Abformung für Situationsmodelle oder zur Diagnose oder Planung?

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DZW-Artikel von Dr. Esser aus KW 41

Immerhin nennen sie sich nicht mehr „Abdruck“ bzw. „Abdrucknahme“. Stolpernd und sperrig erscheinen die beiden Leistungsbeschreibungen zur Abformung bei näherem Hinsehen dennoch: Verbergen sich in den Texten der GOZ-Nrn. 0050 und 0060 GOZ vielleicht zwei Kerninhalte oder doch nur einer? Handelt es sich bei der Vergütung auslösenden zahnärztlichen Tätigkeit lediglich um Abformung eines bzw. beider Kiefer für ein bzw. zwei Situationsmodell(e) bzw. eines bissfixierten Modellpaares? Oder handelt es sich im Wesentlichen um „Auswertung zur Diagnose oder Planung“? - Dann könnte ja auch ein andernorts abgeformtes Modellpaar dazu herangezogen werden?

Bei Fragestellung nach der Bedeutung des Textes von Leistungsbezeichnungen muss genau auf den vollständigen Wortlaut der offiziellen Leistungsbeschreibung geachtet werden. Lediglich die Interpretation einer kurzen „Bezeichnung“ der Leistung im Sinne des § 10 (2) 2. GOZ wie „Abformung eines Kiefers“ oder „Abformung/ Bissfixierung beider Kiefer“ ist da nicht weiterführend, unter Umständen sogar irreführend.

Die vollständigen Texte der beiden Leistungsbeschreibungen lauten:

0050 GOZ: „Abformung oder Teilabformung eines Kiefers für ein Situationsmodell einschließlich Auswertung zur Diagnose oder Planung“ 

0060 GOZ: Abformung beider Kiefer für Situationsmodelle und einfache Bissfixierung, einschließlich Auswertung zur Diagnose oder Planung

Bei der Ziffer 0060 GOZ ist eine „einfache Bissfixierung“ eine grundsätzliche Voraussetzung, dass die Gebühr geltend gemacht werden kann. Bissfixierung setzt in aller Regel eine intraorale Bissnahme voraus. Dabei ist an ein Zubissregistrat aus geeignetem Wachs oder auf Silikonbasis gedacht. Im Grunde ist diese Bissfixierung ebenso aufbewahrungspflichtig wie die Modelle selber (10 Jahre). Zur Sicherheit ist das Anbringen von haltbaren Strichmarkierungen „des Bisses“ o. Ä. auf dem Ober- und Unterkiefermodell angeraten. 

Mit der Diagnose in der Leistungsbeschreibung ist natürlich spezielle Modelldiagnostik angesprochen, z.B. die Beurteilung der Zahnformen bezüglich möglicher Lage des Äquators für Klammern. Angesprochen ist auch z.B. „Auswertung“, die zur Folge hat, dass daraus therapeutische Konsequenzen gezogen werden, wie klammergerechte Korrekturen der Zahnformen.
Dann ist mit „Planung“ also eine spezielle Planung auf Modellen gemeint, die ohne visuelle Modellinformationen weniger gut möglich wäre, z.B. Abschätzung des Platzangebots für drei oder zwei geschachtelte Ersatzzähne o. Ä.

Abformung ohne Auswertung zur Diagnose/Planung?

Ist eine Situationsabformung eines Kiefers, d.h. eine anatomische statische Abformung ohne Auswertung, bereits als 0050 GOZ berechnungsfähig? Die Antwort lautet: Gemäß der gültigen GOZ von 2012 nicht. Aber konträr dazu liest man mitunter: Wenn eine „Auswertung zur Diagnose oder Planung“ erforderlich ist, bedeutet „einschließlich Auswertung“ lediglich, dass diese nicht gesondert berechnet werden darf. Das klingt nicht ganz unlogisch? -
Im Umkehrschluss: Falls zahnmedizinisch keine Diagnose oder Planung erforderlich ist - was ebenfalls das Resultat einer vorangehenden Auswertung sein kann -, dann muss eben dieses Ergebnis der Auswertung dokumentiert werden, womit die Berechnung der Gebühr auch gerechtfertigt sein kann.   

Welche Gebührenziffer käme zur gesonderten Berechnung für die inkludierte Modellauswertung in Frage? Zum Beispiel die Nr. 6010 GOZ „Analyse von Kiefermodellen“ wäre nicht für eine allgemeine Modellauswertung zur Diagnose oder Planung ansetzbar. -
Das ist u. A. so, weil diese spezielle Modellanalyse nach 6010 GOZ eine dreidimensionale und/oder eine zeichnerische oder vermessende Modellanalyse ggf. mittels Diagrammen erfordert. Diese Spezialverfahren, z.B. für die KFO- oder Funktionsdiagnostik, sind mit „Auswertung“ bei Nr. 0060 GOZ jedoch nicht angesprochen. Eingehende „Analyse“ und allgemeine „Auswertung“ von Kiefermodellen sind gebührentechnisch, aber auch zahnmedizinisch unterschiedliche Sachverhalte.

Anwendung von Methoden zur Analyse von Kiefermodellen

Das zweite Fazit ist, dass die Ziffer 6010 GOZ zur Voraussetzung hat, dass zuvor wenigstens einmal die Leistung nach 0060 GOZ „Abformungen/ Bissfixierung beider Kiefer“ erfolgt ist.

Es muss zugestanden werden, dass der Gebrauch des Wortes „einschließlich“ in der GOZ je nach Sachzusammenhang und Stellung innerhalb von Leistungsbeschreibungen unterschiedliche Bedeutung hat: Die Nrn. 4050, 4060 GOZ „einschließlich Polieren“ oder die Nrn. 2220, 5020 GOZ „einschließlich Rekonstruktion der (gesamten) Kaufläche“ bedeuten, dass Politur oder Kauflächenrekonstruktion fester, „obligater“ Bestandteil des jeweiligen Leistungsinhaltes ist und z.B. ohne Rekonstruktion der Kaufläche gebührentechnisch keine Teilkronenversorgung erfolgt ist, sondern eine mit einem Inlay, Onlay, Overlay und z.B. dafür die Ziffer 2220 GOZ nicht angesetzt werden darf. 

Das Gegenteil gibt es aber auch: Nr. 5210 GOZ „einschließlich Einschleifen der Auflagen“ oder 5260 GOZ „einschließlich Halte- und Stützvorrichtungen“ bedeuten wohl eher, falls Auflagen nötig sind oder falls Halte- und Stützvorrichtungen zu reparieren sind, dann sind diese fakultativen Maßnahmen ebenfalls mit der Gebühr abgegolten - aber wenn diese nicht nötig sind, bleibt es dennoch beim Ansatz der betreffenden Gebührenziffer – ggf. mit niedrigerem Faktor. 

Was bedeutet das konkret für die Ziffern 0050, 0060 GOZ? Welche der beiden Deutungen ist gemäß Leistungsinhalt zutreffend? Falls die als (möglicherweise) fakultativ angesehene „Auswertung“ einmal nicht erforderlich sein sollte, bleibt es dennoch beim Ansatz der Gebühren? Oder bedeutet es, dass Auswertung obligater Leistungsbestandteil ist und ohne Auswertung die Berechnung der 0050, 0060 GOZ nicht zutreffend ist? Das klingt logisch.
Oder erfüllt tatsächlich nur „Auswertung mit Diagnose oder Planung“ den Anspruch der Leistungsbeschreibungen. Das klingt streng logisch.

Keine 0050, 0060 GOZ ohne Auswertung

Letztere Interpretation wird in fast allen Fachkommentaren der GOZ vertreten und erscheint plausibler. Sie wird jedenfalls unterlegt für alle Fallgestaltungen mit Kronen-, Brücken- und/ oder Prothesenversorgung. Dort findet sich exemplarisch in der Abgeltungsbestimmung im Anschluss an die Ziffer 5230 GOZ (UK-Totalprothese) „.. sind folgende Leistungen abgegolten: Anatomische Abformungen (auch des Gegenkiefers), ..“

Das bedeutet zumindest bei Kronen, Brücken und Prothesen, dass eine Situationsabformung (anatomische Abformung) ohne gesonderte, nötige und dokumentierte Auswertung  -zur Diagnose oder Planung - nicht nach 0050 und nicht nach 0060 GOZ berechnungsfähig ist.

Abformungen mit individuellem Löffel (5170 GOZ) oder Funktionsabformungen (5180, 5190 GOZ) sind dagegen auch ohne daraus folgende Modelldiagnostik und/oder Modellplanung berechnungsfähig. Ungeklärt ist die selten gestellte Frage, wie die Abformung für Diagnostik-oder Planungsmodelle mit nötigem individuellem Löffel infolge stark normabweichender Zahnbogen- oder Kieferform berechnet werden kann? – Gebührentechnisch logisch mit einmal oder zweimal 5170 GOZ, allerdings beim resultierenden Planungsmodellpaar inklusive einfacher Bissfixierung.

Auch diese Frage ist gestellt worden: Käme zu der Berechnung von zweimal 5170 GOZ im obigen Beispiel der zusätzliche Ansatz der Nr. 0060 GOZ in Frage für die bei Nr. 5170 GOZ eindeutig nicht eingeschlossene „Auswertung zur Diagnose oder Planung“? – Die Antwort gibt § 4 Abs. 2 GOZ: Es handelt sich bei 2x 5170 GOZ dem Grunde nach um „eine besondere Ausführung“ der Leistung nach 0060 GOZ. In derartiger Konstellation darf der Zahnarzt nur eine Gebühr berechnen, die umfassendere, welche die andere Leistung zum Teil, Großteil oder gänzlich beinhaltet: Das ist gegenüber Nr. 0060 die fast doppelt so hoch bewertete zweimalige Nr. 5170 GOZ.

Mehrfachansatz von 0050 bzw. 0060 GOZ?

Ein indizierter Mehrfachansatz der Nr. 0060 ist zahnmedizinisch denkbar bei Modell verändernder oder zerstörender Diagnostik, z.B. in Form eines Set-up`s auf einem weiteren Modellpaar. Das zutreffende Berechnungsdatum für die Erbringung der Leistung nach 0060 GOZ ist meist ein praxisinterner Diagnostik- bzw. Planungstermin, zu dem der Patient nicht anwesend sein muss. In den Behandlungsaufzeichungen und auf der Rechnung muss der Termin der vollständig erbrachten Leistung aufgezeichnet bzw. ausgewiesen werden.

 

© Dr. Peter H. G. Esser

„Abformung für Situationsmodelle oder zur Diagnose oder Planung?“ als PDF-Download