Aufbissbehelfe erforderlich? - Die Beihilfe weiß es besser

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Eingliederung von Aufbissbehelfen und Schienen erfolgt nach Meinung der Beihilfe bei Funktionsstörung oder bei Parodontalerkrankung. Menschen mit kieferorthopädischer Behandlung haben - wenn sie Beihilfe berechtigt sind - weder Funktionsstörungen noch eine Parodontalerkrankung. So ist das nun einmal: Bestimmte Erkrankungen sind beihilfekonform, andere nicht. Unfall/Trauma, Kieferbruch, Myoartropathie, Cranio-Mandibuläre Dyfunktion, Habits/ Bruxismus oder eine Diskopathie etc. sollte man sich unter diesen Umständen besser nicht leisten. - Aber wer will die schon haben, zumal unter diesen Voraussetzungen?

Da tun sich ungewisse Abgründe auf: Nichts ist sicher, viel liegt im Dunklen.

 

Nicht adjustierter Aufbissbehelf nach Nr. 7000 GOZ

Beihilfe: „Leistungen aus Abschnitt H der GOZ betreffen die Eingliederung von Aufbissbehelfen und Schienen. Sie werden als Behandlungsgeräte zur Beseitigung von Funktionsstörungen oder bei Parodontalerkrankungen eingesetzt. Im Zusammenhang mit der kieferorthopädischen Therapie ist der Ansatz dieser Position nicht nachvollziehbar und daher nicht beihilfefähig.“

Natürlich finden sich im GOZ- Abschnitt „H. Eingliederung von Aufbissbehelfen und Schienen“ nicht nur diese in der Überschrift genannten Behandlungsmittel, auch keine „Behandlungsgeräte“, aber „Dreimonats-Provisorien“ und deren Instandsetzung nach 7080-7100 GOZ. Die werden aber von der Beihilfebestimmung nicht angesprochen.

Leistungen werden im Übrigen nicht als Behandlungsgeräte eingesetzt; dahingehende Formulierung der Beihilfe wirkt unpräzise. Ob aber mittels Aufbissbehelfen oder gar Schienen Funktionsstörungen wirklich „beseitigt“ werden können - wie uns die Beihilfebestimmung glauben machen möchte - ist zweifelhaft. Aufbissbehelfe und Schienen beseitigen Parodontalerkrankungen ganz bestimmt nicht.

Und dann kommt zu Tage, wofür die ganze Staffage aufgebaut wurde:

Im Zusammenhang mit der kieferorthopädischen Therapie ist der Ansatz dieser Positionen nicht nachvollziehbar.“ Bei dieser Darlegung fragt man sich sofort, welche bestimmte „Position“ von zwei genannten - Behelf oder Schiene - ist nun gemeint? Welche Nummern? Zum Beispiel nur Gebührenposition Nr. 7000 GOZ „unadjustierter Aufbissbehelf“, wie in der Beihilfeüberschrift gesagt? – Nein. Im Gegenteil: Der „Ansatz“ von Aufbissbehelfen nach den Nrn. 7000-7020, deren Reparatur (7030) und Kontrolle (7040-7060) sowie von Schienen, genauer „Schienung“ nach Nr. 7070 GOZ. Wahrscheinlich ist selbst das Wort „Ansatz“ gar nicht zutreffend, doch eher der „Einsatz“ von Aufbissbehelfen oder Schienen?

Man fragt sich, ob angesichts der vielen Missverständlichkeiten der folgende Teil der Beihilfebestimmung aufrecht erhalten werden kann?

 

Im Zusammenhang mit

Was bedeutet zum Beispiel „im Zusammenhang mit der kieferorthopädischen Therapie“?

  • Ist das vielleicht Aufbissbehelf- oder Schienentherapie wegen oder anlässlich kieferorthopädischer Behandlung?
  • Ist das erkrankungsbedingt nötige Aufbissbehelf- oder Schienentherapie lediglich parallel mit kieferorthopädischer Behandlung?
  • Oder handelt es sich im Grunde um kieferorthopädische Behandlung inklusive oder anstelle einer Aufbiss- und/oder Schienentherapie?

Je nach Beantwortung der durch die unpräzisen Beihilfebestimmung angestoßenen  Fragestellungen ergeben sich gebührentechnisch völlig unterschiedliche Konstellationen: Von der Totalabgeltung der Aufbiss- oder Schienenbehandlung innerhalb einer Kfo-Behandlung (gem. § 4 Abs. 2) bis zur zwanglosen Nebeneinanderberechnung jeder indizierten und tatsächlich durchgeführten selbständigen Behandlung, sei sie kieferorthopädisch und/oder funktionstherapeutisch und/oder parodontaltherapeutisch.

Nehmen wir einmal hilfsweise an, gemeint sei in Wirklichkeit statt „im Zusammenhang mit“ richtigerweise „als Bestandteil kieferorthopädischer Behandlung“ sei der Ansatz nicht nachvollziehbar. Dann würde sich aus der krummen Beihilfebestimmung ein wenig Sinn herausschälen. Etwa so: Immanente funktionstherapeutische Wirkung des eingegliederten Kfo-Behandlungsmittels zur Kieferumformung/ Bisseinstellung kann nicht zusätzlich nach den Nrn. 7000-7020 GOZ (Aufbissbehelfe) berechnet werden. Das wäre ja irgendwie verständlich, wird aber so in keiner Weise von der Beihilfe artikuliert.

 

Parodontaltherapie

Kaum übertragen wir die gewonnenen Erkenntnisse auf Parodontalbehandlung, passt wieder nichts mehr. Die erfolgt nicht mit Aufbissbehelfen. Durchgeführte oder eingegliederte Schienung stellt auch keine Parodontalbehandlung dar, Eingliederung von Aufbissbehelfen ebenfalls nicht. Parodontitis und Funktionsstörung sind keine gleichen Erkrankung. Zudem stellen sie sicher keine orthodontisch relevante Kiefer- oder Bissanomalie dar. 

Dann kann man mit Fug und Recht festhalten:

Es gibt bei mehreren Erkrankungen, die jeweils unterschiedlich behandelt werden, für die mit der Behandlung erfolgten zahnärztlichen Leistungen unterschiedliche Vergütungen.

 

Nicht nachvollziehbar

Die Beihilfe sagt weiter: Der Ansatz dieser Positionen ist nicht nachvollziehbar. Sofort fragt man sich bange, für wen nicht nachvollziehbar? Etwa für den Beihilfesachbearbeiter, der die seltsam formulierten Beihilfebestimmungen nicht so ganz versteht? Obwohl die Formulierungen ein wenig verbessert wurden mit der letzten Neuauflage der Beihilfebestimmungen in Anlage 7 NRW.

Insbesondere wurde der Textteil „und daher nicht beihilfefähig“ eingefügt, anstelle von vormals „nicht berechnungsfähig“.

Die Beihilfe sagt weiter: Der Ansatz dieser Position kann daher nicht berücksichtigt werden.

Wobei nicht berücksichtigt? Da kann man spekulieren – vielleicht bei der Behandlung oder gar bei der Gewährung von Beihilfe?

 

Zwischenfazit

Ob die Beihilfe tatsächlich dieses Fazit im Sinne hat (Klartext):

Wir bezahlen auf keinen Fall eine der Leistungen nach den Nrn. 7000-7070 GOZ, wenn und solange der Beihilfeberechtigte in kieferorthopädischer Behandlung ist.

So hören sich die Beihilfebestimmung zumindest an?

Ob das auch gilt, wenn der Zahnarzt z.B. eine geschlossene Parodontaltherapie durchführt, derweil ein Kieferorthopäde die Kiefer umformt und den Regelbiss einstellt? Doch wohl nicht!

Und wenn es sich dann auch noch um nötige kieferorthopädische Behandlung eines Erwachsenen handelt, der gleichzeitig funktionelle Probleme hat und an Behandlung bedürftiger Parodontitis leidet? Dann, ja dann werden Beihilfebestimmungen nebensächlich und stellen sich als unbeachtlich heraus, denn dann ist gute Zahnmedizin und keine Bürokratie gefragt. Dann wird jede der vorliegenden Erkrankungen unter Beachtung der Gesamtsicht separat behandelt und eigenständig vergütet. Dazu muss der Beihilfeberechtigte darlegen, dass er doppelt, dreifach erkrankt war, doppelt oder dreifach behandelt werden musste und der Behandler entsprechend mehr Honorar benötigt.

 

Hinweis

Und ein Rat zusätzlich und gratis: Will die Beihilfe das alles nicht verstehen, einsehen oder schlicht und einfach nicht bezahlen, geben Sie ihr eine Kopie dieses Artikels als Antwort. Artikelinhalt verstehen? - Das muss man dann erst mal sehen!

 

© Dr. Peter H. G. Esser