggf. mit erhöhtem Steigerungssatz - dieser aber nicht wegen mehfacher Registrateerstellung - das ist Leistungsinhalt von 2x 8010 GOZ -, sondern z.B. wegen der Schwierigkeit der Gewinnung zutreffender Registrate infolge extremer Blockierungen und einseitiger Verspannungen mit kaum erreichbarer muskulärer Reproduzierbarkeit: Bei mindestens zwei Registriersitzungen innerhalb einer Behandlungssitzung, z.B.  „nach Änderung der klinischen Situation infolge Differenzen zwischen Erstanprobe und sitzungsgleicher Zweitanprobe (z.B. nach Anpassung, Korrektur eines Zahnersatzes in  einem Dentallabor) würden verordnungskonform je Registrierungssitzung mit 2x 8010 GOZ ansetzbar sein: Benötigt würden dann insgesamt  mindestens vier Registrate (2x 2x 8010 GOZ, ggf. in nur einer längeren  Behandlungssitzung mit Unterteilung in 4 Registriersitzungen.

Es  ist nicht klar erkennbar, ob dem Gericht eine derartige  Problematik bekannt war?

Das Registrieren und die Erstellung von Registraten

Das Registrieren der Lage des Unterkiefers erfolgt also mit Hilfe von extrem genauen, ausgehärteten Registraten. Davon sind – egal wieviel benötigt bzw. verworfen werden müssen, nur zwei berechnungsfähig. Ein funktionsanalytisches Registrat ist im Grunde eine beidseitige, sehr genaue zweiseitige Abformung mit Spezialmaterialien. Die zweiseitige oder doppelseitig partielle Kauflächenabformung gemäß Kiefergelenk- Zentrallage/Zentrik) wird funktionsorientiert erstellt und intraoral  ausgehärtet zum lagestabilen temporären Verschlüsseln der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers.  

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER