Anfragen und Antworten nur noch elektronisch gemäß PKV-Auflagen

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Auskunftsersuchen von privaten Krankenversicherungen - Teil 2:

In der DZW der vergangenen Woche (46. KW) wurde über eine auffallende Häufung von Anfragen seitens der PKV berichtet, alle mit der Angabe, die umfangreichen Fragen würden der „Prüfung des Leistungsanspruchs“ bzw. der Rechnungserstattung dienen.  

In dem DZW-Beitrag der letzten Woche (Fall PKV1) wurde dargelegt, dass der Anfrageumfang weit über den aktuellen Krankheitsfall hinausging, ohne Information des Patienten bzw. Zahlungspflichtigen zu den Gründen hierfür. Hinzu kam Verweigerung des Ersatzes der tatsächlich durch die PKV1- Anfrage bedingten Kosten für veranschlagte 75 Minuten Zeitaufwand für alle Fragen und Zusammenstellungen  und zur Krönung des rational kaum mehr nachvollziehbaren Streits ein heftiger Verweis auf die angeblich zutreffende Berechnung der Nr. 75 GOÄ (17,43/26,52 €), also mit drei bis fünf  Minuten betriebswirtschaftlich vertretbarem Zeitaufwand - was ablauftechnisch völlig unmöglich ist.

Dem Grunde nach und gemäß der Sachlage war der Vortrag der Privaten Krankenversicherung „PKV1“ streckenweise zutreffend. Das Fazit des Falles soll – hier für diesen Fall ebenfalls zutreffend - wiederholt werden:

  1. Gemäß VVG sind dem Zahlungspflichtigen alle von ihm verlangten Unterlagen zu seiner Behandlung auszuhändigen.
  2. Die dabei entstehenden Kosten und Auslagen muss der Zahlungspflichtige dem Zahnarzt ersetzen.
  3. Der Zahnarzt muss ggf. den Zahlungspflichtigen darüber aufklären, dass die tatsächlich anfallenden Kosten von seiner Versicherung der Höhe nach bestritten und zum Teil nicht übernommen werden könnten:
  4. Der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit derartigem Warnhinweis ist angeraten.
  5. Ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Zahnarzt aber nicht zu.
  6. Der Zahnarzt darf den Zahlungspflichtigen informieren, wo Fragen und Anforderungen von Unterlagen unbegründet deutlich über den aktuellen Krankheitsfall hinausgehen und Ausforschungscharakter annehmen.
  7. Anwaltliche Hilfestellung zu suchen, ist in derartiger Fallgestaltung ein guter Rat.

 

Anweisungen der PKV2 an den Versicherten zur Handhabung der Anfrage

Der hier betrachtete Anfragefall PKV2 besteht aus einem

  • zweiseitigen Anschreiben an den Versicherungsnehmer für die fast 80-jährige Ehefrau oder Mutter und
  • aus zwei DIN A4 - Seiten Befundbogen und 12 umfangreichen Fragen.

Gängelung, Nötigung oder fast schon Zwang, versteckt hinter versicherungsseitiger Gesundheitserziehung in Pandemiezeiten?

 

Anschreiben

Das Anschreiben der Versicherung erzeugt selbst bei ziemlich arglosen Menschen ernste Bedenken.

Es erwähnt mit keiner Silbe oder zarten Andeutung, dass überhaupt an eine Honorierung und Übernahme der anfallenden Kosten gedacht ist. Keine, nichts!

Mit ein wenig Misstrauen läuten jetzt bereits Alarmglocken. Warum? Sehen Sie selbst:

 

„Sehr geehrter Herr Versicherter,

wir benötigen von Ihrem Zahnarzt noch medizinische Auskünfte. Aus Gründen des Datenschutzes können wir diese leider nicht direkt einholen.

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen.

Die PKV-2 ist ihr Partner in Gesundheitsfragen. Wir sind daran interessiert, Sie und die Praxismitarbeiter vor einer Ansteckung zu schützen.“

Man fragt da erstmals - schon etwas erstaunt -, warum man nur „Praxismitarbeiter“, nicht den Praxisinhaber erwähnt, den also nicht schützen will?
Das Anschreiben fährt fort:

„Daher haben wir für die nächste Zeit das Einreichen von Unterlagen auf einen rein digitalen Weg umgestellt.“

(Und wenn die fast 80-jährige Patientin oder der Versicherte/ Zahlungspflichtige die modernen Medien gar nicht beherrschen?)

 

„Schicken Sie uns bitte per E-Mail als digitales Foto oder Scan:  

  • Den Heil- und Kostenplan für die Suprakonstruktion
  • Aktuelle, auswertbare und aussagefähige Röntgenaufnahmen:
    OPG (Orthopantomogramm) und/oder Zahnfilme der zu versorgenden Regionen
  • Weitere Bildgebung, falls vorhanden
  • Situationsmodelle
  • Den Operationsbericht, falls bereits vorhanden

Lassen Sie außerdem das beigefügte „Beiblatt zu (zahn) ärztlicher Behandlung“ von Ihrem Zahnarzt ausfüllen. Vielen Dank.“

(Das  sog. Beiblatt entpuppt sich als großes einseitiges „Befund- und Gesamtplanungsschema vor Behandlungsbeginn“ und dann wieder nach erfolgter Versorgung, auszufüllen mit vorgegebenen versicherungseigenen und mit GKV-Kürzeln.)

Da geht es bereits an die Grenze des Tolerablen: Soll der adressierte Versicherte ernsthaft die zu übersendenden Röntgenaufnahmen vorher beurteilen auf Auswertbarkeit und Aussagefähigkeit? Das kann doch nicht ernsthaft verlangt werden! Wer das für möglich hält, bei dem muss man starke Zweifel an seinem Urteilsvermögen anmelden.

 

Auf Seite 2 wird es nun wirklich ernst und ärgerlich. Da schreibt die PKV 2:

„Legen Sie diesen Brief bitte nicht persönlich Ihrer Zahnärztin bzw. Ihrem Zahnarzt vor, sondern nutzen Sie die zahlreichen digitalen Möglichkeiten oder Ihr Telefon.“

 

Die Achtzigjährige denkt zwangsläufig: Mein Telefon oder mein Email kann keine Modelle versenden!  - Sie hat vielleicht kein Mobiltelefon zum Versenden von Fotos von Modellen? !

Sie fragt sich: Warum eigentlich nicht persönlich? Ich rede gerne mit meinem Zahnarzt, der berät mich immer gut. -  Die PKV2 fährt fort:

„Die Unterlagen erhalten Sie von Ihrem Zahnarzt. Bitte schicken Sie diese anschließend an folgende E-Mail Adresse „krankenversicherung(at)pkv2.de“.

 

„Auch bei Modellen sind Fotos ausreichend. Dies gilt ebenfalls für sonstige, nicht digital vorliegende Unterlagen.“ – Anmerkung: Das bringt Fragen über Fragen mit sich:

Versicherter: Und wo bitte bekomme ich digitale Fotos von nicht digitalen Unterlagen her?

Zahnarzt: Zu welcher Diagnostik dienen Fotos von Modellen bei der Zahnersatzversorgung?

Mittlerweile vertraut der Versicherte auch nicht mehr blind und hegt beim folgen Text bereits argwöhnische Vermutungen:

 

Bitte beachten Sie:

Von unserer Seite gibt es keine zeitliche Beschränkung für die Durchführung dieser Behandlung. Bitte wägen Sie zusammen mit Ihrer Zahnärztin bzw. mit Ihrem Zahnarzt ab, ob diese Therapie noch etwas warten kann. Das Infektionsrisiko ist aktuell für Leistungserbringer und Patienten stark erhöht.“

 

Ein Schelm, der Böses dabei denkt! ? Wenn der Versicherte nachfolgend auf zwei Seiten 15 Fragen und Hindernisse beantworten soll, denkt er vielleicht: Alles klar: Mache ich sofort. Oder? - Oder ist gar beabsichtigt, dass dem Versicherten bei dem Versuch, den aufgestellten Hindernis-Parcour der Reihe nach zu bewältigen, höchstwahrscheinlich der Geduldsfaden bald reißen wird? Soll er aufgeben oder wie angeraten erst mal alles in unbestimmte Zukunft verschieben?

Die Zahnärzteschaft muss sich bei derartigen Ratschlägen laut und deutlich öffentlich positionieren, was auch geschehen ist:

Ein derartiger unrelativierter Rat, von einer großen privaten Krankenversicherung erteilt, ist extrem fehlweisend und kann sich sehr schädlich auf die Mund- und allgemeine Gesundheit auswirken. Vor allem, wenn so formulierte Vorbehalte dazu führen, dass der Zahnarzt häufig gar nicht mehr befragt wird zu den vorgebrachten Bedenken der (ach) so fürsorglichen PKV.

 

Ein „digitales“ Fazit

Den Versicherten und/oder den Patienten zu animieren, zu dirigieren, ja zu zwingen, sich digital weiter zu entwickeln, mag vielleicht löblichen Absichten entspringen?

Aber hier im dargelegten Fall - mit seiner besonderen Konstellation - bringt das Niemanden voran: Weder Deutschland, noch die PKV, sicher nicht den Versicherten und auch nicht den Patienten, schon gar nicht die Sache.

 

 

© Dr. Peter H. G. Esser