Adhäsive Befestigung in allen Varianten: Widersprüche gesät, Wildwuchs erzeugt

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Inhalt

Keine andere Gebührenziffer der GOZ ist so gründlich unter die Räder geraten wie Nr. 2197 (adhäsive Befestigung). Entweder wurde deren Leistungsinhalt bei der GOZ-Novellierung schlecht verhandelt oder destruktiv kommentiert! 

Nr. 2197 GOZ (adhäsive Befestigung) tritt als „Mehraufwandvergütung“ zu jeder tatsächlich vom Zahnarzt adhäsiv befestigten Grundleistung (Gebühr) hinzu. -  Ohne zahnärztliche Leistung, wie es bei Verwendung von selbstadhäsivem Komposit der Fall ist, gibt es für die dabei eigenständig ablaufende chemische Reaktion mit den Zahnsubstanzen (Schmelz, Dentin) selber kein zahnärztliches Honorar „adhäsive Befestigung“ – aber mit zahnärztlicher Befestigungstätigkeit logischerweise sehr wohl.  

Siehe im Online-Abrechnungslexikon ALEX unter
 - wiki.alex-za.de/w/index.php/2197_GOZ -

 

Adhäsive Befestigung (Rewetting, Primen, Lining, Bonden)

 - "Adhäsive Befestigung" ist das Resultat einer Abfolge zahnärztlicher Tätigkeiten, die Konditionierung der Zahnhartsubstanzen- bzw. der Werkstoffoberflächen (Metall, Keramik oder Komposit) in Form der Erzeugung eines speziellen Retentionsmusters zur Voraussetzung (Grundlage) hat. 
 - Adhäsive Befestigung hat als weitere Voraussetzung die Verwendung adhäsiv verankerbarer Materialien (Füllungs- oder Befestigungskomposite), die möglichst gut in die entsprechend konditionierten Zahnhartsubstanzen bzw. Werkstoffe eindringen, dort aushärten und dadurch an dem jeweiligen Substrat fest verankert bzw. adhäsiv befestigt sind.

Um die Adhäsion der adhäsiven Werkstoffe (Adhäsivsystem/Bonding, Komposit oder Befestigungskomposit, selbstadhäsive Füllungs- und Befestigungsmaterialien) in restlos alle Mikroretentionen zu fördern und die Polimerisationsschrumpfung der verwendeten Kompositwerkstoffe so gering wie möglich zu halten, gibt es verschiedene Methoden und Techniken, die bei der adhäsiven Befestigung zur Anwendung kommen: 

Da adhäsive Befestigung in erster Linie eine mikroretentiv-mechanische Verankerung darstellt - neben der chemischen Haftung, die bei der Verwendung selbstätzender und selbstadhäsiver Materialien etabliert wird -, erzielen alle Methoden der Adhäsivtechnik eine adhäsive Befestigung unterschiedlicher Materialien und Materialkombinationen an die Zahnhartsubstanzen oder den zur Restauration verwendeten Materialien. 

Die "adhäsive Befestigung" bewirkt auch den "einseitigen", innigen Verbund der Zahnhartsubstanzen Schmelz und Dentin zu einem direkten Füllungskomposit, vermittelt über ein Adhäsivsystem. 

Im Grunde stellt die Vergütung für erzielte "adhäsive Befestigung" eine Zusatzvergütung zu verschiedenen Grundleistungen dar. Das besagen auch die offiziellen "Novellierungsbegründungen von Bundesregierung/BMG" (Zitat):
"Die Leistung nach der Nr. 2197 gilt den Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung ab." (Begründung zu den Nrn. 2180, 2195 und 2197 GOZ). 

Demzufolge entscheidet sich die Berechnungsfähigkeit der "adhäsiven Befestigung" (Primen, Bonden) mit deren tatsächlicher zahnärztlicher Durchführung und nicht danach, ob die Grundleistung ggf. auch ohne Adhäsivbefestigung vorkommt: 


Ablehnung der Berechnung der Nr. 2197 GOZ 
machte im Jahr 2019 in der Statistik der ZA - Zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft AG 10,3% aller Rechnungseinwände aus – mit jährlich immer noch leicht steigender Tendenz.

Einwände zur Nr. 2197 "adhäsive Befestigung" in 2019
Spektrum der Ablehnung bei Nebeneinanderrechnungen

  1. angeblich nicht zu 2060, 2080, 2100, 2120: 69,4 %
  2. nicht neben 2180, 2000, 2020, 2195, 2200,
    2220, 2310, 2330, 2340, 2440, 3120, 5000,
    6100, 6120, 6160, 7070, 8090, 9010, 9040, 9050: 20,1 %
  3. nicht mehrfach am Zahn je Sitzung: 9,6 %
  4. nur definit. Versorg., n. Inaly/ Krone/ Wiedereingl.: 0,9 %

©2020 Die ZA, Tab. 5

 

1) Nebeneinanderberechnung von Nr. 2197 und Kompositrestaurationen  nach den Nrn. 2060, 2080, 2100 und 2120 ist nach wie vor vertretbar. Die prozessuale Lagebetrachtung stützt diese Einschätzung, obwohl es so aussieht, als ob die rechtliche Durchsetzung immer schwieriger wird. Die Nebeneinanderberechnung bejahenden Urteil überwiegen zzt. noch. 
Da es sich im Grunde um einen zunächst zahnmedizinisch-fachlichen Streit handelt, der aber mit „alternativen Fakten“ leider auch von zahnärztlicher Seite befeuert wird, ist der Ausgang des Rechtsstreits auf  Basis fachlicher Irreleitung möglicherweise negativ vorprogrammiert. 

Das ist die falsche Kernaussage:

„Kompositrestaurationen in Adhäsivtechnik“ müssen immer durch den Zahnarzt adhäsiv befestigt werden. Daher ist die adhäsive Befestigung abgegoltener Bestandteil jeder Kompositrestauration in Adhäsivtechnik. 

Richtig ist:

„Kompositrestaurationen in Adhäsivtechnik“ müssen keineswegs immer durch den Zahnarzt adhäsiv befestigt werden. Bei fakultativer Verwendung eines anerkannten selbstadhäsiven Komposits entfällt eine adhäsive Befestigungstätigkeit des Zahnarztes, dennoch mit dem Endresultat einer Restauration in Adhäsivtechnik aufgrund einer selbststartenden chemischen Kontakt- und Kettenreaktion.

(Derartige Restaurationskomposite haben ein CE-Prüfzeichen und weisen in der GI (offizielle Gebrauchsinformation) eine Zulassung für alle Kavitätenklassen aus.)

Die adhäsive Befestigung durch den Zahnarzt ist nicht Bestandteil jeder Kompositrestauration in Adhäsivtechnik. Wird sie durchgeführt, ist sie als Nr. 2197 GOZ zzgl. berechnungsfähig. 
Wird sie nicht durchgeführt, dann ist sie auch nicht berechnungsfähig. 

 

2) Nr. 2197 angeblich nicht neben weiteren GOZ-Grundleistungen 

Die bei einigen Erstattern scheinbar „grassierende Phobie“ (Konditionierung) gegen jeglichen Ansatz der Nr. 2197 (adhäsive Befestigung), im Jahr 2019 neben 20 weiteren GOZ-Leistungen, führt mitunter zu bizarren Aussagen. Ein Beispiel erster Güte ist die Ablehnung der Nebeneinanderberechnung mit Hinweis auf Abgeltung im Sinne des § 4 (2) GOZ für Leistungen, die ausdrücklich und nachlesbar Grundleistungen neben der Nr. 2197 GOZ darstellen. Festgestellt wurden derartige Angaben für die Nr. 2180 (Komposit-Kronenaufbau), Nr. 2195 (Glasfaserstift), Nr. 2220 (Veneer) und entgegen Beschlusslage im Beratungsforum von BZÄK, Beihilfe, Post auch Nr. 2440 (adhäsive Wurzelkanalfüllung). Gründe?? - Wegen Komposit …, nur für definitive Versorgung …, wegen Kumulation u. Ä.

Zwar macht diese Sammlung von unbegründet abgelehnten Grundleistungen neben Nr. 2197 weniger als ein Drittel der Fallzahl wegen Kompositrestaurationen aus, doch werden hier, wenn überhaupt, derart abwegige Argumente vorgetragen, dass der damit verbundene Ärger verdreifacht erscheint.    

 

3) „nicht mehrfach am Zahn“

Knapp 10% der Ablehnungsfälle werden erstatterseitig auf das Gebot der lediglich einmaligen Berechnung der Nr. 2197 zurückgeführt. Das geschieht wohl ohne Kenntnis, wie der betreffende Text tatsächlich lautet und was er aussagt:


Novellierungsbegründungen
"Die Leistung nach der Nummer 2180 umfasst den plastischen Aufbau. Dieser kann mit der Leistung nach der Nummer 2195 kombiniert werden. …
„Die Leistung nach der Nummer 2197 gilt den Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung z.B. eines plastischen Aufbaumaterials (Nummer 2180) oder eines Schraubenaufbau bzw. Glasfaserstift (Nummer 2195) ab. Dabei kann die Leistung nach der Nummer 2197 nur einmal je Sitzung und Zahn berechnet werden, da die Aufzählung der adhäsiv zu befestigenden Teile kumulativ angelegt ist.“
Es soll gemäß BMG-Begründung "bei adhäsiver Befestigung mehrerer Teile im Rahmen des Aufbaus eines Zahnes" der mehrfache Ansatz der Nr. 2197" adhäsive Befestigung" verhindert werden.

"Kumulation" muss somit im diskutierten Zusammenhang die Bedeutung haben, dass mehrere Aufbaufüllungen in einem Zahn zu einer Nr. 2180 GOZ zusammen gefasst werden, mehrere Schraubenaufbauten in einem Zahn zu einer Nr. 2195 GOZ zusammengefasst werden und mehrere intrakanalär befestigte Stifte zu einer Nr. 2195 GOZ zusammengefasst werden.

Zu jeder dieser ggf. "kumulierten" Leistungsnummern kann im Falle der tatsächlichen Durchführung nur einmal die Zusatzgebühr (Zuschlag) "adhäsive Befestigung" nach 2197 hinzutreten, unabhängig von der Anzahl der jeweiligen Einzelteile.