1040 GOZ – Von Ja-Sagern und Nein-Sagern

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DZW-Artikel von Dr. Esser aus KW 39

Ja, was denn nun? „Nein“ sagte das OVG NRW zur Nr. 1040 „PZR“ plus subgingivale Belagentfernung. Und „Ja“ sagte dazu das AG Celle am 11. November 2014 (Az.: 13 C 144/13). Und beide Gerichte argumentierten nicht ganz zutreffend und im Ergebnis an den zahnmedizinischen oder gebührentechnischen Fakten vorbei. Aber der Streit scheint wieder Aktualität zu erlangen. Die Frage ist, wie tief reicht eigentlich die Leistung nach Nr. 1040 GOZ? Denn nicht die Leistungsbeschreibung der Nr. 1040 GOZ „Professionelle Zahnreinigung“ ist strittig, sondern der Zusatz: „Die Leistung umfasst das Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen …, je Zahn oder Implantat oder Brückenglied.“

Die Frage lautet also: Was sind gingivale Beläge? Die Berechnungsbestimmung zur Nr. 1040 GOZ macht die Antwort noch schwieriger: „Die Leistung nach Nr. 1040 ist neben den Leistungen nach den Nummern … 4050, 4055, 4060, 4070, 4075, … nicht berechnungsfähig.“ Verhandelt worden war vor dem AG Celle der analoge Ansatz der 2130a (entsprechend Füllungspolitur) für eine „subgingivale Belagentfernung im Rahmen einer Professionellen Zahnreinigung (PZR).“ In diesem Fall hatte ein Patient die Zahlung mit dem Argument verweigert, die Gebühr analog 2130 GOZ sei zu Unrecht abgerechnet worden.

Das Urteil: Eine analoge Berechnung der subgingivalen Belagentfernung im Rahmen einer PZR ist nicht zu beanstanden. Dem Urteil vorausgegangen war ein Sachverständigengutachten: „Die Berechnung der Geb.-Nr. 2130 GOZ analog (…) ist nicht zu beanstanden. Die vorgenommene Entfernung subgingivaler Beläge wird nicht von der Geb.-Nr. 1040 GOZ erfasst; die Geb.-Nr. 1040 GOZ erfasst das Entfernen supragingivaler/gingivaler Beläge. Die Entfernung subgingivaler Beläge unterfällt auch nicht den Geb.-Nrn. 4070, 4075 GOZ. Diese erfassen eine parodontalchirurgische Therapie, bei der über die Belagentfernung hinaus ein Abtrag von Wurzelzementschichten, eine Wurzelglättung und ein Ausschälen des entzündlich infiltrierten Bindegewebes erfolgen. Die hier vorgenommene subgingivale Belagentfernung stellt keinen solchen chirurgischen Eingriff dar.“

Anmerkung: Das zahnmedizinische Problem der Reichweite der Leistung nach Nr. 1040 PZR ist im Urteil zutreffend abgegrenzt auf supragingival; hinzu kommt aber in der Zahnhalsregion die „gingivale“ Region, also die Reinigung derjenigen Zahnwurzelflächen, die von marginaler Gingiva (Zahnfleisch) bedeckt sind. Der Urteilstext ist zahnmedizinisch zutreffend, aber gebührentechnisch zweifelhaft: Das Urteil befasst sich nämlich nicht mit der speziellen Berechnungsbestimmung zur Nr. 1040 GOZ, die gedacht ist zum Ausschluss jeglicher orts- und zeitgleicher selbstständiger Reinigungsleistungen neben der Professionellen Zahnreinigung.

„Nein“ sagte das OVG NRW

Es gibt aber noch einen Beschluss des OVG Düsseldorf (21. Februar 2014, Az.: 1 A 477/13) zur Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Düsseldorf (17. Januar 2013, Az.: 13 K 5973/12). Das Verwaltungsgericht hatte die Berechnung der „Entfernung klinisch erreichbarer subgingivaler Beläge“ (Zitat gemäß Paragraf 1 Absatz 5 ZHG) neben zahn- und sitzungsgleicher „Professioneller Zahnreinigung“ (Nr. 1040 GOZ) – mangels zahnmedizinischer Fachkenntnis – unzutreffend begründet abgelehnt. Das Berufungsverfahren war von einem Versicherten angestrengt worden und ohne zahnärztlichen Sachverständigen erfolgt. Das sind Verfahrenskonstellationen, die unbedingt vermieden werden
müssen.

Der veröffentlichte Leitsatz des OVG lautet: Die Entfernung der klinisch sichtbaren und ohne chirurgischen Eingriff erreichbaren Beläge auf den Wurzeloberflächen eines Zahnes wird von Nr. 1040 … („Professionelle Zahnreinigung“) als die Entfernung gingivaler Beläge der Wurzeloberfläche erfasst. Sie kann deshalb weder als „nichtchirurgische Entfernung subgingivaler Beläge“ neben einer Berechnung nach dieser Gebührennummer noch analog (Paragraf 6 Absatz 1 Satz 1 GOZ) berechnet werden.

Definitionen der Anatomie – anatomische Reihenfolge:
• marginale Gingiva mit/ohne Epithelansatz am Schmelz eines Zahns,
• daran anschließend folgt (attached gingiva) Gingiva propria und
• schließlich die gingivale Mukosa des Alveolarfortsatzes

Das OVG NRW verwechselt den marginalen Gingivasaum und die Gingiva propria. Das Oberverwaltungsgericht verkündete konkret, dass eine Analogberechnung gemäß den Nummern 4070a und 4075a für eine non-invasive subgingivale Zahnreinigung neben der zahn- und sitzungsgleichen „professionellen Zahnreinigung“ (PZR) nach Nr. 1040 GOZ nicht zulässig ist. Zitat: „… (analoge) Gebührenziffern Nr. 4070, 4075 … für die erfolgte nichtchirurgische Entfernung subgingivaler Zahnbeläge seien beihilferechtlich nicht notwendig gewesen, weil diese Behandlung bereits von der … Gebührenziffer Nr. 1040 … erfasst werde, da das Tatbestandsmerkmal „gingival“ im Sinne von „subgingival“ zu verstehen sei.“ Aber „gingival“ ist nicht gleich „subgingival“!

Das Gericht ging von unzutreffenden Annahmen bezüglich Anatomie und Pathologie des Parodontiums aus: Gingiva ist das feste Zahnfleisch (Zahnfleischsaum), in der Regel in der Region des Zahnhalses. Es gibt supragingivale Beläge oberhalb des marginalen Gingivaverlaufs auch auf Wurzeloberflächen. Es gibt gingivale Beläge auf den Zahn- und Wurzeloberflächen, die von marginaler Gingiva – einem ca. 2 bis 3,5 Millimeter hohen Zahnfleischsaum – bedeckt sind, jedoch nicht mehr mit voll anhaftendem Epithelansatz am Schmelz; es hat sich eine Gingivafurche gebildet.

Tiefer ausgedehnt können sich subgingivale Beläge auf oberen Wurzelanteilen – wurzelspitzenwärts gelegen in pathologischen Parodontaltaschen (ca. ab 3,5 Millimetern Tiefe) – im Bereich der sich an Knochen angehefteten Gingiva propria („attached gingiva“) ausbilden und bis in die Region der beweglichen Gingivamukosa reichen. Solche Beläge in mehr als einem halben Zentimeter Tiefe sind kaum noch nichtchirurgisch entfernbar.

Gingivale Beläge liegen im Sulkus der marginalen Gingiva und nicht subgingival in pathologischen Zahnfleischtaschenbildungen: Gingivale Beläge müssen demnach Beläge sein, die auf Zahn-, gegebenenfalls auch schon auf Wurzeloberflächen im Sulkus der marginalen Gingiva liegen, denn die daran anschließende gesunde Gingiva propria liegt nicht dem Zahn selbst (Zahnhals- oder oberem Wurzelbereich) auf, sondern dem Alveolarknochen) und ist daran fest angeheftet.

Es gibt erst dann eine subgingivale Taschenbildung, wenn es entzündungsbedingt am marginalen Knochenrand – im oberen Wurzelbereich – zu Einschmelzungen gekommen ist, die Gingiva propria dort also stellenweise nicht mehr am Knochen angeheftet ist (Weichteil- und dann gegebenenfalls Knochentaschenbildung). Darin liegt der zahnmedizinisch-fachliche Irrtum des OVG: In parodontal-pathologischer Taschenbildung erfolgt nötigenfalls eine Parodontaltherapie, im Gingivalsulkus erfolgt eine „Professionelle Zahnreinigung“ (PZR).

• Zahnmedizinisch existiert eine selbstständige, nichtchirurgische (non-invasive), subgingival parodontal-therapeutische Belagentfernung, die gemäß Paragraf 6 (1) GOZ berechnet werden muss, da sie nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ beschrieben ist.
• Zahnmedizinisch existiert alternativ eine selbstständige parodontal-chirurgische (invasive) subgingivale Therapie, die gemäß den Nummern 4070 oder 4075 GOZ berechnet wird und im Gebührenverzeichnis der GOZ beschrieben ist.

Beide Leistungen werden gemäß Berechnungsbestimmung und Willen des Verordnungsgebers nicht neben der professionellen Zahnreinigung (Nr. 1040 GOZ) berechnet, da es eine Leistungsüberschneidung gibt.

Anmerkung: Die „Entfernung klinisch erreichbarer subgingivaler Beläge“ – Formulierung des Zahnheilkundegesetzes (Paragraf 1 Absatz 5 ZHG) für eine delegierbare Reinigungsleistung – ist keine Leistung im Sinne einer subgingivalen PZR, muss aber gemäß Paragraf 6 (1) GOZ als nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ aufgeführte Leistung im Vergleich mit einer entsprechenden Leistung (zum Beispiel 2130a, „Kontrolle,
Finieren, Polieren in gesonderter Sitzung“) berechnet werden.

Eine zutreffend die anatomische Breite berücksichtigende biologische Definition lautet: „Gingivale Reinigung ist die Reinigung im equigingivalen Bereich. Gingivale Reinigung setzt voraus, dass noch eine Gingivamanschette vorhanden ist: „Behandlung der Gingivitis“.

Eine subgingivale Reinigung ist erst dann erforderlich, wenn die Integrität des dento-gingivalen Komplexes nicht mehr gegeben ist; dies ist wissenschaftlich bereits der Beginn einer Parodontitis (subgingivale parodontale Taschenbildung): „Behandlung der Parodontitis“.

 

© Dr. Peter H. G. Esser

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