DZW-Artikel – Bemessen/ Begründen und formale oder nur behauptete Rechnungsfehler

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Bemessen/ Begründen und formale oder nur behauptete Rechnungsfehler

Der Komplex „Bemessen/Begründen“ steht an 3. Stelle in der Auflistung der meistbeanstandeten GOZ-Sachverhalte (DZW  3-4/ 2022, S. 15) und betrifft knapp 10% der meistbeanstandeten Leistungskomplexe.  Dreiviertel aller Beanstandungen und Einwände zum Komplex „Begründungen/Erläuterungen“  im Jahr 2021 erfolgten in bekannter Manier:

Im Erstattungsbescheid wird völlig undifferenziert, pauschal und mit inhaltslosen Floskeln auf angeblich fehlende  oder unzureichende, unverständliche oder unzutreffende Begründung hingewiesen und man gibt sich wenig oder keine Mühe, genauer aufzuzeigen, worin der Anlass für diese Disqualifikation der dargelegt Gründe bestehen soll?

Insbesondere im Komplex „Bemessen/Begründen“ sind diese – zum Teil ellenlangen - konfektionierten Ablehnungstexte mancher Erstatter nicht nur ganz offenkundig vorgefertigt, sondern oft wenig passend, bleiben häufig - selbst nach mehrmaligem Lesen - rätselhaft oder wolkig. Sie können inhaltlich kaum beantwortet werden, weil sie fast inhaltlos sind.

Es handelt sich bei diesem Sachverhalt leichthin abgelehnter Begründungen/ Erläuterungen um  gravierende Missgriffe der betreffenden Erstattungsstelle, mengenmäßig über 75% der Beanstandungen im Komplex „Begründen/ Erläutern“.

Eine angemessene Reaktion auf solche Einwände muss erwähnen, worauf Antwort gegeben wird und die Antwort so kurz und knapp wie möglich halten. Wirklich rationell sind in derartigen Fällen kurze Direktantworten auf einer Fotokopie o. Ä. des Ablehnungsbescheides. Angesichts der Größe des Problemkreises ist diese Reaktion angemessen und gerechtfertigt..

Nicht möglich ist „keine Reaktion“ bzw. gar nicht zu antworten.

Ohne wenigstens eine dokumentierte Kurzerläuterung der betreffenden Begründung wird der Betrag zwischen 2,3-fach und 3,5-fach rechtlich nicht fällig: Der vom Grundsatz her zahlungspflichtige Rechnungsempfänger muss den nicht erläuterten Differenzbetrag solange nicht bezahlen, bis er - dokumentiert - eine Erläuterung erhalten hat. Ob er inhaltlich die Bedeutung der Erläuterung verstanden hat bzw. verstehen konnte, ist dann ggf. ein neues Streitthema 

Begründen, bemessen und erläutern von Formularen

Zweithäufigster Einwand von Kostenerstattern:

„Die Begründung lediglich mit überdurchschnittlicher Schwierigkeit ist nicht personenbezogen.“

Diese Art Einwand, vornehmlich von Post und Beihilfe vorgebracht, wird häufig verwendet.

Er wird in ca. 15 % der Fälle mit Begründungskritik vorgeschoben. Die simple Kritik „Faktor zu hoch“ wird da in ca. in 75 %  der Fälle mit der Behauptung „Begründung nicht personenbezogen“ o. Ä. untermauert.

Hier vorweg: Eine Begründung muss nicht unbedingt Patienten oder Personen bezogen sein. Die Behandlung selber kann z.B. sehr viel belastender - wegen nötiger Komplikationsvermeidung -, also „komplikationsgefährdeter“ und damit anspruchsvoller und aufwendiger sein als im Durchschnittsfall.

Gerne argumentieren Erstatter zwecks Untermauerung geminderter oder sogar Nichterstattung mit einer hohen Hürde, die überschritten werden muss, damit Erstattung überhaupt in Betracht kommen könne:

Sie sprechen wieder vermehrt von einer angeblichen Forderung in Paragraf 5 Absatz 2 GOZ, die verlangen würde, dass die bemessene Schwierigkeit und/oder der Zeitaufwand  für die erforderliche Leistung („objektiv“) außerordentlich  gewesen sein müsse, damit der Durchschnittssatz überschritten werden könne. Diese Behauptung ist unzutreffend, auch wenn dazu § 5 Abs. 2 GOZ bemüht, aber falsch verstanden und  angewendet wird:

„Der 2,3fache Gebührensatz bildet die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab.“  à Der 2,3fache und höhere Gebührensatz bildet keineswegs nur „objektiv außerordentliche“ Leistung ab:

§ 5 Abs. 2 Satz 3 GOZ: Fundiert begründete höhere Steigerungsätze und Einwände“

Es gibt noch weitere Vorgehensweisen und Techniken,  die z.T. systematisch herangezogen werden, um Erstattung bei höheren Gebührensätzen zu dilatieren und wohlmöglich so in die Länge zu ziehen, dass sie im Sande verlaufen und vergessen werden.

Diese kleinen, oft unverhältnismäßigen Erstattungsschlachten, die mitunter ausgetragen werden, betreffen wenige Prozent der Nichterstattungs-/ Erstattungsfälle  (< 1 %).

Die häufigsten Fehlbegründungen beginnen mit „wegen“ gefolgt von dem Begriff „digitalem“ undder Leistungsbeschreibung „Röntgen“, also Faktor hoch „wegen digitalem Röntgen“.

Das Röntgen wird aber nicht schwieriger, zeitaufwendiger oder umständlicher (?) dadurch , dass eine digitale Aufnahmetechnik eingesetzt wird, also der herkömmliche Zahnfilm durch einen hochempfindlichen Rö-Strahlensensor ersetzt wird.

Wenn eine Vielzahl von Nebenbefunden bei der Aufnahmeauswertung und -dokumentation tatsächlich doppelte Zeit benötigt, kann das gelegentlich ein erheblich zeitfordernder Umstand sein, der sich im Steigerungssatz wiederfinden müsste? Wenn ja, dann bitte konkret warum? (Erläuterung  nach § 10 Abs. 3 GOZ). – Eine Dokumentation wie z.B. mit Filzstift auf dem Film „Rö 36“ ist keine hinreichende. -

Ein merkwürdiger Röntgenfall aus dem Jahr 2021

Auf einem Heil- und Kostenplan nach 0030 GOZ wurden DVT-Aufnahmen zur Planung, intraoperativen Kontrolle und Schlusskontrolle bei einer schwierigen implantologischen  Versorgung im Oberkiefer geplant.

Zur Vorlage des HKP bei der betreffenden PKV- Zusatzversicherung wurden von dieser bis auf eine Aufnahme alle geplanten DVT`s befürwortet, allerdings die Steigerungssätze von 2,5 auf 1,8 herabgesetzt  Zur Begründung wurde von der Zusatzversicherung  auf das VVG verwiesen, um  geschätzte Gebührensätze ablehnen bzw. neutralisieren zu können  - Auszug aus § 630c BGB (Versicherungsvertragsgesetz VVG):

„Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Dieser Gesetzestext besagt aber keinesfalls, dass über jede bekannte gewordene Erstattungsablehnung vorab aufzuklären wäre: Ein (unterschriebener) Heil- und Kostenplan mit dem Vorbehalt: „Eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen ist möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet.“ dürfte bereits hinreichend sein. Aufklärung im Vorwege über jeden einzelnen Erstattungsvorbehalt ist keine Pflicht. Das wäre eine ganz eindeutig zu weitgehende Forderung.

ARTIKEL VON: DR. PETER ESSER & Tanja Kästner